Montagsporträt
Der scheidende Hotel-Direktor: «Heute ist der Wind eisiger Wind geworden»

30 Jahre lang war Urs Kohler im Badener Hotel «Du Parc» tätig, die letzten zehn als Direktor. Nun sucht er sich eine neue Aufgabe und erzählt, dass auch ein Hoteldirektor unmoralische Angebote erhält.

Roman Huber
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Urs Kohler, der dem Badener «Du Parc» als liebenswerter und charmanter Gastgeber fehlen wird.

Urs Kohler, der dem Badener «Du Parc» als liebenswerter und charmanter Gastgeber fehlen wird.

ZVG

Es war für Urs Kohler ein würdevoller Augenblick. Und der Ehrenorden des Cantons Baden wird bei ihm einen gebührenden Platz bekommen. Kohler gehörte am vergangenen Mittwoch zu denjenigen neun Personen, die für ihre Verdienste um die Stadt Baden an der Cordulafeier geehrt wurden.

Seit 1984 diente Urs Kohler den Gästen des «Du Parc». Die letzten zehn Jahre prägte er als Hoteldirektor auch das gesellschaftliche Geschehen der Stadt mit. Doch das ist Vergangenheit. Die Besitzerfamilie will das Welcome Hotel Du Parc neu ausrichten. Und das soll laut Chef Marcel Wohlgemuth nicht mehr unter Urs Kohlers Führung passieren. Man habe sich im gegenseitigen Einvernehmen getrennt, so die offizielle Schreibweise.

Brückenbauer in der Stadt

Das Treffen mit Kohler fand kurz vor seinem «Letzten» im Hotel Du Parc statt. Der Direktor begrüsste pünktlich und persönlich in der Empfangshalle. Das herzhafte Strahlen in seinem Gesicht liess einen sofort wie zu Hause fühlen. Die Wehmut liess sich dann aber nicht verbergen. «Es trifft mich schon. Nach 30 Jahren in diesem Haus, das einem ans Herz gewachsen ist – als wäre es mein Baby», beginnt Urs Kohler. Seine jüngsten Anstrengungen hatten das frühere BBC- und spätere ABB-Hotel der Stadt Baden nähergebracht. Er war Brückenbauer zwischen Hotel und Bevölkerung. Als in der Region und ausserhalb der Stadt wohnhafter und gebürtiger Döttinger fühle er sich darum ebenso sehr als Badener, gesteht er.

Nach drei erfolgreichen Silvesterbällen ist der Jahreswechsel im «Düdü» – wie das «Du Parc» im Volksmund genannt wird – heute ein begehrter gesellschaftlicher Event. Seit einigen Jahren kehren zur Fasnacht die Schnitzelbänke ein. Kohler hat sie dank seinen guten Kontakten geholt. Dem «MaBa», dem ältesten Maskenball der Stadt, gewährte er Asyl. Dann ist noch der Muttertags-Brunch, an dem der Hoteldirektor persönlich Hemden bügelte.

Unter seiner Führung erlebte das Haus einige sanfte Eingriffe. Heute hinterlässt er einen vorzüglichen Betrieb mit vielen langjährigen Mitarbeitenden in einem renovierten Haus, das er mit unternehmerischem Geschick führte.

Ein Mann des Charmes

Urs Kohler ist durch und durch Gastronom. «Nach der Kochlehre im Ochsen in Lenzburg habe ich im Du Parc Kellner gelernt», erzählt Kohler. Nach einem Jahr «Grand Hotel» in Zürich ist er 1986 ins Du Parc zurückgekehrt. Peter Walter, sein Direktor, hatte auf den Charme und die Zuverlässigkeit Kohlers gesetzt. Bald war er Chef de Service. Heute ist er sogar kantonaler Prüfungsexperte für Restaurationsberufe.

Die einladende Freundlichkeit hatte Kohler als Direktor nicht verloren. «Die Gäste bezahlen, und wir dürfen entscheiden, was wir ihnen bieten, damit sie sich bei uns wohlfühlen», sagt Kohler. Das Wohlbefinden der Gäste müsse zuoberst stehen, «egal ob es einem selber immer so zumute ist», fügt Kohler an.

Griesgrämig würde ihn nie ein Gast zu Gesicht bekommen. Das ist ein gutes Stück seines Naturells und ebenso erlernte Profession, aber keine Schauspielerei. Obschon Schauspieler im «Du Parc» seit eh und je ein- und ausgehen. Er durfte berühmte Gäste begrüssen, die im nahegelegenen Kurtheater aufgetreten sind.

Seine Augen leuchten beim Aufzählen, als wäre es erst gestern gewesen: «Freddy Quinn, Paul Bühlmann, Emil Steinberger, Ursula Schäppi, Margrit Rainer, Jörg Schneider und viel mehr – das waren total schöne Erlebnisse», kommt er ins Schwärmen.

Geblieben sind die netten Einträge im Gästebuch. «Bei uns verkehrten auch Wirtschaftsgrössen», fährt Kohler fort. Besonders freut ihn, dass der ehemalige ABB-Schweiz-Chef Edwin Somm heute noch zu den Restaurant-Gästen zählt. Dann bewirtet das «Du Parc» nebst Tagungen und Seminaren Badener Service-Clubs und Vereine wie die Spanischbrödlizunft und viele Stammgäste, die hier ihre Stadtbeiz haben.

Geschichten könnte Kohler zuhauf erzählen. Doch die Ehre und Verlässlichkeit auf seine Diskretion gebieten ihm, gewisse Dinge zu verschweigen. «Nun, es kam vor, dass man mal einem Badener kurzfristig ein Zimmer organisieren musste», sagt er – mehr nicht. Doch auch der Hoteldirektor bekomme manchmal unmoralische Angebote, fährt er schmunzelnd fort und fügt unmissverständlich an: «Die habe ich natürlich alle ausgeschlagen.»

Man wird Urs Kohler vermissen

Pannen gebe es in einem Betrieb auch, sagt Kohler offen. Die peinlichste habe er bei der Einweihung des erneuerten Restaurants im Jahr 2007 erlebt, «als die neuen Stühle noch nicht da waren», sagt er und fügt lachend an: «Damals wäre ich am liebsten aus Baden verschwunden.»

«Ich lasse hier meine Familie zurück», sagt Kohler dann wieder nachdenklich. Er meint damit die 75 Mitarbeitenden, denen er stets zu spüren gab, dass er für sie da war. Hinter ihm liege eine sehr schöne, nicht immer einfache Zeit. «Wenn es ABB und Alstom wirtschaftlich nicht gut ging, spürten wir das sofort», so Kohler.

Er bedauert, dass auch die Übernahme von Alstom durch General Electric sich auf die Hotelfrequenzen auswirken werde. «Heute ist der Wind eisiger Wind geworden», stellt Urs Kohler fest. «Ich werde schauen, welches meine neue Herausforderung sein wird.»

Er lässt sich dabei Zeit und geniesst nach stundenreichen Arbeitstagen zuerst einmal Freiheiten, die er bislang kaum hatte. Seine Familie wird es freuen, nicht aber die treuen Mitarbeitenden und die zahlreichen Gäste, die ihn alle gleichermassen als den Chef im «Du Parc» schätzten und ihn nun sehr vermissen werden.