Im April führte Lars Leuenberger den SC Bern zum Meistertitel – und heute ist er ohne Job. Vom Versuch, mit den Mechanismen der Eishockey-Branche nicht zu hadern.
Das Berner Breitenrainquartier an einem sonnigen Augusttag. Lars Leuenberger, 41, sitzt vor einer Portion Tagliatelle Alfredo und redet über Eishockey und das Leben. Die Zeit ist begrenzt, am Nachmittag wartet das Tessiner Fernsehen; Leuenberger ist medial ein gefragter Mann, seit er am 12. April mit dem SC Bern Meister geworden ist. Leuenberger ist nach Arno Del Curto erst der zweite Schweizer Coach mit diesem Meritum seit der Einführung der Play-offs in der Saison 1985/86.
Leuenbergers Geschichte: ein Rührstück. Wie der Bruder Sven den Job als SCB-Sportchef opferte, damit Lars zum Cheftrainer aufsteigen konnte. Wie die Berner sich in extremis für das Play-off qualifizierten. Wie Leuenberger drei Tage vor der ersten Viertelfinalpartie gegen die ZSC Lions mitgeteilt wurde, dass er nach der Saison werde gehen müssen. Und wie der SCB dann zu diesem verblüffenden Steigerungslauf ansetzte: 14 Spiele, 12 Siege, ein Play-off wie im Rausch, eine Meisterfeier auf dem Bundesplatz.
Viereinhalb Monate ist das her, eine lange Zeit im Sport, aber der Fan vergisst nicht. Leuenberger erzählt, wie sich Fremde bei ihm bedanken, unter den Lauben Berns und am Schwingfest. Leuenberger freuen diese Aufmunterungen, auch wenn er sich von ihnen nichts kaufen kann. Denn sein Vertrag ist per 1. Mai ausgelaufen, er ist seither arbeitslos. Es ist paradox: Normalerweise kann ein Trainer aus einem Titel Kapital schlagen, man verlängert seinen Vertrag, erhöht vielleicht den Lohn. Für Leuenberger jedoch hat sich der Titel nicht gelohnt, finanziell gesehen. Sicher: Es gibt Anfragen aus der Privatwirtschaft, ob er nicht Vorträge halten könne. Aber im SCB wird keine Meisterprämie entrichtet, von welcher der Familienvater nun zehren könnte. Doch wer mit ihm redet, kommt rasch zu dem Schluss, dass es nicht primär das Geld ist, das ihn umtreibt. Leuenberger sagt: «Es ging von 100 auf 0. Man muss aufpassen, dass man mental nicht in ein Loch fällt.»
Es ist eine Herausforderung, den SC Bern zu führen, diesen Premiumklub, bei dem nur das Beste gut genug ist und wo sich bei einer Niederlage 17 000 Menschen für den fähigeren Trainer halten. Daran kann man zerbrechen. Im Erfolg aber ist die Kulisse berauschend, die Aufmerksamkeit kann süchtig machen.
«Ich würde alles wieder gleich machen.»
Die Fallhöhe nach dem Ende ist gross, und darum stellt sich die Frage: War es das wert? Entschädigen die Emotionen, die Huldigungen, die Fussnote im Lebenslauf, der feuchte Händedruck zum Abschied und die Meistermedaille dafür, den Job verloren zu haben? Leuenberger sagt: «Ich würde alles wieder gleich machen. Aber ich habe einen hohen Preis bezahlt.»
Temporäre Beschäftigungslosigkeit lässt sich im Trainermetier kaum vermeiden. Doch für Leuenberger war es nicht einfach, zu akzeptieren, dass die SCL Tigers und der EHC Kloten ihre Vakanzen in diesem Sommer anderweitig besetzten, obwohl ein Schweizer mit seiner Vita verfügbar gewesen wäre.
Leuenberger betont, dass er den Rückschlag verwunden habe, was soll er auch sonst sagen? Weinerlichkeit verkauft sich schlecht. Und wie weit man es mit einem polierten Image bringen kann, zeigt gerade Patrick Fischer, der so zum Schweizer Nationaltrainer aufgestiegen ist. Auch Leuenberger hoffte auf eine Anstellung bei Swiss Ice Hockey; lange galt er als aussichtsreichster Kandidat für die Nachfolge von John Fust als U-20-Trainer. Leuenbergers Wahl schien beschlossen, als Michel Zeiter und Felix Hollenstein nicht mehr zur Verfügung standen. Doch der Nationalmannschafts-Direktor Raeto Raffainer zauberte mit Thierry Paterlini und Christian Wohlwend über Nacht zwei neue Bewerber aus dem Hut. Den Job erhielt Wohlwend, der ehemalige Elite-Junioren-Coach des HC Lugano, ein enger Vertrauter von Fischer und Raffainer.
«Der kleine Lars»