14020 – normalerweise wählen Amsterdamer diese Nummer, wenn sie mit der Verwaltung ihrer Stadt in Kontakt treten wollen. Ob Müllentsorgung, Standesamt oder Parkbehörde: Wer diese fünf Ziffern eingibt, wird früher oder später mit der richtigen Stelle verbunden. In diesem Sommer, während der Hochsaison von Anfang Juli bis Mitte August, konnten Bürger sich mit einem weiteren Anliegen an die Servicenummer wenden: Wenn sie glaubten, dass in der Stadt ein Hotel betrieben wird, das offiziell gar keines ist.

Nun zog man im Stadthaus an der Amstel Bilanz. Das Ergebnis eines Sommers lautet: 85 eingegangene Meldungen, 71-mal rückte ein eigens eingerichtetes Team aus, um den Hinweisen nachzugehen. Aufgeflogen sind so 27 illegale Hotels, "von kleinen Apartments bis zu ganzen Gebäuden", wie es in einer Mitteilung des Wohndezernats heißt. Acht davon wurden wegen Brandgefahr umgehend geschlossen, die anderen unter einer Strafandrohung von maximal 12.000 Euro verwarnt. Gerade Eigentümer mehrerer Gebäude im Zentrum, sagt Dezernent Laurens Ivens, böten diese als Ferienbleibe an, um so möglichst viel zu verdienen.

Es gibt mehrere Gründe für das Vorgehen der Stadt. Brandsicherheit ist der eine. Daneben aber besteht vor allem die Sorge, durch die Nutzung von Wohnungen als Hotels gebe es im Zentrum zu wenig Wohnraum. Jeden Monat, rechnet Sprecherin Marieke Derksen vor, zögen rund 1.000 neue Bewohner nach Amsterdam. Man heiße Touristen natürlich willkommen – doch Wohnungen würden gebraucht, "um darin zu wohnen". Außerdem entgehe der Stadt andernfalls die Touristensteuer, und auch der Verstoß gegen die extra aufgestellten Regeln zur Vermietung eigener Immobilien müsse geahndet werden.

Grusel im Sommer

Für die niederländischen Zeitungen war die sogenannte "Petz-Line" ein gefundenes Fressen. "Letztes Wochenende stieß ein Team der Kommune auf vier illegale Hotels", bilanzierte der boulevardeske Telegraaf Ende Juli. "Wieder illegale Hotels gefunden", titelte das Lokalblatt Het Parool Anfang August. Und dass dann kurz vor Ende der Frist in einer untervermieteten Wohnung "ein Toter und eine große Menge Drogen" (NRC Handelsblad) angetroffen wurden, sorgte für ein Gruseln im Sommerloch. Widersetzte sich da etwa das alte, gefährliche Amsterdam, der scheinbar unregierte Moloch, vor dem sich manch provinzieller Niederländer einst fürchtete, seiner zeitgenössischen Umwandlung zum All-Ages-Städtetrip-Paradies?

Das Vorgehen der Stadt hat freilich noch ein weiteres Ziel: "Die Bewohner fühlen sich gehört", so Dezernent Laurens Ivens von der Socialistische Partij. Offensichtlich will man hier Tatkraft demonstrieren, zumal vor dem Hintergrund einer kontinuierlichen Debatte über Touristen in Amsterdam; die Stadt ist Reiseziel so vieler Besucher, dass die Bewohner diese als overlast – Belästigung – erfahren. Seit 2000 stieg die Zahl der internationalen Besucher von viereinhalb auf neun Millionen jährlich, und statt gut 16.000 gibt es nun 27.000 Hotelzimmer. Selbst der bedächtige Bürgermeister Eberhard van der Laan sorgt sich daher offen um das "Gleichgewicht" in der Stadt.

Auf diese Entwicklung reagiert man in der Grachtenmetropole, die weltweit als besonders liberale Stadt gesehen wird, mit einem seit einigen Jahren gern gewählten Gegenmittel: der zunehmenden Regulierung des öffentlichen Lebens – in diesem Fall mit dem Ziel, besagte overlast zu verhindern. So dürfen Amsterdamer ihre Wohnung höchstens zwei Monate im Jahr an maximal vier Besucher gleichzeitig vermieten. Auch für ein Bed and Breakfast gilt die Obergrenze von vier Gästen. Wer mit einer entsprechenden Genehmigung eine solche Unterkunft betreibt, zahlt Einkommensteuer.

Für Shortstay-Aufenthalte (eine Woche bis sechs Monate) gibt es seit 2014 keine neuen Genehmigungen mehr. Damals wurden im Zentrum 66 Hotels ohne Lizenz mit insgesamt 260 Betten geschlossen und Bußgelder von 132.000 Euro verhängt.

Amsterdam und Chamonix sind Vorreiter

Im Rahmen des Vorgehens gegen illegale Hotels war vor einiger Zeit auch die Onlinevermittlung Airbnb ins Visier der Kommune geraten. Weil die meisten Mietverträge in Amsterdam keine Untervermietung erlauben, konnte ein kurzfristiger Deal mit Touristen eine saftige Strafe nach sich ziehen. Erst als der Stadtrat 2014 offizielle Kriterien verabschiedete, zu denen die Amsterdamer ihren Wohnraum Besuchern überlassen können, holte er Airbnb damit aus der Verdachtszone.

Bei einer Wohnungsuntervermietung erhebt Amsterdam zudem, egal ob über Airbnb oder andere Plattformen, eine Touristensteuer in Höhe von fünf Prozent des Preises. Amsterdam ist damit bislang neben Chamonix (75 Cent pro Person und Nacht) die einzige europäische Stadt, in der eine Airbnb-Buchung abgabepflichtig ist. Ab Oktober folgt Paris (83 Cent pro Person und Nacht) als weltweit beliebteste Destination diesem Beispiel. Die Homesharing-Plattform begrüßte die Amsterdamer Initiative ausdrücklich: "Die neue Regelung macht es nicht nur einfacher für lokale Bewohner, die Wohnung, in der sie leben, mit anderen zu teilen, sondern macht zugleich auch kurzen Prozess mit illegalen Hotels, die das System missbrauchen."

Mit den Kriterien hat Amsterdam das Feld der privaten Zimmervermietung abgesteckt und eine deutliche rechtliche Grenze zwischen legalen und illegalen Akteuren gezogen. Auf dieser Basis wurden nun also die Bürger um ihre Mitarbeit per Telefon gebeten – oder ums Verpetzen. (Wobei Stadtsprecherin Marieke Derksen sagt: "Wir nennen es selbst nicht 'Petz-Line', sondern 'Hotline'.") Momentan werden die Ergebnisse des Pilotprojekts im Stadthaus evaluiert. Ob man sich dabei auch Gedanken darüber machen wird, dass sich in weit über der Hälfte der Fälle der geäußerte Verdacht nicht bestätigt hat?