Wer vom topaktuellen Kinofilm bis zur heißesten Serie wirklich alles sehen will, muss tief in die Tasche greifen. Amazon, Netflix, Sky & Co. bieten viel, bitten aber auch alle zur Kasse. Es ist eben nicht so einfach und günstig wie bei Musik-Streaming-Diensten, wo es für unter 10 Euro im Monat quasi bei jedem alles gibt. Deshalb sind illegale Filmseiten noch immer sehr beliebt. Die Massen, die früher vor allem bei Rapidshare und anderen Filesharing-Diensten frischen Stoff runtergeladen haben, sind mittlerweile zu gleichermaßen dubiosen wie illegalen Streaming-Diensten abgewandert. Seit einiger Zeit zeichnet sich nun ein neuer Trend in der illegalen Szene ab: Immer mehr zweifelhafte Hersteller bewerben im Internet sogenannte Streaming-Boxen, die grenzenlosen TV-Spaß gratis versprechen. COMPUTER BILD erklärt, was dahintersteckt.

Was hat es mit TV Frog auf sich?


„Neue Filme, Serien & TV kostenlos: Diese Box zeigt wirklich alles!“ – Mit diesem Slogan und bemerkenswert vielen Online-Anzeigen in den vergangenen Monaten hat einer dieser Anbieter die Streaming-Box „TV Frog“ beworben. Was steckt dahinter? Der Testkauf einer TV-Frog-Box bescherte den Experten von COMPUTER BILD ein seltsames Einkaufserlebnis: Die AGB des Anbieters räumen kein Widerrufsrecht ein. Bei der Bestellung landen zunächst ungefragt gleich drei Boxen im Warenkorb. Zwei davon muss der Kunde manuell wieder entfernen. Danach wird versucht, dem Kunden weitere Produkte anzudrehen, erst etliche Klicks später lässt sich der Bestellvorgang abschließen. Anschließend wurden sofort knapp 80 Euro vom Konto abgebucht. Die Box trudelte aber erst sechs Wochen später ein. Bei Amazon und Ebay gibt es viele gleichartige Angebote. Die TV-Box MXQ Pro+ 4K etwa sieht dem TV Frog sehr ähnlich, auch die technischen Daten gleichen sich. Daher bestellte COMPUTER BILD für rund 40 Euro auch davon ein Exemplar – das bereits nach wenigen Tagen ankam.

Billige Kodi-Boxen mit Android


Gespannt nahm die Redaktion zunächst die MXQ-Box in Betrieb: Installiert sind das Betriebssystem Android und die bekannte Medienplayer-App Kodi, mit der sich Musik, Videos und Filme beispielsweise von angesteckten USB-Speichern abspielen lassen. So weit, so gut, denn Kodi ist eine seit Jahren etablierte Software. Die Grenze zur Illegalität überschreitet die Box allerdings schon auf den zweiten Blick: Denn wie viele andere Billigboxen enthält Kodi zahlreiche Erweiterungen, die das Gerät zur Bedrohung für die Filmwirtschaft machen.

Der „Exodus“ für Urheberrechte


Die ebenso bekannte wie berüchtigte Erweiterung „Exodus“ bietet eine große Auswahl an Filmen, Serien und TV-Sendungen. Sie gehört nicht zu den Erweiterungen der Player-Software, die Kodi selbst anbietet. Wer Exodus einbinden will, muss sich daher zumindest ein wenig auskennen. Gerade das macht Streaming-Boxen wie die MXQ-Box so interessant, denn hier kommt die in Plastik gepackte Urheberrechtsverletzung schon fertig konfiguriert nach Hause.
Kodi mit verbotenen Addons
Auf der Android-Box MXQ Pro+ 4K ist Kodi mit einer Fülle von Add-ons installiert. So lassen sich damit ansonsten kostenpflichtige Inhalte gratis ansehen.
Foto: KODI

