Haben Sie sich auch schon mal in einer E-Mail über den langsamen Kollegen beschwert – und ihn dann aus Versehen in CC gesetzt? Oder per Skype genau in dem Moment über den Neuen gelästert, als der plötzlich hinter Ihnen stand? Dann wissen Sie: Das kann nicht nur peinlich sein, sondern auch das Klima über Wochen vergiften.

Confide soll solche Situationen verhindern. Die App reitet auf der Welle von Anwendungen wie Snapchat, die Fotos und kurze Videoclips für Sekunden auf dem Bildschirm des Empfängers erscheinen lassen, bevor sie für immer verschwinden. Privatsphäre und Geheimhaltung, das sind nicht erst seit dem NSA-Skandal und der WhatsApp-Hysterie der vergangenen Wochen die neuen Selling Points der App-Entwickler.

Bei Confide sind es Textnachrichten, die von Gerät zu Gerät geschickt werden und nur ein einziges Mal gelesen werden können. Und nicht nur das: Die App verpasst den Wörtern einen Balken, der mit einem Fingerwisch entfernt werden muss, ähnlich jener Rubbellose, bei denen man die Glückszahlen mit einer Münze freilegen muss. Nur: Rückt der Daumen weiter, verschwinden auch die ersten Wörter wieder. So kann selbst der Sitznachbar in der Bahn oder am Flughafen nicht erkennen, worum es geht.

Anders als Snapchat richtet sich die App nicht an pubertierende Teenager, exhibitionistische Politiker oder fremdgehende Ehemänner. Confide setzt auf Büro-Gossip, den man vor dem Kollegen oder Chef geheimhalten möchte. Statt sich schnell in der Kaffeeküche zuzuflüstern, kann die neueste Neuigkeit jetzt direkt vom Arbeitsplatz verschickt werden – ohne dass man Angst haben muss, dass sie beim Empfänger im falschen Moment auf dem Bildschirm aufpoppt oder im digitalen Archiv landet. Executives, so zumindest die Idee, sollen per Confide sensible Themen wie Details über Job-Kandidaten völlig ohne Risiko diskutieren können – burn after reading im Smartphone-Zeitalter.  

Und irgendwie scheint das anzukommen. Erst seit Januar ist die App zu haben, vor wenigen Wochen hat die Firma eine Finanzierungsrunde über 1,9 Millionen Dollar abgeschlossen. Geld gab es unter anderem von Google und Yelp.

Verschlüsselter Versand

Entwickelt hat die App Jon Brod, der Mann hinter der Lokalnachrichtenseite Patch, die AOL über Jahre Verluste eingebracht hat. Er selbst hatte die Idee, als er mit einem Partner über einen möglichen neuen Angestellten sprechen wollte. Per E-Mail sei es ihm zu unsicher gewesen, und zum Telefonieren seien sie sechs Tage nicht gekommen. Ein professionelles Arbeitsumfeld, meint Brod, brauche Werkzeuge, die Vertraulichkeit und Vergänglichkeit garantierten. "Wir wollten den Off-the-record-Kaffee online stellen", erzählte der Gründer im Gespräch mit GigaOM.

Wen die Diskussion um WhatsApp und die theoretische Möglichkeit, dass Nachrichten und Fotos auf irgendeinem amerikanischen Server landen, aufgescheucht hat, der sei beruhigt: Confide schickt die Nachrichten verschlüsselt, Kopien werden nicht gespeichert. Das soll (Firma und Nutzer) selbst bei Vorladungen schützen, denn mögliche Beweise sind für immer verloren (was je nach Thema zum Problem für die Unternehmen werden könnte – denn die sind per Gesetz verpflichtet, relevante Informationen zu speichern).

Ich kann dem Hochsicherheitstool auf meinem iPhone allerdings nur wenig abgewinnen. Gleich zum Start runtergeladen, befinden sich bis heute nur zwei Nachrichten im Posteingang: Die Test-Nachricht eines Freundes – und die Begrüßungs-SMS des Confide-Teams.
Das Ganze macht vermutlich sehr viel Sinn, wenn man tatsächlich wichtige geheime Botschaften verschicken will. Aber Nachrichten wie "Bleibt es bei heute Abend?" per Confide in Geheimdienstmarnier zu verschicken, wirkt erstens ein bisschen albern und bremst zweitens die Kommunikation merklich aus, wenn man sich jedes Mal erst durch den Inhalt wischen muss, um zu wissen, wo man sich nun trifft. Und Büro-Gossip macht während der Kaffeepause ohnehin mehr Spaß. 

Confide gibt es gratis, bislang nur für das iPhone.

Erschienen auf boldeconomy.com