Wilde Hafen-Romantik am Bubendey-Ufer
So ähnlich muss sich Robinson Crusoe gefühlt haben, als er auf einer abgelegenen Insel strandete. Nur dass dies hier nicht die Karibik ist, sondern der Hamburger Hafen. Aber auch dort gibt es Ecken, in die sich kaum ein Mensch verirrt. Solch ein Ort ist das Bubendey-Ufer direkt an der Elbe. Die Hafenfähren fahren die gleichnamige Haltestelle viermal in der Stunde an. Aber nur selten steigt jemand aus. Warum auch? Es gibt hier keine Sehenswürdigkeit, kein Café, keinen Spielplatz. Und doch lohnt sich ein Ausflug. Es gibt reichlich Hafen-Romantik, eine knapp 100 Jahre alte Baumallee und einen der spektakulärsten Picknick-Plätze im Hamburger Hafen - mit Blick auf die Container-Riesen in Waltershof. Zugleich bietet das Bubendey-Ufer ein Lehrstück über den Größenwahn des Hamburger Hafens.
Immer am Elbufer entlang
Am besten lässt sich das Bubendey-Ufer zu Fuß erkunden. Gleich am Anleger der Fähre 62 stehen die ersten Bäume der rund ein Kilometer langen Allee entlang des Elbufers. Nirgendwo im Hafen findet sich noch solch ein Stück unberührter Natur. Mit ein wenig Glück und Geduld erblickt man einen Raubvogel oder einen Kormoran. Vogelgezwitscher begleitet einen während des Spaziergangs im Grünen. Immer wieder gibt es üppige Brombeersträucher. Rund 100 Pappeln stehen an beiden Seiten des Weges. Ein vermögender Hamburger Geschäftsmann spendete die Allee in den 1920er-Jahren. Er wollte nicht länger vom anderen Ufer aus die hässlichen Tanks der Mineralölbetriebe sehen, die sich dort angesiedelt hatten.
Bäume sollten längst gefällt sein
Die meisten Tanks sind inzwischen im Zuge der geplanten Westerweiterung des Containerhafens abgerissen, auch die alten Bäume sollten eigentlich längst gefällt sein. Die Hamburger Hafenbehörde (HPA) wollte die Pappeln schon 2009 beseitigen. Aber der NABU Hamburg und der Anwohner-Verein "Erhaltet Oevelgönne" konnten dies fürs Erste verhindern. Laut NABU befindet sich in den Bäumen am Bubendey-Ufer ein schützenswertes Vorkommen der Laubholzmistel, die in Hamburg auf der Roten Liste geführt wird.
Zwei Firmen für 138 Millionen Euro umgesiedelt
Aber das Schicksal der einzigartigen Allee ist besiegelt. Denn am Elbufer soll eine neue Kaimauer für Containerschiffe entstehen - für eine Erweiterung des benachbarten Eurogate-Terminals. So plant es die HPA seit den 90er-Jahren, so hat es die Hamburgische Bürgerschaft im Jahr 2007 beschlossen. Zurzeit läuft das Planfeststellungsverfahren, länger als gedacht. Die Bauarbeiten werden wohl frühestens 2018 starten. Für die Umsiedlung von zwei Unternehmen am Bubendey-Ufer hat die Stadt 138 Millionen ausgegeben, für die Kampfmittelräumung und Vorarbeiten wurden schon 28 Millionen Euro fällig.
Ist die Westerweiterung notwendig?
Einer, der das Mammut-Projekt für überflüssig hält, ist Tobias Jaeger. Er wohnt seit 50 Jahren an der Elbe mit Blick auf das Bubendey-Ufer - und engagiert sich seit Langembei der Initiative "Erhaltet Oevelgönne". "Es gibt einfach keinen Bedarf für die Erweiterung des Eurogate-Container-Terminals", sagt Jaeger. Er und seine Nachbarn befürchten "Riesenlärm", sobald der neue Container-Terminal fertig ist.
In der Tat lässt sich am Sinn des Millionen-Vorhabens zweifeln. Als die Bürgerschaft für die Westerweiterung stimmte (noch vor der großen Schifffahrtskrise), hieß es von Experten, der Container-Umschlag im Hamburger Hafen werde bis zum Jahr 2015 auf 18 Millionen Standardcontainer (TEU) steigen. Bislang sind es gerade mal gut neun Millionen TEU. Auch der Eurogate-Container-Terminal, der so aufwändig ausgebaut werden soll, ist gerade mal zur Hälfte ausgelastet. Stadt und Hafenbehörde halten aber eisern an ihren Plänen fest. 2013 scheiterten die Grünen mit ihrem Antrag in der Bürgerschaft, auf die Westerweiterung "bis auf Weiteres zu verzichten".
Marathon der besonderen Art
Der Marathon-Läufer Christian Hottas kommt immer wieder gerne ans Bubendey-Ufer. Er organisiert seit dem Sommer 2013 regelmäßig den "Bubendey-Ufer-Marathon". "Es wäre wirklich schade, wenn der Ort eines Tages verschwindet", sagt Hottas im Gespräch mit NDR.de. Es sei herrlich, die Baumallee entlangzulaufen. Der Rundkurs am Bubendey-Ufer ist etwa 2,8 Kilometer lang, für die Marathon-Strecke sind 15 Runden zu absolvieren. Bis zu 20 Läufer machen mit. "Bei uns geht es nicht um das Tempo", sagt der 58-Jährige. "Wir unterhalten uns viel, genießen die Landschaft und halten auch schon mal für ein Foto." Ohnehin sei das Schiffegucken das Tollste am Bubendey-Ufer. Nirgendwo komme man den Container-Riesen so nahe.
Die fünfte Auflage des "Bubendey-Ufer-Marathons" findet voraussichtlich Mitte November statt. Neugierige Läufer sind herzlich willkommen.
Geheimtipp für Fotografen
Auch unter Hafen-Fotografen ist das Bubendey-Ufer ein Geheimtipp. Von keiner anderen Stelle lässt sich so gut das Wendemanöver der Containerschiffe beobachten, die in Waltershof festmachen. Aber selbst für Picknick-Freunde lohnt sich der Weg. Zwischen dem großem Leuchtturm und der Zufahrt zum Petroleumhafen kann man auf sandigem Boden wunderbar die besondere Hafenatmosphäre genießen. An dieser Stelle nimmt sich wohl jeder vor, öfter mal ans Bubendey-Ufer zu kommen.