Exodus: Ein Sammelanbieter für Illegales


Zum Abruf von Gratis-Filmen aus dem Internet wählt man nach dem Start von Kodi unten im Bildschirmmenü das Add-on Exodus. Im nächsten Schritt ist die „Sprache” (Language) wählbar. Die bezieht sich allerdings nicht auf den Filmton, sondern auf das Herkunftsland der Beiträge. Die gewünschte Filmsprache lässt sich im Menüpunkt „Werkzeuge” (Tools) unter „Allgemein” bei „Sprache für Index Seiten” einstellen. Ist ein Film im Exodus-Menü ausgewählt, zeigt die Erweiterung eine Liste der möglichen illegalen Streaming-Quellen. Nach dem Klick auf einen der Anbieter startete im Test selten ein Film auf Anhieb. Ist ein Stream beim gewählten Anbieter nicht verfügbar, wechselt das Add-on automatisch zum nächsten. Das geht so lange, bis irgendwann der Film startet – oder in Einzelfällen auch nicht, wenn alle Links veraltet sind.
Hände Weg von diesen Addons!
Hände weg von diesen verbotenen Kodi-Add-ons!
Bei vielen Zuschauern dürfte spätestens hier der Frust einsetzen. Gerade von älteren Filmen existieren häufig keine Streams mehr. Bei brandneuen Filmen ist dagegen oft die Bildqualität mies. Auch Fernsehsendungen lassen sich mit dem passenden Add-on streamen. Deutsche Fernsehkanäle wie ZDF, RTL oder auch Sender von Sky sind in einer langen Liste aufgeführt. Die Livestreams ruckeln aber häufig und zeigen Bildfehler. Das gewohnte Durchzappen wie beim Fernseher ist nicht möglich.
Ist das Godzilla oder ein Transformer?
Ist das Godzilla oder ein Transformer? Bezahlfernsehen über verbotene Kodi-Add-ons zu schauen, macht selten Freude. Häufig sind die Bilder pixelig, und die Streams ruckeln deutlich.
Foto: Kodi, COMPUTER BILD

Sicherheit? Fehlanzeige!


Am Beispiel Exodus zeigt sich, dass die Missachtung jeglicher Urheberrechte und die mäßige Qualität nicht die einzigen Probleme sind. Vor einigen Monaten kam heraus, dass der Entwickler „Lambda“ den Programmcode seines Add-ons Exodus so modifizierte, dass es unliebsame Konkurrenten der illegalen Szene mit Überlastungsangriffen beschoss. Wer die Erweiterung installiert hatte, wurde unfreiwillig zum Mittäter. Die gefährlichen Code-Zeilen sind inzwischen verschwunden, doch generell ist bei Piraten-Add-ons oft nicht klar, was sie eigentlich machen. Weitere Gefahr: Mitunter sehen viele Billig-Boxen nur selten oder keine regelmäßigen Sicherheits-Updates. Somit sind sie leichte Beute für Hacker.

TV Frog entpuppt sich als Werbelüge!


TV Frog im Test: Bringt Sie diese Box in den Knast? Völliger Blödsinn: Kabelunternehmen müssen keine Angst vor dem TV Frog haben, denn kostenloses Pay-TV zeigte der im Test nicht - die Werbung ist eine glatte Lüge!
Völliger Blödsinn: Kabelunternehmen müssen keine Angst vor dem TV Frog haben, denn kostenloses Pay-TV zeigte der im Test nicht - die Werbung ist eine glatte Lüge!
Foto: COMPUTER BILD
Auf dem TV Frog war ebenfalls Kodi installiert, aber anders als bei der MXQ Pro+ 4K kein verbotenes Add-on, mit dem sich gratis Filme oder TV-Sendungen ansehen lassen. Bei drei weiteren georderten TV-Frog-Exemplaren fehlte Kodi sogar komplett. Das Versprechen, gratis Filme und TV-Serien zu liefern, ist also eine glatte Lüge. Dazu kommt: Leistung und Bedienung der Boxen sind aufgrund eines lahmen Prozessors und des kleinen Arbeitsspeichers bescheiden. Die Boxen reagieren träge auf Eingaben und hängen gelegentlich. Der TV-Frog-Anbieter liefert eine Maus statt einer Infratot-Fernbedienung mit. Zur Nutzung auf der Couch beim Fernsehabend ist die nahezu unbrauchbar. Mit der Fernbedienung, die der MXQ-Box beilag, klappte die Steuerung besser. Da funktionierten jedoch die Lautstärketasten nicht und eine Play/Pause-Taste fehlt.
Startbildschirm MXQ Pro+ 4K
Überraschung: Anders als beworben zeigt TV Frog gar keine aktuellen Filme, Serien oder TV-Sendungen gratis. Kodi oder verbotene Add-ons fehlen häufig.
Foto: MXQ Pro+ 4K
TV Frog gibt über seinen HDMI-Ausgang außerdem das Bild verzerrt aus: Es ist in der Höhe gestaucht, oben und unten sind schwarze Ränder zu sehen. Über die Menü-Einstellungen ließ sich dieser Mangel nicht korrigieren. Entsprechende Fragen an die Service-E-Mail-Adresse von TV Frog blieben unbeantwortet. Die MXQ-Box zeigte dagegen alles richtig an. Doch bei der Wiedergabe haperte es: Beide Boxen spielten 4K-Inhalte nicht korrekt ab. Für ein zufriedenstellendes Filmerlebnis sorgt das nicht gerade. Besonders der 80 Euro teure TV Frog ist sein Geld nicht wert, er wäre geschenkt noch zu teuer. Mit etwas Hartnäckigkeit und Geduld klappte zumindest die Rücksendung: Auf Anfrage nannte der Anbieter die Rücksendeadresse (FreeseeTV Kundendienst, Postbus 202, 6670AE Zetten, Niederlande. Der Kaufpreis wurde nach etwa einem Monat über Paypal zurückerstattet.

