Kulturelle Vielfalt wird an der Grundschule Ganspe großgeschrieben. Binnen eineinhalb Jahren haben die Pädagoginnen mit Qiaoling You aus China bereits ihre dritte ausländische Unterstützung zu Gast. Die 27-Jährige ist über ein Programm des Vereins „Experiment“ für zwei Wochen bei Förderschullehrerin Monika Hoffmann in Rönnebeck untergekommen.
„E i n f a c h“, sagt Steven, während er das „Ch“ besonders betont. Und mit Nachdruck noch einmal: „Einfa c h, nicht einfa k.“ Der Erstklässler freut sich. Endlich kann er einmal den Lehrer mimen. Sein Gegenüber, die 27-jährige Chinesin Qiaoling You, nimmt die Anregung dankbar auf. Wiederholt das Wort jetzt noch einmal perfekt. Steven lächelt.
Die Stimmung in der Mensa der Grundschule Ganspe ist gelöst. Unter Anleitung von Förderschullehrerin Monika Hoffmann schreiben Steven, Maya, Tabea und Leon einen kurzen Text aus der Fibel in ihr Heft. Qiaoling You hilft ihnen. Schaut, ob alle Hauptwörter groß und die Verben klein geschrieben sind. Die vier Erstklässler arbeiten konzentriert. Schließlich steht nach der Pflicht (dem Schreiben des Textes) die Kür auf dem Programm: Basteln mit der jungen Chinesin.
„Eines meiner Hobbys ist Origami“, erzählt die 27-Jährige, die im Rahmen eines interkulturellen Austauschs des Bonner Vereins „Experiment“ für zwei Wochen bei Monika Hoffmann in Rönnebeck wohnt. Für die gestrige Unterrichtsstunde hat Origami-Fan Qiaoling You eigens im Internet recherchiert. „So einfache Formen falte ich sonst nie“, erzählt die junge Frau, während sie die Gesichter eines Fuchses und einer Maus hoch hält. „Ich mach’ das immer viele Stunden.“ Dabei kommen dann filigrane Figuren heraus, die sie mit den Grundschülern niemals nachbasteln könnte.
Qiaoling You wohnt derzeit bei Monika Hoffmann. Genauer lässt es sich vermutlich mit „leben“ statt mit „wohnen“ umschreiben, denn die Studentin der Wirtschaftspsychologie nimmt am kompletten Leben ihrer Gastgeberin teil. Der Verein nennt sein Motto „Miteinander Leben. Voneinander Lernen“. Das tun die junge Frau aus dem Süden der asiatischen Volksrepublik und die Nordbremerin derzeit intensiv. „Qiaoling läuft überall mit“, erzählt Monika Hoffmann.
Abends gehen die beiden Frauen ebenso gemeinsam zum Yoga-Unterricht wie in die Oper oder zum Improvisationstheater. „Obwohl ich nicht so frisch in Deutschland bin, mache ich hier viele, viele neue Erfahrungen“, stellt Qiaoling You immer noch leicht erstaunt fest. Die Aufführung der „Zauberflöte“ im Staatstheater in Oldenburg war ihr erster Theaterbesuch überhaupt. Bei Familie Hoffmann in Rönnebeck wird zudem gemeinsam gekocht – mal deutsch, mal chinesisch. Kennengelernt haben sich die beiden Frauen über den Verein „Experiment“. Der organisiert in Deutschland wie im Ausland Aufenthalte in Gastfamilien, um interessierten, weltoffenen Menschen Einblicke in fremde Kulturen zu ermöglichen. Ziel ist der Austausch zwischen Menschen aller Kulturen, Religionen und Altersgruppen.
Qiaoling You studiert seit vier Jahren Wirtschaftspsychologie an der Ruhr-Universität in Bochum. Dem deutsche Leben sei sie in dieser Zeit nie so nahegekommen, wie in den vergangenen Tagen, räumt die Chinesin ein. „Kulturschock“ nennt sie ihre Erfahrung, wobei sie herzlich lacht und ihre Aussage nicht negativ verstanden wissen möchte.
Für die Grundschule Ganspe stellt der internationale Besuch bereits den dritten Austausch mit einer fremden Kultur in den vergangenen eineinhalb Jahren dar. Mit Manar Ibrahim gehörte im November 2013 für drei Wochen eine ägyptische Lehrerin zum Lehrkörper der Grundschule. Bereits im Dezember 2012 schnupperte Raquel Xiomara Martinez aus Guatemala Gansper Schulluft. „Wir sind offen für andere Kulturen“, sagt Schulleiterin Andrea Selke. „So ein Besuch ist immer eine Bereicherung für uns. Die Gastlehrerinnen bringen neue Ideen mit.“ Dadurch seien die Gäste nicht nur eine Bereicherung für die Kinder, sondern auch für das Kollegium.
