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Meinung Pegida

Das deutsche Festival des Wahnsinns

Reporter
„Seid ihr auch von den gleichgeschalteten Systemmedien?“

In Dresden versammelt sich das „Pegida“-Bündnis zum achten Mal. 10.000 Demonstranten kommen - mehr als je zuvor. Das Bündnis gibt sich differenziert. Doch die Äußerungen hören sich anders an.

Quelle: Die Welt

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Bei den jüngsten Protesten wächst auseinander, was nicht zusammengehört: auf der einen Seite die Politik, die verordnet, was man hierzulande meinen darf – auf der anderen das angeblich „dumme“ Volk.

Was haben wir uns aufgebläht und vor Überlegenheit gebebt, wenn in anderen Ländern die Wahlergebnisse bekannt gegeben wurden. Diese Holländer mit ihrem Geert Wilders! Die Franzosen mit Marine Le Pen! Beppe Grillo in Italien, Pia Kjærsgaard in Dänemark, Nigel Farage in Großbritannien, die Schwedendemokraten in Schweden, der Vlaams Belang in Belgien, die Goldene Morgenröte in Griechenland – überall in Europa drängten „Rechtspopulisten“ an die Macht. Und wir, wir konnten es nicht fassen.

Mehr noch, wir waren empört, entsetzt, geschockt und angewidert. Und als die Schweizer über ein Verbot von Minaretten in ihrem Land und eine Begrenzung der Einwanderung abstimmten, haben wir den Schweizern über den Rheinfall von Schaffhausen hinweg zugerufen: So nicht, liebe Eidgenossen, ihr macht eure Demokratie kaputt!

Wir führten uns auf wie eine Nonne auf der Reeperbahn, die den Nutten Moral predigt. Und wir sagten allen, wie sie es machen sollten – so wie wir! Mit unseren Integrationsbeauftragten, unserer Toleranz, unserer Willkommenskultur. Und jetzt ist der Lack ab. Erst die AfD, dann die Pegida. Als sei Gottfried von Bouillon auferstanden, um mit seinen Heerscharen wieder gen Jerusalem zu ziehen.

„Neonazis in Nadelstreifen“?

„In Deutschland gibt es zwar die Demonstrationsfreiheit. Aber es ist kein Platz für Hetze und Verleumdung von Menschen, die aus anderen Ländern zu uns kommen“, sagt die Kanzlerin. Jeder sollte „aufpassen, dass er nicht von den Initiatoren einer solcher Veranstaltung instrumentalisiert wird“. Der Fraktionschef der SPD im Bundestag, Thomas Oppermann, sagt: „Das sind keine Patrioten, das sind Nationalisten und Rassisten, die Ängste der Menschen schüren und die Gesellschaft spalten wollen.“ Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger, ebenfalls SPD, sieht „Neonazis in Nadelstreifen“ am Werk.

Soll heißen: Wo die Demonstrationsfreiheit aufhört und Hetze und Verleumdung anfangen, bestimmt die Kanzlerin, so wie sie schon mal ein Buch als „wenig hilfreich“ klassifiziert. Die SPD ihrerseits, die in ihrer langen Geschichte immer wieder als ein Haufen „vaterlandsloser Gesellen“ beschimpft wurde, hat einen Lackmustest entwickelt, um Patrioten von Nationalisten und Rassisten unterscheiden zu können. Wer bei diesem Test durchfällt, wird in der Abteilung „Nazis in Nadelstreifen“ entsorgt. Die sind, um mit Wolfgang Schäuble zu sprechen, „eine Schande für Deutschland“.

Was wir seit einigen Monaten in Deutschland erleben, ist ein Festival des Wahnsinns, dessen Protagonisten keine wildgewordenen Kleinbürger, keine Nationalisten und keine Rassisten sind, schon gar nicht Nazis in Nadelstreifen, sondern seriöse und staatstragende Politiker, die sich wie Feudalfürsten am Ende des 18. Jahrhunderts benehmen, Regenten, die ihre Macht und ihre Privilegien mit niemandem teilen wollen.

Nicht dümmer als Augstein oder Todenhöfer

Das Demokratieverständnis, das sie an den Tag legen, ist nicht dynamisch, sondern statisch. Demokratie nicht als „work in progress“, sondern als ein finaler Zustand, der bewahrt werden muss. Keine Werkstatt, in der gearbeitet wird, in der die Funken fliegen, in der gehämmert und geschweißt wird, sondern eine niedliche Boutique, in der die Waren schön sortiert in den Regalen liegen. Mit einem Schild an der Tür: „Hier nur Festpreise. Wenn Sie feilschen wollen, versuchen Sie es woanders.“

So viel Paternalismus war lange nicht mehr. Nicht nur, dass immer mehr Projekte für „alternativlos“ erklärt werden – der Euro, die Energiewende, das Klima –, die Politiker wetteifern miteinander, „die Menschen dort abzuholen, wo sie sind“, als wären diese Invaliden oder Rekonvaleszenten, die nicht aus eigener Kraft gehen können oder zu blöd sind, eine Fahrkarte an einem Automaten zu ziehen. Wenn sich aber diese Menschen von allein auf den Weg machen und demonstrieren, dann sind es „Angstbürger“, „Nationalisten“, „Rassisten“ und „Nazis in Nadelstreifen“.

