Es ist ein kleiner Skandal. Wenn Arbeitslose sich nicht um einen Job bemühen, drohen ihnen Sanktionen. Gegen diese können die Betroffenen klagen. Die Fraktion der Linken im Bundestag  hat die Bundesregierung gefragt, wie viele Widersprüche und Klagen Erfolg haben. Die Antwort: Insgesamt hat es im vergangenen Jahr 51.000 Widersprüche gegeben. Rund 40 Prozent hatten Erfolg, die Sanktionen waren also zu Unrecht ausgesprochen worden. Und noch schlimmer: In knapp 6.000 Fällen klagten die Sanktionierten gegen die Arbeitsagentur. Und noch einmal 40 Prozent von ihnen bekamen dann vor Gericht zumindest teilweise Recht.

Offensichtlich scheitert die Arbeitsagentur regelmäßig daran, den Arbeitslosen nachzuweisen, dass sie gegen die Regeln vorstoßen. Das System der Sanktionierungen gegen Arbeitslose, so die Schlussfolgerung von Linken-Chefin Katja Kipping, sei rechtswidrig. Sie fordert, die Strafen abzuschaffen. Es wäre der Bruch mit dem Prinzip "fördern und fordern", das der Leitfaden bei der Hartz-IV-Reform 2003 war. Arbeitslose sollten mehr Unterstützung bei der Jobsuche bekommen, aber sie sollten auch dazu gezwungen werden, sich selbst anzustrengen.

Aber wäre es nicht noch sinnvoller, ein System zu schaffen, in dem jeder Mensch von sich aus ein Interesse daran hat, eigenes Geld zu verdienen? Das ist immerhin das Prinzip der Marktwirtschaft: Die Menschen strengen sich im Beruf an und investieren einen Großteil ihre Zeit, damit sie mehr Geld zur Verfügung haben. Die Unternehmen profitieren von diesem Engagement, weil sie so mehr und bessere Produkte herstellen und entsprechend mehr Umsatz machen.

Eine negative Einkommenssteuer könnte helfen

Doch bei Menschen, die einen geringen Stundenlohn haben oder wenig Zeit – etwa weil sie sich um Eltern oder Kinder kümmern müssen – funktioniert das Prinzip nicht: Selbst wenn sie arbeiten, bleibt ihnen am Ende des Monats zu wenig Geld und sie müssen "aufstocken", also zusätzlich Arbeitslosengeld II beziehen. Nur 100 Euro dürfen Aufstocker ohne Abzüge behalten. Wer zum Beispiel 400 Euro im Monat bezieht, darf davon nur 160 Euro behalten. Ein schwacher Anreiz, arbeiten zu gehen. Das Sozialsystem hält die Menschen fern von der Arbeit.

Ein Beispiel: Ein Unternehmen kann einem Bewerber keine volle Stelle anbieten. Stattdessen fragt es ihn, ob er nicht für zehn Stunden in der Woche als Aushilfe arbeiten möchte. Damit könnte er 400 Euro verdienen. Der Mann muss sich nun entscheiden: Verdient er dieses Geld und führt 60 Prozent davon an den Staat ab? Oder verzichtet er auf den Job, lebt von Arbeitslosengeld II und genießt seine Freizeit, bis er eine richtige Stelle gefunden hat? Bislang entscheiden sich viele für die zweite Variante.

Ein besseres Sozialsystem würde jedem die Gelegenheit geben, seinen Lebensstandard durch Arbeit zu verbessern. Wie das klappen könnte, hat der Ökonom Milton Friedman in den 1940er Jahren unter dem Begriff  "negative Einkommensteuer" beschrieben. Bei einer normalen Einkommensteuer muss von jedem verdienten Euro ein gewisser Anteil an den Staat abgeführt werden. Je mehr jemand verdient, desto mehr muss er abgeben. Gleichzeitig ist es immer von Nutzen, mehr zu verdienen, sich also zusätzlich anzustrengen.

Bei einer negativen Einkommensteuer würden Menschen mit geringem Einkommen zusätzliches Geld vom Staat bekommen. Allerdings würde dieser Zuschuss mit jedem zusätzlich verdienten Euro sinken. Das bedeutet: Wer gar nicht arbeitet, bekommt wie jetzt Arbeitslosengeld. Wer wenig arbeitet, muss einen kleinen Teil des Gehalts an den Staat abgeben. Und selbst wer deutlich über dem Existenzminimum liegt, bekommt noch einen staatlichen Zuschuss – und zwar so lange, bis er selbst genug Geld verdient, um Steuern zu zahlen.