Das Problem kennt jeder Bahnbenutzer: Wer auf dem populären Fahrplan- und Buchungsportal www.bahn.de eine Regionalverbindung heraussucht, kann oft keinen Fahrschein buchen. Die Option steht nicht zur Verfügung oder der angezeigte Preis ist deutlich höher, als der Streckenbetreiber – meist ein privater Bahn-Konkurrent – tatsächlich verlangt. An Ticketschaltern oder -automaten der Deutschen Bahn ist das kaum anders. Preisgünstig fährt nur, wer Tricks und Kniffe kennt – wer sich nicht in die Details der Tarifsysteme einarbeiten will, zahlt drauf. 

Hintergrund sind die Geschäftsbedingungen der Deutschen Bahn. Die privaten Bahnverkehrsanbieter halten die Provisionen für überhöht, die der Staatskonzern verlangt, wenn die dessen Vertriebskanäle mitnutzen wollen. 

Jeweils für ihr Unternehmen ein eigenes, flächendeckendes Verkaufssystem zu schaffen, wäre für die Privaten unzumutbar aufwändig. Und die Kunden verlören dann erst recht die Übersicht. Die Konkurrenten der Deutschen Bahn verlangen deshalb ein integriertes Vertriebsnetz für Bahnfahrscheine. "Der Verkauf von Fahrscheinen auf Bahnhöfen und im Netz muss aus der Verantwortung der Deutschen Bahn herausgelöst und neutral organisiert werden", sagte Engelbert Recker, Hauptgeschäftsführer des Interessenverbandes der privaten Verkehrsunternehmen mofair, ZEIT ONLINE. Diese Aufgabe könne eine Gesellschaft übernehmen, an der alle Bahnverkehrsanbieter beteiligt sind oder ein Unternehmen, das der notwendigen Regulierung und Kontrolle unterliegt. Die gesetzlichen Voraussetzungen dafür seien heute bereits vorhanden, sagte er.

Ermutigt hat die Privaten, dass das Bundeskartellamt gegen die Deutsche Bahn ein Verfahren einleitete. Die Wettbewerbshüter hegen den Verdacht, dass der bundeseigene Schienenkonzern andere Betreiber von Bahnverkehrszügen benachteiligt und so seine Marktmacht missbraucht.  

Kartellamt soll Provisionen prüfen

Die Bahn verhindere einen fairen Wettbewerb, beklagt mofair-Geschäftsführer Recker. Der Konzern verlange etwa beim Verkauf von Fahrscheinen ihrer Mitbewerber höhere Provisionen, als sie selbst an die Konkurrenten zu zahlen bereit sei. "Die Provisionen sind nicht kongruent", sagte Recker. Kunden könnten deshalb für Strecken der privaten Bahnanbieter über das Onlineportal oder an den Verkaufsschaltern der Deutschen Bahn keine Tickets erwerben. "Die Deutsche Bahn missbraucht ihre Marktmacht im Vertrieb", sagte Recker. Ähnlich sieht das die Ostdeutsche Eisenbahn (Odeg), die zwischen Wismar und Zittau auf 1.530 Kilometern Regionalbahnen fahren lässt. Die Provisionen seien hoch, sagt Unternehmenssprecher Arnulf Schuchmann. "Ob sie unverschämt sind, muss das Kartellamt entscheiden."

Die Ostdeutsche Eisenbahn hat mit dem Staatskonzern eine Vertriebsvereinbarung geschlossen – Odeg-Strecken sind auch über bahn.de zu buchen, Tickets sind am Bahnschalter erhältlich. Für die Strecke Zittau-Berlin zeigt das Buchungsportal des Marktführers allerdings einen Preis von 44,80 Euro. Wer bei Fahrtantritt direkt im Zug kauft, zahlt weniger als 30.

Wenn die Bahn ihre Provisionen senke, wäre auch der Steuerzahler entlastet, sagt Odeg-Sprecher Schuchmann. Denn die Staatszuschüsse an die Regionalstreckenbetreiber könnten sinken. 

Bahn ein unangenehmer Monopolist?

Als Vorbild für eine Reform führt er die Schweiz an. Dort unterhielten alle Bahnanbieter ein gemeinsames Vertriebs- und Informationssystem, sagt Schuchmann. Für die Unternehmen sei das existenziell notwendig. "Wenn man da nicht präsent ist, ist man schnell draußen aus dem Spiel."

Unter den derzeitigen Bedingungen sieht sich die Odeg durchaus benachteiligt: "Es ist unangenehm, einem Monopolisten ausgesetzt zu sein", sagt Schuchmann. Auch Recker vom Verband mofair befürwortet deshalb das eingeleitete Kartellverfahren und hofft, dass der Einfluss der Bahn bald per Gesetz beschnitten wird. Er kritisiert, ein unter der schwarz-gelben Regierungskoalition geplantes Regulierungsgesetz sei am Widerstand der Deutschen Bahn gescheitert. Bahnchef Rüdiger Grube habe das Verfahren "torpediert", indem er Ministerpräsidenten dahingehend beeinflusst habe, das Gesetz im Bundesrat abzulehnen. 

Die privaten Bahnbetreiber Keolis und Veolia wollten sich nicht äußern. Das Kartellamt habe aufgefordert, zur Klärung des Verfahrens beizutragen, deshalb wolle man nichts sagen, teilte Keolis mit. Auch Konkurrent Veolia verwies auf die "laufenden Untersuchungen".