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Die Strick-Gemeinschaft

Rayna Breuer29. Oktober 2012

Langeweile? Nein, das kennen diese Omas nicht. Denn sie stricken bis die Nadeln glühen - und verkaufen ihre Ware im Internet. Eine Erfolgsgeschichte über modernen Verkaufsgeist und gemütliche Handarbeit.

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Etwa 15 Omas vom Internet-Portal myoma.de treffen sich einmal im Monat zum Strickkränzchen im Büro von Verena Röthlingshöfer, um zusammen zu stricken. (Foto: myoma.de)
Bild: myoma.de

"Es ist einfach schön, zu wissen, dass man nicht zum alten Eisen gehört, und dass man gebraucht wird", sagt Oma Siggi. Sie ist 64 Jahre alt und gehört zur Strick-Mannschaft von myoma.de. Das Internet-Portal mit Sitz im fränkischen Fürth wurde vor einem Jahr gegründet. Es vertreibt online Mützen, Schals, Babywäsche und andere Bekleidungsstücke - alles handgestrickt, versteht sich.

Mode made by Oma

Die Idee kam Verena Röthlingshöfer im Urlaub, beim Fernsehgucken. Da lief gerade ein Beitrag mit strickenden Omas und schon war myoma.de geboren. "Ältere Menschen haben Zeit, können viel und freuen sich, wenn sie eine Aufgabe bekommen und dabei auch noch ihre Rente aufbessern können", sagt Röthlingshöfer. Ein Drittel des Nettopreises geht an die Omas für ihre Handarbeit. Für eine Mütze sind das etwa 15 Euro, für einen Schal - 30 bis 40 Euro. Zwar seien einige aus finanziellen Gründen dabei, aber die meisten würden diese Beschäftigung aus Spaß nachgehen, sagt Röthlingshöfer.

Sigrid Wiese aus Fürth strickt für das Internet-Verkaufsportal myoma.de (Foto: myoma.de)
Sigrid Wiese alias Oma SiggiBild: myoma.de

Dazugehören, mit Gleichgesinnten die Zeit verbringen - das schätzt auch Oma Siggi. "Das Stricken ist Freizeit und Hobby, es steckt kein Muss dahinter. Wir organisieren einmal im Monat im Büro von myoma.de ein Strickkränzchen und auch so treffe ich mich ab und zu mit den Anderen", sagt die dreifache Oma. Sie strickt seit ihrer Kindheit, und seit diesem Sommer für das Internet-Portal: am liebsten die Baby-Ohrklappen-Mütze für die ganz kleine Kundschaft. Ein Bekannter habe ihr vor ein paar Monaten die Anzeige in die Hand gedrückt, sie habe sich darauf ganz einfach gemeldet, eine Probemütze geschickt und schon sei sie Teil der Strick-Gemeinschaft gewesen, erzählt Oma Siggi.

Von wegen Frauensache 

Eines Tages erreichte Verena Röthlingshöfer ein Fax. Darauf stand: "Ich bin leider keine Oma. Aber ich stricke gerne und möchte mitmachen". Absender war Opa Klaus - ein 74-jähriger Rentner, studierter Psychologe aus Nürnberg. Er stricke, seitdem er denken könne, sagt Klaus Peters: "In meiner Kindheit hatten wir kein Spielzeug, ich hätte auch gerne mit Bauklötzen gespielt, aber das gab es nicht. Und so habe ich angefangen, mit Maschen zu spielen", erinnert sich Opa Klaus. Das Stricken habe er von seiner Mutter gelernt. "Damals hat mir das sehr viel Spaß gemacht und das habe ich während meines gesamten Berufslebens immer wieder mal aufgegriffen."

Verena Röthlingshöfer, Gründerin des Start-Ups myoma.de (Foto: myoma.de)
Verena Röthlingshöfer, Gründerin des Strick-Portals myoma.deBild: myoma.de

Nach außen habe er aber nie wirklich über sein Hobby gesprochen, lediglich wenn seine Frau etwas Gestricktes getragen und stolz gesagt habe: "Das hat mein Mann gestrickt." Dann war er in Erklärungsnot. Erst nach seinem ersten Interview über myoma.de für die lokale Presse habe er realisiert, dass er nicht mehr heimlich für sich stricken kann: "Ich singe im Chor, das ist meine zweite Leidenschaft. Eines Tages kam ein Kollege und rief schon von Weitem: 'Ach, da ist unser Strick-König'".

Mit diesem Prädikat kann Opa Klaus inzwischen ganz gut leben. Er hat seine Berufung im Rentenalter gefunden: "Wenn was von myoma.de kommt, dann habe ich nicht Ruhe, ehe das fertig ist, und dann stehe ich schon morgens eine Stunde früher auf." Er wisse ja, dass die Arbeit Sinn macht und dass sein Gestricktes nicht in irgendeinem Schrank liegen bleibt: "Meine Kinder lieben meine gestrickten Sachen nicht unbedingt, außer wenn es Socken sind. Meine Frau habe ich schon von oben bis unten begestrickt, ich selber trage nicht gerne Stricksachen, weil mir dann zu warm ist. Also war myoma.de eine tolle Gelegenheit, für Andere was zu machen."

Die Bewährungsprobe

"Eins links, eins rechts, zwei links, zwei rechts, oder glatt rechts. Das mache ich auch im Dunkeln, dafür brauche ich kein Licht", sagt Opa Klaus selbstbewusst. Zu Recht, meint Röthlingshöfer. "Er strickt wirklich wunderbar, da kann keiner was dagegen sagen, er macht Eins A Arbeit." Trotz des bewährten Strick-Know-Hows habe Opa Klaus bei der ersten Begegnung mit den Omas ein mulmiges Gefühl gehabt: "Was werden wohl die Frauen sagen, was will er in unserer Domäne, was ist das für ein Komischer? Ich bin mit gemischten Gefühlen zum ersten Treffen nach Führt gefahren. Aber ich wurde sofort akzeptiert, das war so selbstverständlich, ich hatte mir das anders vorgestellt", erinnert sich Opa Klaus. Seit diesem Moment gehört Opa Klaus dazu, ist so zu sagen ein gleichberechtigtes Mitglied des Strick-Kaders und inzwischen auch ein Vorbild für Andere: "Es kommt jetzt oft vor, dass mir Männer sagen, sie hätten auch das Stricken ausprobiert und es sei eine Katastrophe gewesen oder sie hätten einen zwei Meter langen Schal gestrickt und hätten sich darüber gefreut, und andere Geschichten".

Klaus Peters aus Nürnberg strickt für das Internet-Verkaufsportal myoma.de (Foto: myoma.de)
Klaus Peters alias Opa KlausBild: myoma.de

Viele Wolllustige

Inzwischen haben viele von dem Strick-Portal erfahren und wollen mitmachen: "Die Omas werden uns schon nicht ausgehen", sagt die Gründerin. "Mittlerweile haben wir eine sehr lange Warteliste." Derzeit arbeiten 25 Omas für myoma.de, und Opa Klaus natürlich. Verena Röthlingshöfer hofft, dass die Nachfrage steigt, so dass sie viel mehr Omas (und Opas) beschäftigen kann. Solange lernt sie bei Oma Siggi stricken und schmiedet schon weitere Pläne für ein anderes Portal - myopa.de. In den älteren Menschen stecke so viel Potenzial, sagt die Gründerin.