Die Bundesregierung war sich eigentlich einig: Mit Ökostrom-Subventionen in mehrstelliger Milliardenhöhe muss es bald mal vorbei sein. Die Energiewende sollte endlich marktwirtschaftlicher werden.
Dafür hat Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) auch einiges getan: Im Sommer hatte er zum Beispiel das Konzept für einen „Strommarkt 2.0“ vorgelegt, der nach dem Prinzip der freien Preisbildung funktioniert. Statt Subventionen einzustreichen, müssen sich Solar- und Windkraftinvestoren künftig in einem marktwirtschaftlichen „Ausschreibungsverfahren“ gegen Wettbewerber behaupten.
Doch die Freude an staatlicher Steuerung ist in einigen Bundesländern offenbar tief ausgeprägt. Windkraftinvestoren sollen ihre Anlagen nicht einfach dort planen dürfen, wo der meiste Wind weht. Eine gesetzliche „Südquote“ soll künftig dafür sorgen, dass ein Teil der neuen Windparkprojekte im Süden ausgeschrieben werden muss, auch wenn es dort längst nicht so ertragreich bläst wie an der Küste und zudem die Baukosten höher sind.
Windräder „regional angemessen“ verteilen
Die Einführung einer Windenergiequote soll an diesem Freitag vom Bundesrat beschlossen werden. Getragen wird die Initiative von Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Thüringen. Ziel der geplanten „Regionalisierungskomponente“ ist es laut Antrag, allen Bundesländern „die Chance zu bieten, von der Energiewende zu profitieren“. Die Quote werde dafür sorgen, dass „der nationale Ausbau der Windenergie an Land auch weiterhin angemessen in ganz Deutschland regional verteilt fortschreiten kann“.
Interessant ist dabei die Definition von „angemessen“. Eine angemessene regionale Verteilung könnte ja zum Beispiel darin bestehen, Windenergieanlagen nur dort zu bauen, wo der meiste Wind weht. Doch die Südländer interpretieren Angemessenheit anders: Sie halten es für angemessen, wenn Windräder nicht ausschließlich an den besten Standorten, sondern geografisch gleichmäßig verteilt gebaut werden.
Die Ungerechtigkeit bestehe darin, dass selbst im Vergleich zweier gleich guter Windstandorte der süddeutsche gegenüber dem norddeutschen immer benachteiligt sei, heißt es im Wirtschaftsministerium Rheinland-Pfalz. Denn der Bau der Anlagen auf Höhenzügen und in Wäldern sei nun mal teurer als der Bau in der flachen norddeutschen Tiefebene. Außerdem entlaste es die Leitungsnetze, wenn im Süden verstärkt Windkraftanlagen gebaut werden müssten.
40 Prozent aller Windräder für den Süden reserviert
Wie genau die Quote aufgeteilt werden soll, ist noch unklar. Erste Überlegungen gehen dahin, dass nur noch 40 Prozent aller neuen Windkraftausschreibungen in Norddeutschland stattfinden dürfen. Weitere 40 Prozent sollen für den Süden und die Mitte reserviert sein. 20 Prozent der Windkraftprojekte sollen dann noch „frei“, also regional ungebunden ausgeschrieben werden.
Rote, grüne und dunkelrote Kräfte in den Landesregierungen träumen von einem regionalen Wettbewerb um die Frage, auf welchem Weinberg und welchem Schwarzwaldhügel der beste Windradstandort ist
Naturgemäß wollen die norddeutschen Bundesländer jedoch eine Geldmaschine wie die Windkraft nicht widerstandslos abgeben. Denn weil die Bundesregierung den jährlichen Windkraftausbau bei 2500 Megawatt gedeckelt hat, kann Süddeutschland nur dann neue Windparks gewinnen, wenn Norddeutschland entsprechend darauf verzichtet.
„Südländer machen Mecklenburg-Vorpommern die Windkraft streitig“, schlug deshalb die „Ostsee-Zeitung“ bereits Alarm. Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) bekannte unverhohlen: „Ich halte nichts vom Vorstoß aus dem Süden.“
CDU-Wirtschaftsrat fordert Wettbewerb statt Quoten
Zu den Kritikern der geplanten Regelung gehören auch Verfechter der Marktwirtschaft. Der Wirtschaftsrat der CDU etwa sieht nicht ein, warum die Bürger gezwungen werden sollen, für die Erschließung teurerer Windkraftstandorte im Süden zu zahlen, wenn dieselbe Elektrizität im Norden effizienter und billiger produziert werden könne.
Windräder auch im Süden zu bauen ist richtig, denn sie dienen der Versorgungssicherheit und der Netzstabilität
„Rote, grüne und dunkelrote Kräfte in den Landesregierungen träumen von einem regionalen Wettbewerb um die Frage, auf welchem Weinberg und welchem Schwarzwaldhügel der beste Windradstandort ist“, schimpft Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrates. „Wenn sich das durchsetzt, sehe ich angesichts der ausufernden Kosten schwarz für unser Industrieland.“
„Erneuerbare müssen dort ausgebaut werden, wo die Voraussetzungen günstig sind“, meint Steiger: „Angesichts der bereits aufgelaufenen gewaltigen 260 Milliarden Euro Gesamtkosten des EEG brauchen wir mehr Wettbewerb um die besten Standorte statt neuer künstlicher Subventionen und Quoten.“ Doch dass sich Kritiker wie Steiger durchsetzen, ist unwahrscheinlich: Die Antragsteller aus Süddeutschland werden im Bundesrat voraussichtlich die Stimmenmehrheit haben.
Habeck-Kompromiss: Mehr Windkraft für alle
Den Streit zwischen Nord- und Südländern will Schleswig-Holsteins Energiewende-Minister Robert Habeck (Grüne) mit salomonischer Weisheit schlichten: Die Südländer sollen ihre Quotenwindkraft bekommen, zugleich aber soll die Ausbaugrenze für Windkraft insgesamt so stark erweitert werden, dass der Norden dafür keine Einbußen hinnehmen muss.
„Windräder auch im Süden zu bauen ist richtig, denn sie dienen der Versorgungssicherheit und der Netzstabilität“, erklärte Habeck auf Anfrage der „Welt“: „Eine Quote für den Windenergieausbau ist für uns aber nur denkbar, wenn dadurch die Ausbauziele für Norddeutschland nicht infrage gestellt werden.“
Um das zu erreichen, schlägt Habeck ein neues „Referenzertragsmodell“ vor, denn: „Es muss weiter Anreize geben, effizientere Standorte zu bevorzugen.“ Zugleich sollte dann aber auch „mehr Ausbau der erneuerbaren Energien als im Netzentwicklungsplan vorgesehen möglich sein“.