Erdgas gibt Afrika Hoffnung

Die Erdgasförderung in Afrika nimmt stark zu. Neben Nordafrika rücken vermehrt die Gasvorkommen Westafrikas und vor allem vor der ostafrikanischen Küste ins Zentrum des Interesses von Energiekonzernen.

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Neue Funde könnten die Produktion verdoppeln und einen Wachstumsschub auslösen. (Bild: STRINGER/Keystone)

Neue Funde könnten die Produktion verdoppeln und einen Wachstumsschub auslösen. (Bild: STRINGER/Keystone)

(mhf. Nairobi)

Die Erdgasproduktion auf dem afrikanischen Kontinent könnte sich bis 2035 verdoppeln. Sie könnte somit zu einem Antriebsmotor der Entwicklung und Industrialisierung ganzer Landstriche werden, wenn globale Trends hin zu saubereren Energien anhalten und afrikanische Regierungen die Chancen des Sektors nutzen. Laut einem zu Wochenbeginn in Johannesburg vorgelegten Bericht der internationalen Beratungsfirma Ernst & Young nahm die Erdgasförderung im letzten Jahrzehnt um durchschnittlich 4% pro Jahr zu und erreichte letztes Jahr mehr als 200 Mrd. m³. Einen entsprechenden Anstieg verzeichnete die Anzahl der Förderanlagen – lediglich im Krisenjahr 2008 ging die Zahl der Bohrtürme kurzfristig zurück (vgl. Grafik).

 (Bild: NZZ-Infografik/saf.)

(Bild: NZZ-Infografik/saf.)

Gelobtes Land Ostafrika

Der Hauptharst der kontinentweiten Förderung liegt noch immer in Nordafrika mit den traditionellen Produktionsländern Algerien und Ägypten, die zusammen zwei Drittel der Förderanlagen auf dem Kontinent betreiben. In der Folge der Entdeckung neuer Reserven in Ostafrika, der zunehmenden Nutzung von Gasverflüssigungsanlagen in Westafrika sowie der mit der Verflüssigung zusammenhängenden Globalisierung des Erdgashandels erwarten Energieexperten jedoch, dass die Förderregionen südlich der Sahara an Bedeutung zunehmen dürften.

Laut dem genannten Bericht liegen die geschätzten ausbeutbaren Reserven in Afrika bei 74 Bio. m³, was 10% der globalen Reserven ausmacht. Der Anteil liegt deutlich höher als beim Vergleich der weltweiten Fördermengen. In den letzten Jahren sorgte die Entdeckung von Erdgasfeldern in tiefen Meereslagen vor der ostafrikanischen Küste für Aufregung unter Investoren. Die auf Explorationen spezialisierte amerikanische Firma Anadarko war 2010 in dem zu Moçambique gehörenden Rovuma-Bassin auf Vorkommen gestossen, die theoretisch den 30- bis 40-fachen Wert des Bruttoinlandprodukts des Landes ausmachen. Auch weiter nördlich, vor Tansania, wurden seither Erdgasvorkommen entdeckt.

Wachsendes Interesse greift in der Region um sich und hat mutmassliche zukünftige Erdölproduzenten wie Kenya, Uganda und Madagaskar erfasst. Die Verantwortlichen machen sich plötzlich Gedanken, wie das bei der Erdölförderung natürlich assoziierte Gas vermarktet werden kann, statt – wie bisher üblich – abgefackelt zu werden. Weil es in der Region mit Ausnahme von Südafrika keine Gasnetze für die Eigenversorgung gibt, dürfte die Ausbeutung der ostafrikanischen Reserven vom Export und vom Bau von Gasverflüssigungsanlagen abhängen.

Die Nähe zu den asiatischen Märkten lässt die notwendigen Investitionen als lohnend erscheinen. In Moçambique sorgte kürzlich ein Kampf zwischen Shell und dem staatlichen thailändischen Energiekonzern um Anteile an einem von Anadarko entwickelten Gasfeld für Aufsehen. Shell gab schliesslich klein bei, bietet jedoch beim Erwerb anderer Anteile im Rovuma-Feld weiterhin mit.

Viele Spekulationen

Bereits einen Schritt weiter ist Westafrika. Nigeria verflüssigt seit 1999 Erdgas, und vor vier Jahren nahm der amerikanische Energiekonzern Marathon in Äquatorialguinea eine entsprechende Anlage in Betrieb. Die westafrikanischen Produktionsanlagen verarbeiten im Unterschied zu aussichtsreichen Vorkommen in Ostafrika ausschliesslich assoziiertes, das heisst bei der Erdölförderung entweichendes Erdgas.

Von Nigeria aus reicht eine Erdgaspipeline nach Westen bis Benin und Togo. Sie soll bis Ghana und Côte d'Ivoire verlängert werden und in der Region zu einer Erhöhung des Eigenverbrauchs, vor allem für die Stromproduktion, führen. Die Analytiker von Ernst & Young bezeichnen solche Pläne jedoch als spekulativ. Die Realisierung hängt unter anderem davon ab, ob Nigeria seinen Energiesektor in Ordnung bringt und Anreize für den Bau weiterer Verarbeitungsanlagen schafft.

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