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[28] Original: im Mozarteum zu Salzburg.

Adresse von Nissens Hand: Al Signore Carlo Mozart, dal Signore Consigliere Pinali, in Piazza del duomo, Casa Alodi, No. 1025, Milano.


An Karl Mozart in Mailand


Wien, den 5. März 1806.


Lieber Karl!


Dein Wunsch ist und bleibt auch der meine; nur bitte ich Dich, gehe mit Verstand, wie es einem Menschen in Deinem Alter zukömmt, zu Wercke! Ich wußte längst, daß Dir die Musique nicht gleichgültig sein oder bleiben könnte. Ob Du aber darinnen so fleißig warst oder sein wirst, wie Du es sein solltest, weiß ich nicht; dies mußt Du besser wißen als ich. Ich überlaße dahero alles Deiner Einsicht, und will Dir auch gewiß nicht abrathen; nur erinnere Dich stets meiner so herzlich[en] Lehren, nämlich: daß keiner von Mozarts Söhnen mittelmäßig sein darf, um sich nicht mehr Schande als Ehre zu machen. Hast Du dieses alles überlegt, und findest [Du] Dich zu diesem schweren Fache gewachsen, so bin ich es ganz zufrieden. Sey also fleißig, doppelt fleißig! Überdies muß ich Dir sagen, daß Du an Deinem Bruder einen starken Revalen hast, dem wirs freulich nicht gestehen, um ihn nicht stolz zu machen und um seinen Fleiß zu vermehren. In der That würde es mir wehe thuen, einen Bruder über den andern geschätzt zu sehen. Seid Ihr aber alle beide brav und groß, so wird meine Freude auch umso größer sein. Ich kann Dir also nicht mehr darüber sagen, als ich Dir von Kindesbeinen an schon gesagt habe. Und nun sage mir doch, wie Du und wann Du von Livorno1 weg bist; denn die Haubtsache Deines Briefes gehet ab. Auch kenne ich die beiden Herren Asioli2 und Pinali ganz und gar nicht; Ersteren nicht einmal von Ruf (welches er aber nicht zu wißen braucht).[29] Auch schreibst Du mir nicht, in welchen Fache der Musique Du glaubst Dein Glück zu machen. Dies alles wünsche ich doch zu wißen, und da gottlob Mailand nicht so weit ist wie Livorno, so [er]hoffe ich bald Antwort darüber.

Es tut mir leid, daß ich in betref einer [Mozartschen] Partitur an Asioli Deinen Wunsch nicht befriedigen kann, aber ich habe nicht eine in meinem Vermögen; dafür aber kann er mit der Zeit eine von Wowi [= Wolfgang Xaver Mozart] bekomen, die ihm vielleicht auch Freuden machen wird, weil er ein Sohn von Mozart ist. Nochmahl, sey also brav fleißig und dencke: Wie man sich bettet, so liegt man! Ich kann nichts oder doch nicht viel mehr für Dich thuen, denn Du bist nun in einem Alter, wo ich Dich Dir ganz und gar überlaßen muß, und wenn ich Dir auch einmahl, wie ich es for kurzem, wie Du weißt, mit ein paar Hundert aus helfen wollte: so ist doch das nie eine Hilfe, die Dich glücklich machen kann oder auf die Du Dich verlaßen kannst.

Nißen ist seit vier Monat[en], als der Minister3 gestorben ist, chargé d'affaires, und wer weiß wie lange wir noch hier bleiben. Die Sophie4, die auf Ostern Herren Haibel heierathen wird, vereinigt ihre Wünsche mit den meinigen; kurz, wir alle wünschen alles, was Du Dir wünschen kannst, und daß Du standhaft und fleißig in Deinem Unternehmen bist und bleibst, denn das Fach hat viele Freuden aber auch viele cavalle [= Kabalen] auszuhalten. Bedencke dies und glaube Deiner Mutter

Constance Mozart.

Fußnoten

1 Karl Mozart war von 1798 bis Ende 1805 in Livorno angehender Kaufmann; später – nach Verzicht auf die musikalische Laufbahn – kleiner Beamter in Mailand.


2 Bonifazio Asioli (1769–1832), Komponist und Theoretiker, von 1799–1813 in Mailand, 1801 zum Kapellmeister des Vizekönigs von Italien ernannt.


3 Der dänische Gesandte in Wien.


4 Konstanzens jüngste Schwester.


Quelle:
Mozart, Constanze: Briefe, Aufzeichnungen, Dokumente 1782 bis 1842. Dresden 1922, S. 30.
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