Leverkusen Politik informiert sich über Chancen für Langzeitarbeitslose

Leverkusen · Menschen, die seit sechs und mehr Jahren arbeitslos gemeldet sind, haben sich oft aus allen sozialen Kontakten zurückgezogen. Sie sind tatsächlich physisch und psychisch nicht mehr in der Lage, eine offene Stelle anzunehmen.

"Sie sind so krank, dass sie nicht arbeiten können", erläuterte Ralf Münstermann im letzten Schulausschuss. Er ist Geschäftsführer des Rheinischen Bildungszentrums Köln, das seit 2015 auch eine Niederlassung in Leverkusen Fixheide hat. Seine "Kunden" sind schwer vermittelbare Langzeitarbeitslose, die das Jobcenter schickt.

Die Erfahrungen, die er den Schulpolitikern schilderte, hat man in fünf Jahren mit über 7000 Teilnehmern in Köln gesammelt. Die Fälle ähneln sich, denn die Betroffenen hätten resigniert, sie trauten sich selber nichts mehr zu. Ohne Anspruch und Arbeit verliere der Mensch erlernte Fähigkeiten und die angeborene Fähigkeit, Probleme zu lösen, versage bei Verlust von Identität und Selbstwertgefühl. Dieser "Problemlösemuskel" könne aber wieder aktiviert werden, sagt Münstermann. Denn Tests ergaben: Sie waren so schlau wie andere, trauten sich aber nichts mehr zu.

Innerhalb der vier bis sechs Wochen, die Vermittelte im Rheinischen Bildungszentrum RBZ verbringen, lassen sich solche Entwicklungen in Gang setzen. Allerdings brauchten sie konsequente Therapie und Begleitung, um nicht wieder zurückzufallen.

Ohne Einbindung in soziale Strukturen, beispielsweise im bürgerlichen Engagement, im Ehrenamt, vielleicht als Betreuung in Schulen oder bei der Flüchtlingshilfe, funktioniere das nicht.

In Leverkusen haben bisher 300 Teilnehmer (60 Prozent Männer, 40 Prozent Frauen) das RBZ durchlaufen, von denen nur 25 Prozent einen Berufsabschluss haben. Das Durchschnittsalte liegt bei 43 Jahren.

Erste Aufgabe beim Zukunftscheck ist die genaue Diagnostik, woraus Empfehlung und Hilfeplanung entwickelt werden. Im Zentrum lernen sie die Basics wie Pünktlichkeit und Einhaltung von Rahmenbedingungen wieder. Den normalen Tagesablauf üben sie bei praktischer Arbeit in unterschiedlichen Bereichen. "Die dünne Tünche der Zivilisation ist schnell weg, der Aufwand, sie wieder draufzupinseln, ist viel größer", sagt Münstermann. Das Problem habe man lange ausgeblendet und gedacht, wenn es wieder genug Arbeit gibt, dann geht der Arbeitslose wieder seinem Beruf nach.

Betroffen sei außerdem die ganze Familie, die dann nicht selten in der zweiten und dritten Generation dieselbe Laufbahn gehen.

www.zukunftscheck-lev.de

(mkl)
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