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Barrierefreie Kreuzfahrt: Mit Rollstuhl auf hoher See

Foto: Franz Neumeier

Kreuzfahrt mit Handicap Stolpersteine auf dem Sonnendeck

Treppen, Teppiche und Schwellen im Bad sind für Menschen mit körperlichen Einschränkungen unüberwindbare Hürden. Auf Kreuzfahrtschiffen gibt es diese zuhauf - obwohl die Urlaubsform als komfortabel gilt und ältere Passagiere wichtige Kunden sind.

Der weiche Teppich fühlt sich beim Laufen herrlich an. Doch schmale Rollstuhl-Räder bleiben darin einfach stecken und bewegen sich ohne enorme Kraftanstrengung keinen Millimeter vorwärts. Im Lift sind die Knöpfe zwar mit Punktschrift markiert, aber wie soll der Sehbehinderte ohne akustische Ansage wissen, auf welchem Deck der Aufzug gerade angehalten hat?

Details, die einem gewöhnlichen Kreuzfahrtpassagier gar nicht auffallen, können für körperlich eingeschränkte Menschen schnell zu unüberwindlichen Hürden werden. Dabei gelten ja gerade für Ältere Reisende Schiffsreisen als idealer Urlaub, da Hotelwechsel wegfallen und sie doch viele verschiedene Orte erleben können.

Für behinderte Menschen kann der Traumurlaub schnell zum Alptraum werden, wenn sie ihre nicht haarklein vorbereiten und alle Eventualitäten vorab klären. Richtig ärgerlich kann es werden, wenn zwar das Kreuzfahrtschiff als solches weitgehend barrierefrei ist, Rollstuhlfahrer aber mangels geeignetem Transfer nicht einmal vom Flughafen zum Schiff kommen und auf der Reise kaum einen Landausflug mitmachen können, weil die passenden Busse fehlen oder die Reederei keine Möglichkeit bietet, mit dem Rollstuhl per Tenderboot an Land zu gelangen.

Schwellen im Bad und zu hohe Betten

Einige spezialisierte Reiseveranstalter organisieren daher komplett durchgeplante, behindertengerechte Kreuzfahrten einschließlich Transfer und Landausflügen. Sie kennen die vielen Probleme, die Rollstuhlfahrern, aber auch hör- oder sehbehinderten Urlaubern den Spaß schnell verderben können.

Nils Wend von Runa Reisen sagt, er vertraue selbst den Angaben der Reedereien nur sehr eingeschränkt. Lieber prüfe er mit seinen Mitarbeitern anhand langer Checklisten vor Ort, wie behindertengerecht die Schiffe tatsächlich sind und inwieweit bei der jeweiligen Reederei das nötige Know-how und Unterstützung für die besonderen Anforderungen vorhanden ist.

Weltweit gültige Standards gibt es nicht und ohnehin hat jeder Reisende mit Behinderung ganz individuelle Anforderungen, wie Oliver Asmussen berichtet. Er hat im Internet eine Suchmaschine  aufgebaut, über die sich passende Kreuzfahrtschiffe anhand spezifischer Auswahlkriterien finden lassen. Betten sind so ein Thema: Sind sie zu hoch und haben keinen festen, griffigen Rand, wird das Schlafengehen zur Schwerstarbeit für die Begleitperson. Oder kleine Schwellen im Bad: Für Gehbehinderte, die zumindest kurzzeitig aufstehen und mit Unterstützung ein paar Schritte gehen können, ist das erträglich. Für andere dagegen eine unüberwindbare Hürde.

Aufzug zum Sonnendeck

Besonders heikel wird es auf den zwangsläufig eher engen und kleinen Flusskreuzfahrtschiffen. Wirklich komplett behindertengerecht ist derzeit nur eins: Die "Alegria" des holländischen Anbieters Adelle Cruises hat Anfang 2012 dafür vom Verein Aktive Behinderte Stuttgart (ABS) den Award "Goldener Rollstuhl" verliehen bekommen.

Geschäftsführer Cor Giljam hat sich schon lange mit dem Thema befasst und die "Alegria" in dieser Hinsicht nahezu perfektioniert: Große Aufzüge für bis zu drei Rollstühle gibt es und insgesamt drei Aufzüge stellen sicher, dass Gehbehinderte sich auch dann an Bord bewegen können, wenn mal ein Aufzug kaputt ist. Kabinen und alle öffentlichen Bereiche sind barrierefrei und auch das Sonnendeck ist für Rollstuhlfahrer per Aufzug erreichbar - auf Flusskreuzfahrtschiffen eher die Ausnahme.

Aber der Teufel steckt auch hier in vielen kleinen Details: In stark frequentierten Häfen legen oft mehrere Flussschiffe nebeneinander an - da nützt ein behindertengerechtes Schiff nichts, wenn es nicht direkt an der Pier festmachen kann. Auch da hat die Alegria einen großen Vorteil, sagt Cor Giljam: "Die Hafenbehörden kennen unser Schiff, die besonderen Anforderungen unserer Passagiere und sorgen nahezu immer dafür, dass wir einen Liegeplatz direkt an der Pier bekommen und kein anderes Schiff dazwischen liegt."

Geräusche als Wegweiser

Ganz andere Herausforderungen stellen sich dagegen für Sehbehinderte und Blinde, obwohl eine Kreuzfahrt für sie eigentlich hervorragend für einen Urlaub geeignet ist, wie der blinde Mitinhaber von Sonnendeck Seereisen Jens Walpert berichtet: "Schiffe sind eigentlich so gebaut, dass man sich als Blinder perfekt orientieren kann. Die meisten Decks sind quasi in Planquadraten aufgebaut. Die Orientierung ist da viel leichter als beispielsweise in einer fremden Stadt."

Walpert orientiert sich an Geräuschen - und die hört er auf einem Schiff überall: "Achtern sind zum Beispiel immer Maschinengeräusche zu hören. Auch Lüftungen und Gebläse machen ganz typische Geräusche."

Essenziell sind für Jens Walpert aber Details, die es ermöglichen, sich zumindest zeitweise auch ohne Begleitung an Bord bewegen zu können, etwa sprechende Aufzüge. Denn sonst ist es für ihn nahezu unmöglich, auf dem richtigen Deck wieder auszusteigen: "Selbst sehende Passagiere, die mit mir im Aufzug fahren, sind da kaum eine Hilfe - die wissen erstaunlicherweise oft selbst nicht, auf welchem Deck sie gerade sind."

Hilfreich sind auch wechselnde Bodenbeläge, anhand derer unterschiedliche Bereiche am Schiff erkennbar sind und - idealerweise - ertastbare Schraffierungen am Boden, die beispielsweise Gefahrenstellen markieren.

In einem Punkt sind sich alle Experten einig: Wer mit körperlichen Einschränkungen in See stechen will, sollte alle Aspekte vorher mit dem Reiseveranstalter oder der Reederei klären - und sich essentielle Zusagen schriftlich geben lassen.

Franz Neumeier/srt/jus