Samstag, 2. Juni 2012

Der gute Hirte (Ps 23:1-6)

Text

1 Ein Psalm Davids. Der HERR ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. 2 Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser. 3 Er erquicket meine Seele. Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen. 4 Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich. 5 Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde. Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein. 6 Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar.


Kommentar

1 Dieses Psalmlied Davids verherrlicht die liebende Fürsorge, die tröstende Geborgenheit und treue Zuwendung Gottes gegenüber David und jedem, der mit ihm sprechen kann: "Der HERR ist mein Hirte".

"Mir wird nichts mangeln", ist dabei nicht vorrangig in weltlicher, sondern vor allem in geistlicher Hinsicht zu verstehen. Heb 11:32-40 lehrt klar, dass Gott durch unser Vertrauen auf Ihn verherrlicht wird, durch unsere Verbundenheit mit Ihm, ganz unabhängig davon, was die weltlichen Auswirkungen sein mögen. So sind die Bilder dieses Psalms in jedem Falle Bilder für unsere innere Welt der Seele. Und dort, wo Gottes Gnade es so fügen will, auch Bilder der äußeren, sichtbaren Welt.

Und ein weiterer Gedanke schwingt mit in dem "mir wird nichts mangeln": dass Gottes allwissende Vorsehung und Seine barmherzige Liebe zu jeder Zeit nur das in meinem Leben zulassen wird, was ich ertragen kann (1. Kor 10:13) und was sich zuletzt als das Beste für mich herausstellen wird; auch wenn mir dies zum gegenwärtigen Zeitpunkt in meiner leiblich- und seelischen Bedürftigkeit noch nicht einsichtig und in meiner zeitlichen Begrenztheit und Unwissenheit noch nicht offenbar sein mag. In diesem Sinne dichtete schon Paul Gerhardt 1656:
Dein' ew'ge Treu' und Gnade,
O Vater, weiß und sieht,
Was gut sei oder schade
Dem sterblichen Geblüt
...
Ihn, ihn laß tun und walten,
er ist ein weiser Fürst
und wird sich so verhalten,
daß du dich wundern wirst

Letztlich und vieleicht vor allem bedeutet "mir wird nichts mangeln" aber auch, dass ich mit Christi Hilfe lerne, was schon Paulus gelernt hat: Die Frucht der Genügsamkeit, der Dankbarkeit und der Zufriedenheit mit dem, was Gott in mein Leben hineinstellt. Nur so ist es möglich, dass eine Situation äußeren Mangels nicht zu einem Empfinden inneren Mangels führt, oder wie es Paulus Phil 4:11-13 ausdrückt: "Ich sage das nicht, weil ich Mangel leide; denn ich habe gelernt, mir genügen zu lassen, wie's mir auch geht. Ich kann niedrig sein und kann hoch sein; mir ist alles und jedes vertraut: beides, satt sein und hungern, beides, Überfluß haben und Mangel leiden; ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht."

2-3 So sind auch die folgenden Bilder Ausdruck der inneren Gemeinschaft mit unserem Erlöser in unseren Herzen: Es ist Christus, der uns, die Schafe Seiner Weide (vgl. Ps 100:3), durch Andacht und Predigt auf der grünen Aue Seines unerschöpflichen Wortes weidet. Es ist Christus, der uns in der Gemeinschaft untereinander, im Gebet und im Abendmahl an die erfrischende Quelle Seiner Gegenwart führt. Es ist Christus, der Mt 11:28 spricht "Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken". Es ist Christus, der uns führt (Joh 10:27) und es ist Christus allein, der sagen darf: "Ich bin der gute Hirte." (Joh 10:11).

4-5 Christus ist es auch, der in Zeiten der Bedrängnis bei uns ist, so wie Er alle Tage bei uns ist (Mt 28:20), auch wenn wir Ihn nicht sehen, hören oder fühlen können. Er erspart uns die Bedrängnis nicht, vielmehr führt Er uns mitten hindurch. Dabei tröstet er uns, indem er uns zueinander sammelt und immer wieder, auf unser Gebet und das unserer Geschwister hin, unsere Feinde vertreibt. Darum müssen wir uns nicht fürchten, auch wenn die Angst uns noch so nah kommt. Wir dürfen fest darauf vertrauen: Er hält sein Wort und trägt uns durch bis in die Ewigkeit und stellt uns untadelig vor Sein Angsicht (1 Kor 1:8). Und mitten in unserer Bedrängnis ruft Jesus uns immer wieder an Seinen Tisch, das Abendmahl mit Ihm zu feiern - um nicht zu vergessen, dass Er, der aus Liebe Sein Leben für uns gab, unser Leiden wie kein zweiter versteht. Ja, selbst angesichts unserer Widersacher bereitet Christus für uns noch zu, was uns hilft und uns zum Leben dient. Er wendet sich uns zu und ehrt uns und tut uns wohl; er überschüttet uns mit Seinem Geist und Segen. Er sorgt dafür, dass der Kelch Seiner Gnade für uns immer bis zum Rand gefüllt ist, denn Er liebt uns.

6 Weil das so ist - und weil Christus, Gott, sich nicht ändert (Heb 13:8, Jak 1:17), wird Seine fürsorgende Liebe und Barmherzigkeit uns begleiten bis an unser irdisches Ende. Dann aber werden wir für immer bei IHM sein dürfen, der zu uns spricht: "Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige. Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit." (Offb 1:17-18) Und: "Siehe, ich komme bald und mein Lohn mit mir" (Offb 22:12).

1 Kommentar:

  1. Ich habe mich sehr gefreut zu erfahren, dass auf dem Blog des "Bibelkreis München" nun auch eine Auslegung des 23. Psalms von Prof. Dr. Herbert H. Klement, seines Zeichens Prof. für Altes Testament an der STH Basel, verfügbar ist: Ich kenne und schätze Prof. Dr. Klement schon viele Jahre und möchte seine Auslegung und besonders den Fokus auf den Wechsel der Anrede vom 'Er' zum 'Du', allen Lesern meines Blogs wärmstens empfehlen:

    http://bibelkreis-muenchen.de/?p=2063

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