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Überraschende Statistik Plötzlich haben wir die niedrigste Geburtenrate der Welt

Laut einer Studie des Hamburger Weltwirtschaftsinstituts hat Deutschland die niedrigste Geburtenrate der Welt - noch hinter Japan. Die Wissenschaftler verwendeten eine ungewöhnliche Maßzahl, die aber durchaus sinnvoll ist.
Frauen mit Kinderwagen: Ökonomen bereitet die niedrige Geburtenrate Sorgen

Frauen mit Kinderwagen: Ökonomen bereitet die niedrige Geburtenrate Sorgen

Foto: Marcus Brandt/ picture alliance / dpa

Okay, dass wir Deutschen wenige Kinder kriegen, das wussten wir ja schon. Aber gleich so wenige? Einer neuen Studie zufolge ist Deutschland bei der Geburtenrate nicht mehr nur Schlusslicht in Europa, sondern auch im weltweiten Vergleich, schreibt das Hamburger Weltwirtschaftsinstitut (HWWI).

Die überraschend schlechte Platzierung kommt zustande, weil die Forscher nicht die Zahl der Geburten pro Frau betrachten (auch in dieser Disziplin liegt Deutschland hinten, aber eben nicht ganz hinten), sondern die Zahl der Geburten pro 1000 Einwohner. Hier macht sich für Deutschland zusätzlich negativ bemerkbar, dass es mittlerweile relativ wenige Frauen im gebärfähigen Alter gibt. In Deutschland kann die Zahl der Geburten die der Sterbefälle seit Jahrzehnten nicht ausgleichen. Deshalb fehlt es inzwischen an Frauen, die überhaupt Kinder bekommen könnten - und die wenigen Frauen bekommen dann eben auch noch relativ wenige Kinder.

In Deutschland, so die Studie, betrug in den Jahren 2009 bis 2013 die sogenannte Bruttogeburtenziffer 8,28 Geburten je 1000 Einwohner. Damit hat Deutschland die niedrigste Geburtenrate weltweit, noch hinter Japan mit einem Vergleichswert von 8,36. Auch in den Vorjahren 2004 bis 2008 belegte Deutschland den letzten Platz der Tabelle.

Nimmt man allerdings das Jahr 2013 allein als Grundlage, haben immerhin zwei Staaten niedrigere Bruttogeburtenziffern als Deutschland, nämlich Portugal und Japan, ferner auch die chinesische Sonderverwaltungszone Hongkong.

Am anderen Ende der Tabelle, in der das HWWI 209 Länder vergleicht, steht für 2009 bis 2013 Niger mit einer Bruttogeburtenziffer von 49,9 vor Mali mit 47,5 und dem Tschad mit 46,9.

Die niedrigsten Geburtsraten weltweit 2009-2013 (Bruttogeburtenziffer*)

Land 1994-1998 1999-2003 2004-2008 2009-2013
Deutschland 9,62 8,98 8,34 8,28
Japan 9,64 9,3 8,61 8,36
Bosnien-Herzegowina 11,96 9,69 8,37 8,72
Portugal 11 11,16 10,08 8,92
Ungarn 10,3 9,42 9,72 9,14
Italien 9,34 9,44 9,7 9,16
Südkorea 14,94 11,66 9,46 9,2
Serbien 10,67 10,18 9,68 9,32
Österreich 10,94 9,64 9,42 9,34
Griechenland 9,5 9,38 10 9,58
Singapur 14,8 11,66 10,2 9,62
Quelle: HWWI/ Weltbank

*Die Bruttogeburtenziffer setzt die Anzahl der Geburten in einem Jahr zur durchschnittlichen Bevölkerung im selben Jahr ins Verhältnis. Der Wert wird je 1000 Personen ausgewiesen.

Vertrauter als diese Geburtsrate ist in der öffentlichen Diskussion meist die sogenannte zusammengefasste Geburtenziffer, die laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2013 1,4 Kinder je Frau  betrug. Auch hier belegt Deutschland einen der letzten Plätze. Diese Berechnung beschreibt laut dem Amt die Geburtenhäufigkeit aller Frauen, die im Jahr 2013 im Alter von 15 bis 49 Jahren waren. Um die gegenwärtige Bevölkerungszahl aufrechtzuerhalten, müssten im Durchschnitt pro Elternpaar in Deutschland etwas mehr als zwei Kinder geboren werden.

Die niedrige Geburtenrate in der Bundesrepublik bereitet Ökonomen große Sorgen. Das HWWI befürchtet erhebliche Konsequenzen für den Wirtschaftsstandort Deutschland, weil mit der demografischen Entwicklung auch immer weniger Erwerbsfähige dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen: Nach Uno-Prognosen schrumpft deren Anteil bis 2030 von aktuell 61 Prozent auf nur noch 54 Prozent, teilte das Institut mit.

In keinem anderen Industrieland verschlechtere sich dieser Trend trotz des Zustroms an jungen Arbeitsmigranten so stark wie in Deutschland, schreibt das HWWI. Um den Mangel auszugleichen, braucht die Bundesrepublik durchschnittlich 533.000 Zuwanderer pro Jahr.

bos/ric