ZEIT ONLINE: Herr Rotter, an Weihnachten vor zehn Jahren gab es ein gewaltiges Seebeben vor Sumatra. Eine große Welle traf unter anderem Thailand, ein Urlaubsparadies. 5.400 Menschen kamen damals ums Leben, Einheimische wie Touristen. Welche Rolle spielt der Tsunami heute für den Thailand-Tourismus?

Matthias Rotter: Überhaupt keine.

ZEIT ONLINE: Leute, die eine Thailand-Reise erwägen, sich aber noch nicht entschieden haben, führen den Tsunami nicht als möglichen Grund an, nicht nach Thailand zu reisen?

Rotter: Nein. Zwei, drei Jahre nach dem Tsunami war das der Fall, aber heute längst nicht mehr. Schon nach zwei Jahren waren die Gästezahlen wieder auf dem alten Stand. Heute ist Khao Lak, zumindest bei unseren Kunden, die beliebteste Strandregion in Südostasien überhaupt. Wir haben große Zuwächse, was die Buchungen für diesen Winter angeht, wir verzeichnen bei der Gästezahl ein Plus von 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Phuket, Khao Lak, Ko Samui oder auch Phi Phi Island sind dieses Jahr sehr stark gefragt.

ZEIT ONLINE: Auch dem Thailändischen Fremdenverkehrsamt zufolge ist die Zahl der einreisenden Touristen in den vergangenen zehn Jahren gestiegen. Allerdings gingen 2014 die Zahlen deutlich zurück; zwischen Januar und November kamen knapp zwei Millionen Touristen weniger als vergangenes Jahr. Müssen wir statt über den Tsunami eher über den Militärputsch reden, wenn wir über Thailand-Tourismus reden?

Rotter: Ja, dieser Rückgang ist eher auf den Putsch vom 22. Mai zurückzuführen – und auf die Unruhen, die schon im November 2013 begonnen haben. Es gab nach dem Putsch Ausgangssperren und Notstandsverhängungen. Das hat viele Reisende verunsichert.

ZEIT ONLINE: Das heißt, die Touristenzahlen gehen zwar im Süden nicht zurück, dafür im Norden umso deutlicher?

Rotter: Ja, bei den Rundreisen im sogenannten goldenen Dreieck, die in Bangkok beginnen, gibt es Rückgänge. Auch die Stadthotels in Bangkok spüren das. Wenn wir uns im Mai wieder sprechen, dürfte aber auch das schon wieder anders aussehen.

ZEIT ONLINE: Das Auswärtigen Amtgibt den Hinweis, dass in Thailand nach wie vor das Kriegsrecht gilt. Man soll Demonstrationen und Menschenansammlungen meiden. Von Reisen in einige Regionen, die etwa 400 Kilometer von den Touristenzentren entfernt liegen, wird dringend abgeraten. Andererseits gibt es keine deutliche Reisewarnung, wie sie für Krisenregionen üblich ist; die Sicherheitslage gilt als weitgehend stabilisiert. Gibt es ein begründetes Risikogefühl?

Rotter: Ich war vor Kurzem dienstlich im Norden. Man sieht auf den Straßen nichts, was auf eine Gefährdung hinweisen würde. Aber dass die Lage weitgehend stabilisiert ist, bedeutet nicht, dass man sie als Reisender jederzeit gut einschätzen kann.

ZEIT ONLINE: Und dann bleibt man lieber weg?

Rotter: Wenn man im Norden des Landes unterwegs ist und jeden Tag Bus fährt, dann ist man darauf angewiesen, dass die Straßen frei sind. Wenn darauf kein Verlass ist, kann es schon sein, dass man seine Rundreise um ein Jahr verschiebt. Grundsätzlich ist es so, dass es viele Orte auf der Welt gibt, an die man reisen kann, ohne sich vorher über die politische Lage in den Nachrichten informieren zu müssen.

ZEIT ONLINE: Eine Auswirkung des Putsches ist für Touristen im Süden aber spürbar: An den Stränden gab es viele Buden, Massageangebote und Sonnenschirmverleihe. Dieser informelle Sektor wurde vom Militär stark beschränkt.

Rotter: Ihre Wortwahl ist interessant, diese illegalen Strandbuden hat bisher noch niemand als informellen Sektor bezeichnet. Es ist tatsächlich so, dass das Militär zum Teil rigoros aufgeräumt hat. Ich war vor ein paar Wochen da und muss sagen: Der Strand sieht jetzt zumindest aus wie ein Strand. Vorher war es eher wie ein Volksfest. Man kann das so und so sehen. Vorher hatten wir das Feedback von Kunden, die sagten, da ist zu viel Trubel. Ich möchte aber nicht ausschließen, dass dieselben Leute jetzt sagen, so schlimm waren die Buden doch gar nicht.

ZEIT ONLINE: Die Strände sollen wieder in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzt werden. Fühlt man sich da nun sicherer oder weniger sicher, wenn das Militär aufräumt?

Rotter: Ich denke, man darf das nicht überbewerten. Wer in den Süden reist, ist in einem Hotel zu Gast. Dort gibt es häufig einen Privatstrand. Deren Betreiber sind pfiffig genug, sich mit dem Militär so zu arrangieren, dass ihre Angebote nicht betroffen sind.

ZEIT ONLINE: Ein Experte der deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit hat kürzlich kritisiert, dass es in Hotels in Khao Lak und Phuket noch keine allgemeinen Sicherheitsstandards gebe. Tausende Touristen hätten im Fall eines erneuten Tsunamis keine Ahnung, wie sie sich verhalten sollten. Will man Touristen nicht abschrecken, indem man sie an den Tsunami erinnert?

Rotter: Ich denke, wir dürfen nicht auf die lokalen Behörden und die Hotels deuten, sondern wir müssen das als unsere eigene Aufgabe verstehen. In den Mappen unserer lokalen Reiseleiter gibt es sehr wohl Unterlagen für den Fall eines Tsunami-Alarms. Viele Hotels in der Region haben auch sogenannte Evacuation routes eingerichtet. Dass also gar nichts gemacht würde, ist falsch. Alle Kunden, die uns ihre Handynummer geben, haben wir auch in einem SMS-Assist-System. Im Fall der Fälle würden wir sie sofort informieren. Wir gehen damit sehr offensiv um. Inzwischen hat die Welt aber viele andere schreckliche Momente erlebt, etwa den Nuklearunfall in Japan. Man kann davon ausgehen, dass sich Fernreisende schon vor dem Urlaubsantritt informieren.

ZEIT ONLINE: Machen Sie auch selbst Urlaub in Thailand?

Rotter: Ja.

ZEIT ONLINE: Im Süden oder im Norden?

Rotter: Ich habe drei relativ kleine Kinder, da bieten sich Rundreisen noch nicht an. Privat fahre ich noch eher in den Süden.