Gastbeitrag

Fünf irrige Mythen des Social Web

Die Autoren Winfried Ebner, Alexander Luyken (beide Telekom) und Andreas Penkert (Detecon International)
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Die Autoren Winfried Ebner, Alexander Luyken (beide Telekom) und Andreas Penkert (Detecon International)
Bekanntheitssteigerung, stärkere Kundenbindung, Imageverbesserung, höherer Traffic: So oder so ähnlich lauten die Social-Media-Ziele der meisten Unternehmen. Tipps für den Social-Media-Erfolg gibt es zuhauf. Doch warum will das nie so recht gelingen, fragt sich das Autorentrio Winfried Ebner, Programmleiter Social Media Business der Telekom, Alexander Luyken, Programm Manager Social Media Business der Telekom, und Andreas Penkert, Managing Consultant, Detecon International.
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Die Liste der strategischen Vorgehensweisen zum Facebook-Erfolg ist endlos: Ratgeber mit dem Titel „In fünf Schritten zur Facebook-Marketing-Strategie“ oder „Zwölf wertvolle Tipps für garantierten Social-Media-Erfolg“ versprechen boomende Fanzahlen und Millionen Likes. Aber mal ehrlich: Kaum ein Unternehmen erreicht die selbstgesteckten Ziele– für den Fall, dass die Ziellinie überhaupt gesehen wird. Es ist also ein offenes Geheimnis, dass Anspruch und Wirklichkeit der Social-Media-Strategien im Unternehmensalltag eklatant auseinanderklaffen. Detecon International hat in Zusammenarbeit mit Telekom Deutschland eine umfassende Fallstudie durchgeführt und räumt jetzt mit den Mythen des Social Web auf. Wetten, dass auch Sie danach Ihre Strategie überdenken?

Mythos 1: Fanbasis und Engagement sind Indikatoren für Reichweite

Sollten Sie noch am Anfang ihrer Social-Media-Karriere stehen, lechzen Sie wahrscheinlich regelrecht nach steigenden Fanzahlen, Likes und Shares. Grund dafür ist die Annahme, dass zwischen zunehmender Fanzahl und der damit einhergehenden Reichweitenerhöhung eine Art Kausalbeziehung besteht. Mitnichten: Nicht jeder User liest einen geposteten Inhalt und nicht jeder gesehene Inhalt im Newsfeed wird vom User auch bewusst wahrgenommen. Erfahrene Social-Media-Nutzer lesen selektiv. Hinzu kommt die durch Facebook gezielte Begrenzung von Inhalten, um zusätzliche mediale Reichweite kostenpflichtig zu vermarkten. Sie werden zur Kasse gebeten und erst dann können Sie die potentielle Reichweite Ihrer Inhalte überhaupt ausschöpfen. Übrigens: Wichtige Interaktionen wie das Abspielen von Videos oder das Betrachten von Fotos lässt man bei dieser Strategie vollkommen links liegen. Dabei machen gerade diese Aktionen den Großteil des Userengagements aus. Ausgehend davon eignen sich weder die Fanbasis noch die Engagement Rate als verlässliche Indikatoren für Reichweite, denn die tatsächliche Wahrnehmung der Nutzer bleibt dabei weiterhin eine unbekannte Größe. 

Mythos 2: Content ist King

Content ist gut, Content ist wichtig, doch das Motto „Viel posten = viel Reichweite“ funktioniert nicht. Nicht jeder Inhalt erzeugt ein nachhaltig positives virales Echo. Ihre Herkulesaufgabe ist es, die richtigen, relevanten Inhalte zu platzieren und eine gewünschte Wirkung zu forcieren. Um diese Aufgabe erfolgreich zu meistern, brauchen Sie zwar nicht die Hilfe von Herkules, aber eine ausgefuchste Analyse der Präferenzen Ihrer User. Je nach Branche variieren diese sehr stark und unterliegen keinen festen Gesetzmäßigkeiten. Hier lohnt es sich also, eine permanente und intensive Auswertung über empirische Social Media-Wirkungsanalysen anzustreben, um tatsächlich den Nerv der Nutzer zu treffen. Die Möglichkeiten gängiger Social-Media-Analytics-Tools reichen dafür allein nicht aus. Das Kundeninteresse richtet sich immer stärker auf die Erlebnisdimension. Das ist eine der wenigen gesicherten Erkenntnisse, die Sie für sich nutzen sollten.Wenn Sie also Ihre Contentstrategie überarbeiten, um besseres „Content Marketing“ betreiben zu können, dann behalten Sie den Begriff „Storytelling“ immer im Hinterkopf. Inhalte, die in Rahmengeschichten und übergeordnete Kontexte eingebettet werden, erzeugen häufig eine höhere Aufmerksamkeit als produktbezogene Postings.

