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Atomgipfel: Mit mildem Lächeln zur großen Energie-Koalition
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Atomausstieg so schnell wie möglich – so weit wurden sich Angela Merkel und die Ministerpräsidenten beim Spitzentreffen im Kanzleramt einig. Was aber „schnell“ heißt und was möglich ist, muss sich bis Juni zeigen.

So sieht sie also aus, die neue große Energie-Koalition: Ganz außen sitzt Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU). Neben ihm auf dem Podium hockt sein CSU-Ministerkollege fürs Bau-Ressort, Peter Ramsauer (CSU). Es folgen Noch-Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) aus Sachsen-Anhalt und die Gastgeberin im Kanzleramt, Angela Merkel. Auf der halblinken Position sitzt neben FDP-Wirtschaftsminister Rainer Brüderle ein ganz wichtiger Akteur – Erwin Sellering. Der Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern ist als Vertreter der SPD auf dem Podium sozusagen das ultimative Gesicht für die Abteilung „Konsens“. Werden er und seine Partei-Kollegen am Ende nicht überzeugt, dann bleiben die Beteuerungen von Kanzlerin und Koalition über die gewünschte Einmütigkeit bloße Wunsch-Phrasen.

Das Treffen an diesem Freitag, fast fünf Wochen nach der atomaren Groß-Katastrophe in Fukushima, ist vor allem eine Demonstration des gemeinsamen Willens – mit vielen Verabredungen zu technischen Details. Merkel, Minister und Ministerpräsidenten wollen die nötigen gesetzlichen Schritte für die gewendete Energiepolitik bis zum 17. Juni unter Dach und Fach haben. Ein einheitliches Planungs- und Genehmigungsrecht soll beim Netzausbau Streitereien mit Kirchturmspitzen-Perspektive verhindern.

Bei so viel Harmonie will Sellering dann doch – stellvertretend für seine abwesenden SPD-Kollegen – eine sozialdemokratische Nuance zu Protokoll geben: Ein Energiekonsens sei schon früher, nämlich mit dem rot-grünen Atomausstieg, gelungen. Den aber habe die schwarz-gelbe Koalition „leichtfertig“ aufgegeben, erklärt Sellering den Journalisten. Jetzt gehe es darum, die 180-Grad-Wende der Bundesregierung im Nachhinein plausibel zu machen. Die neben ihm sitzende Merkel lächelt milde.

Die SPD wolle auf jeden Fall die acht abgeschalteten Meiler auf Dauer stilllegen, beharrt Sellering. Spätestens 2021 müsse Deutschland komplett aus der Atomkraft ausgestiegen sein.



Meinungsunterschiede zwischen Nord und Süd


So weit immerhin trägt der Zusammenhalt schon: „Wir alle wollen schnellstmöglich aus der Kernenergie aussteigen und in die erneuerbaren Energien ein- und umsteigen“, verkündet Merkel nach dem Treffen in ihrem Haus. Und wieder zeigt sie ihr mildes Lächeln, als sie einige Zeit später beiläufig erwähnt, dass die Meinungsunterschiede zwischen den Parteien weniger entscheidend seien als die zwischen Nord und Süd. Simpel gesagt: Die Nordländer interessiert vor allem: Wie erzeugen wir möglichst effizient Strom aus Wind? Die Südländer interessiert mehr: Wie kommt der neue Strom dann zu uns? Es war während dieser Erläuterungen Merkels, als auf Sellerings Gesicht ein mildes Lächeln aufflackerte. In Energiefragen sind Verbündete oft da zu finden, wo man sie spontan gar nicht vermutet. Wie die Offshore-Anlagen zulegen können, ist für die Länder im Norden eine der Schlüsselfragen.

Bundesumweltminister Röttgen will helfen. Ein bisschen jedenfalls. Er verspricht Kredite über fünf Milliarden Euro für Risiko-Investitionen in diese Windkraftanlagen auf See. Der CDU-Minister fordert zugleich mehr „Kosteneffizienz“ bei den erneuerbaren Energien. Konkret: Er will bis Anfang Juni Pläne für eine weitere Kürzung der Ökostrom-Umlage präsentieren, um Verbraucher zu entlasten.

Auch Minister-Kollege Ramsauer drückt – bei der Sanierung alter Gebäude – aufs Tempo: „Wir haben uns zum Ziel gesetzt, dass wir die Sanierungsquote im Gebäudebestand von einem Prozent auf zwei Prozent erhöhen“, berichtet er. Das Gebäudesanierungsprogramm soll auf zwei Milliarden Euro aufgestockt werden. Schrittweise.

Genauer Kurs muss noch abgesteckt werden


So steht schon manches Detail, doch die großen Weichenstellungen sind noch offen: Wie schnell, wie teuer, wie klimafreundlich die Wende der Wende gelingt, ist noch nicht absehbar. Die Kanzlerin macht deutlich, dass sie sich weiter den Klimazielen verpflichtet fühlt. Die Bundesregierung will am Ende zur Zukunft aller 17 deutschen Atomkraftwerke Aussagen treffen. Merkel legt sich aber noch nicht auf Daten für ein Ausstiegs-Szenario fest.

An einem Punkt jedoch lässt sie keinen Zweifel aufkommen: Auch die Union wolle die „deutliche Verkürzung des Atomausstiegs“. Um diese Aussage treffen zu können, musste sie vor allem in den eigenen Reihen einige Überzeugungsarbeit leisten. Bis zuletzt.

Einer der größten Anhänger der Kernkraft, der Vize-Fraktionschef der Union, Michael Fuchs, hatte erst Anfang der Woche seinen Widerstand gegen eine grundlegende Revision der Atompolitik aufgegeben. „Ich heiße Michael Fuchs – nicht Michael Kohlhaas“, hatte der CDU-Politiker im geschäftsführenden Vorstand der Unionsfraktion hinter verschlossenen Türen gesagt. Wie der tragische Rechthaber in der Novelle Heinrich von Kleists wollte er dann doch nicht dastehen. „Ich muss zur Kenntnis nehmen, dass die Akzeptanz für die Kernkraft in großen Teilen der Bevölkerung nicht mehr vorhanden ist“, sagte Fuchs. Zugleich betonte er in der internen Runde, der Übergang müsse so gestaltet werden, „dass die Wirtschaft nicht abwandert“ und die Bevölkerung die Stromrechnung noch bezahlen könne.

Bund und Länder wollen derweil weiter im engen Kontakt die Wende vorantreiben. Bezahlbarer, klimafreundlicher Strom mit bürgerfreundlichem Netzausbau unter Verzicht auf Atomstrom aus dem Ausland, und das alles möglichst im großen Konsens – an dieser Quadratierung des Kreises muss noch viel gearbeitet werden. Nächster Termin für Merkel und die Länderchefs in dieser Übung: 3. Juni.
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