Medienkonsum mit Hindernissen


Wem die installierten Apps auf den Streaming-Boxen nicht genügen, lädt aus dem Google Play Store weitere herunter. Doch auch hier kommt es zu Problemen. Bei TV Frog ließ sich die bereits installierte Netflix-Version nicht aktualisieren, da sie laut Google nicht für das Gerät geeignet ist. Die MXQ Pro+ 4K war kaum besser. Da lief zwar Netflix (Full HD, nicht 4K), Apps für etliche andere Videostreaming-Dienste wie Juke sind für die Billig-Box aber nicht im Store verfügbar. Die Mediatheken-Apps etwa von ARD und ZDF ließen sich installieren. Die Wiedergabe startete aber nicht immer auf Anhieb. Oft hapert es auch mit der Bedienung: Die Boxen laden aus dem Play Store Smartphone-Apps und keine angepassten Versionen für Fernsehbildschirme und Fernbedienungen.

Illegales Streaming um jeden Preis


Die zahlreichen Probleme scheinen vielen Nutzern aber egal zu sein. Laut einer Studie des kanadischen Unternehmens Sandvine gibt es in rund 10 Prozent aller nordamerikanischen Haushalte eine Kodi-Box, auf zwei Dritteln davon laufen illegale Add-ons. Zahlen für Europa liegen nicht vor. Was sagt die Rechtsprechung dazu? Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat im April dieses Jahres klar Stellung bezogen: In seinem Urteil erklärte er, dass Verkäufer und Nutzer von Streaming-Boxen, mit denen sich urheberrechtlich geschützte Werke gratis anschauen lassen, Urheberrechte verletzen. Im konkret verhandelten Fall ging es um die niederländische Box „Filmspeler“. Der Anbieter hatte darauf Kodi mit Erweiterungen installiert und damit geworben, alle Inhalte kostenlos anzubieten.
Nvidia Shield
Alle TV-Boxen und TV-Sticks im Überblick
Das Gericht sieht in dem Verkauf eines solchen Medienplayers eine unrechtmäßige öffentliche Wiedergabe. Anderen Anbietern solcher Boxen drohen nun ebenfalls Verkaufsverbote und Schadensersatzforderungen durch die Rechteinhaber. Aber auch Käufer müssen aufpassen: Der EuGH führte in seiner Entscheidung an, dass Nutzer Rechte verletzen, wenn sie den neuesten Blockbuster über die Box schauen. Er ist der Ansicht, dass Käufer die Illegalität der Sache erkennen müssen. Was also bislang als Grauzone galt, ist nach dieser Entscheidung klar verboten.

Stressfrei und legal streamen


Kostenlos sind aktuelle Filme und Serien eben nicht zu haben, Privatsender in HD ebensowenig. Es gibt allerdings viele Alternativen zum herkömmlichen TV-Empfang. Der Amazon Fire TV Stick oder Google Chromecast sind günstiger als die Kodi-Kisten, Bildqualität und Bedienung sind top. Apps von Zattoo, Magine und Waipu lassen sich installieren, die TV-Programme aus dem Internet streamen – ebenfalls legal. Das klappt in guter Qualität für rund 10 Euro pro Monat. Sollten Sie eine der Streaming-Boxen mit Kodi zu Hause haben, löschen Sie die App am besten und installieren Sie sie neu – dann sind die illegalen Erweiterungen futsch.