Mythos 3: Negative Userbeiträge beschädigen das Unternehmensimage

Oft aus dem Nichts und meist ausgelöst durch eine Lappalie: der gefürchtete Shitstorm. Allein die bestehende Möglichkeit eines Shitstorms lässt selbst gestandenen Unternehmern den Angstschweiß auf die Stirn treten. Doch ist diese Angst berechtigt? Nein! Positive Beiträge und Reaktionen werden im Social Web eher gelesen und wahrgenommen als negative – so zunächst die gute Nachricht. Die noch bessere Nachricht: User-Beiträge mit negativem Sentiment führen nicht zum unumgänglichen Shitstorm und färben nicht zwingend schädigend auf das Unternehmensimage ab. Aufgrund der Informationsfülle in sozialen Netzwerken unterscheiden viele Nutzer sensibel zwischen objektiv kritischen Reaktionen und reiner Polemik – diese wird meist mit Nichtachtung gestraft. Doch was, wenn es wirklich zum Sturm der Entrüstung kommt? Jetzt weist das richtige Vorgehen den Weg zur Schönwetterfront: Ein besonnenes und entschlossenes Handeln Ihrerseits sollte letztlich zum Turnaround führen. Fragen, die Sie sich stellen sollten: „Wie kann ich den Shitstorm zum Guten wenden und daraus sogar noch Kapital schlagen?“ Bekannte Beispiele eines Happy Ends gibt es zur Genüge: Erinnern Sie sich an den Dell Shitstorm der zum Dell Ideastorm wurde oder Otto und die „Mac-Preis-Panne“, die durch gezielte Kommunikation und eine Gewinnspielaktion zum Erfolg wurde. Setzen Sie auf Transparenz, Authentizität und einen konstruktiven Umgang mit kritischen Stimmen. Jede Kritik ist eine Chance!

Mythos 4: Produktcontent schafft Weiterempfehlung

Weiterempfehlungen der User – viele Unternehmen halten das für den Ritterschlag, der sie letztendlich noch bekannter, noch erfolgreicher machen wird. Unbestritten ist, dass Weiterempfehlungen ein wichtiger Hebel sind, der organische Reichweite schafft. Schließlich wird die Sichtbarkeit von Inhalten potenziert. Sie wissen ja: Content allein ist nicht King – auch nicht in diesem Fall. Produktinteresse und Produktimage sind hier die treibende Kraft. Hat ein User erhöhtes Interesse an einem Produkt, ist er geneigt, es häufiger weiterzuempfehlen und dadurch die Gesamtreichweite um die Größe seines eigenen Netzwerks zu erweitern. Doch das alleine ist nicht die ganze Wahrheit: Das Produktimage ist ein weiterer, nicht zu unterschätzender Faktor für Weiterempfehlungen und dieses wird bekanntlich durch unzählige Faktoren begünstigt – oder eben nicht begünstigt. Um das Produktinteresse der User nutzbringend zu bewerten, ist der Anteil der Weiterempfehlungen von produktbezogenen Beiträgen ein unbedingt sinnvoller und notwendiger Indikator. 

Mythos 5: Je häufiger die Marke „gesehen“ wird, desto höher das Kaufinteresse

Ein weitverbreiteter Indikator zur Bestimmung der Wirkung einer Marke im Netz ist der „Share of Voice“. Er misst die Häufigkeit der Nennung einer Marke und direkt mit ihr assoziierte Begriffe im Web im direkten Vergleich zum Wettbewerb. Der Share of Voice hat einen großen Einfluss auf das Markenimage – das kann sowohl positiv als auch negativ ausfallen. Wie bereits erwähnt bestimmt das Produkt- und Markenimage über Weiterempfehlungen. Aber auch das Kaufinteresse wird maßgeblich vom Share of Voice beeinflusst. Dieser Indikator ist jedoch völlig ungeeignet, um die direkte Kaufabsicht zu messen. Der Erklärungsgehalt allein reicht hier nicht aus. Es gibt zu viele unbekannte Einflussfaktoren. Eine der zentralen Herausforderungen von Social-Media-Strategien bleibt daher herauszufinden, inwieweit die Kaufabsicht der User durch Social-Media-Aktivitäten gefördert wird und wie diese zu messen sind. 

Fazit:

Do it right or don‘t do it at all – Social-Media-Erfolgsmessung ist und bleibt die Herausforderung der Stunde, der Sie sich zu 100 Prozent stellen sollten, um Ihr Unternehmen im wichtigsten Kommunikationskanal unfehlbar zu machen. Langfristig angelegte Strategien werden nach kürzester Zeit wieder obsolet. Im Vordergrund muss die permanente, intensive Befassung mit dem Nutzer und seinen Präferenzen stehen – und dabei lohnt es sich, über den Tellerrand der marktüblichen Analysetools hinwegzusehen.

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