Es kommt nicht darauf an, wofür oder wogegen sie auf die Straße gehen, ob die Ängste real oder eingebildet sind; das Einzige, worauf es ankommt, ist, dass sie von ihrem Recht Gebrauch machen, „sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln“, wie es das Grundgesetz garantiert. Die Parolen, die von den „Angstbürgern“ mitgeführt werden, erfüllen auch keinen Straftatbestand, bis jetzt ist noch kein Verfahren wegen Volksverhetzung bekannt worden.

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Man kann die Ansichten der Demonstranten für albern, dumm und maßlos halten. Aber sie sind nicht alberner, dümmer und maßloser als die Ansichten, die Jakob Augstein oder Jürgen Todenhöfer bei Illner und Plasberg von sich geben. Oder die Anhänger der Friedensbewegung bei ihren Umzügen. Wenn nur maßvolle, vernünftige und richtige Meinungen erlaubt wären, wäre dies das Ende der Meinungsfreiheit. Alles Übrige regeln die einschlägigen Paragrafen des Strafgesetzbuches über Beleidigung, Verleumdung und üble Nachrede.

Die Menschen wollen nicht als „Rassisten“ bezeichnet werden, während ein Gewalt verherrlichender Berliner Rapper für seine Verdienste um die Integration mit einem Preis geehrt wird

Was also bringt die politische Elite dermaßen in Rage, dass sie ihren Auftrag vergisst, dem Volke zu dienen und stattdessen dem Volk Gehorsam abverlangt? Es ist der Hochmut des Vormunds gegenüber dem Mündel, eine abgrundtiefe Verachtung der „Menschen da draußen im Lande“. Die werden immer wieder aufgefordert, sich zu engagieren, aber wehe, sie tun es wirklich!

Die Menschen da draußen im Lande sind freilich nicht dumm. Sie mögen noch nie einen Film von Steven Soderbergh gesehen oder ein Buch von Richard David Precht gelesen haben, aber sie haben ein Gespür für das Falsche, Pathetische, Verlogene. Sie ahnen, dass irgendetwas nicht stimmt, wenn ihnen immer wieder gesagt wird, es gebe keine „Armutseinwanderung“, sie aber gleichzeitig jeden Tag hören und lesen, dass die Gemeinden mit dem nicht vorhandenen Problem nicht fertig werden.

Gleiches gilt für die Islamisierung, die sich natürlich an der Altonaer Elbchaussee ganz anders darstellt als in der Neuköllner Sonnenallee. Irgendwann ist die Bereitschaft, sich die Realität schön zu reden oder schön reden zu lassen, erschöpft. Die Menschen da draußen im Lande finden es auch nicht witzig, als „Rassisten“ bezeichnet zu werden, während ein Gewalt verherrlichender Berliner Rapper für seine Verdienste um die Integration mit einem Preis geehrt wird.

Und so wächst auseinander, was nicht zusammen gehört. Auf der einen Seite die Politik, die sich um so wichtige Themen wie die Frauenquote für Aufsichtsräte in börsennotierten Unternehmen kümmert, auf der anderen Seite das „dumme“ Volk, das stumm gegen seine Entmachtung demonstriert und damit die Politiker um den Verstand bringt. Das sei doch völliger Quatsch, was die Leute da trieben, ließ sich neulich einer vernehmen, in ganz Sachsen würden doch nur 4000 Muslime leben, gerade mal ein Promille der Bevölkerung. Da könne man doch nicht von einer „Islamisierung“ sprechen.

Buschkowsky: Versuch islamistischer Landnahme

Der Berliner Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky, SPD, redet seit Jahren darüber, was in seinem Stadtteil passiert. In Neukölln leben 320.000 Menschen – so viele wie auf Island – „von denen 140.000 aus allen Himmelsrichtungen zusammengeweht wurden“. Vor allem in den Schulen läuft „der Versuch einer allmählichen Landnahme des Fundamentalismus mit dem Ziel, eine andere Gesellschaftsordnung zu schaffen als die, die wir westliche Demokratie nennen“.

Und wenn er aus dem Fenster seines Bürgermeister-Büros schaut, „dann dominiert bei den Passantinnen unten auf Donau- und Karl-Marx-Straße eindeutig klassisch traditionell muslimische Kleidung, sprich: Verschleierung“. Dabei sah es „noch vor fünf Jahren in Neukölln deutlich anders aus“, schreibt Buschkowsky im „Hauptstadtbrief“ vom 17. Dezember.

Ist der Mann auch ein „Angstbürger“, ein „Nationalist“ und „Rassist“, gar ein „Nazi in Nadelstreifen“? Oder nur ein Realist, der die Fakten beim Namen nennt? In fünf Jahren, wenn es in Dresden so aussieht wie in Neukölln heute und in Neukölln so wie in Islamabad, wissen wir mehr.

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