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Bangkok-Shutdown: Ärger für Touristen

Foto: Barbara Walton/ dpa

Touristen in Bangkok Erst zum Tempel, dann zur Demo

Bangkoks Innenstadt wird von Demonstranten belagert, dazwischen tummeln sich zur Hauptreisezeit gestresste Touristen. Die meisten halten sich an die Empfehlung, größere Menschenversammlungen zu meiden. Manche jedoch gehen extra dahin, wo was los ist.
Von Frederic Spohr und Mathias Peer

Dass ihre Reise nach Bangkok etwas aufregender wird, hat Andrea Vodenik erst kurz vor Abflug erfahren. Einige Stunden später erlebt sie am Montagvormittag zusammen mit ihrer Familie einen Umsturzversuch aus unmittelbarer Nähe. An der Sukhumvit-Straße im Zentrum der Stadt fordern Regierungsgegner mit ihren Trillerpfeifen und Klapperhänden lautstark den Rücktritt der Regierung. Nur hundert Meter entfernt peitscht ein Agitator die Menge auf. "Es wird schon nichts passieren", hofft Vodenik.

Wie viele Thailand-Touristen erlebt die 52-Jährige eine etwas andere Reise als geplant. Die Opposition, die den Rücktritt der amtierenden Regierung fordert, hat Thailands Hauptstadt weitgehend lahmgelegt. Die Demonstranten halten sieben wichtige Verkehrsknotenpunkte besetzt.

Viele Menschen gehen nicht zur Arbeit, andere sehen sich gezwungen, in ihren Büros zu übernachten. Botschaften haben ihren Landsleuten nahegelegt, Vorräte für bis zu zwei Wochen anzulegen. Und einige politische Beobachter warnen sogar vor einem aufkommenden Bürgerkrieg - keine guten Ausgangsbedingungen für ein bisschen Erholung.

Familie Vodenik will dennoch versuchen, sich zum Großen Palast in der Altstadt durchzuschlagen. Rund um Bangkoks bedeutendste Touristenattraktion ist es ruhiger, seitdem sich die Proteste in das kommerzielle Zentrum der Stadt verlagert haben. Mit dem Skytrain lässt sich der Großteil des Weges problemlos zurücklegen. Bangkoks Hochbahn verkehrt nach Plan, auch wenn die Waggons gelegentlich noch voller sind als sonst. Andrea Vodenik will sich den Urlaub nicht vermiesen lassen. "Wir fühlen uns relativ sicher", ruft sie an der Haltestelle Asok durch den Lärm der Demonstranten. "Im Hotel haben sie uns gesagt, wir können alles angucken."

Noch fühlen sich die meisten Urlauber nicht bedroht, sondern nur etwas beeinträchtigt. Das Auswärtige Amt empfiehlt zwar, Menschenansammlungen im gesamten Stadtgebiet zu meiden. Die Warnungen von Medien und Behörden lassen jedoch einige Touristen unbeeindruckt. "Ich halte das größtenteils für Panikmache", sagt der Berliner Tourist Henning Buse. Er habe schon Schlimmeres erlebt: "Ich war schon mal in China, als die Seuche Sars ausgebrochen ist, und bin auch geblieben." Allerdings muss er den Trubel ohnehin nicht lange aushalten. Am Dienstag fliegt er zur Tempelstadt Angkor Wat nach Kambodscha - zumindest, wenn er es rechtzeitig zum Bangkoker Flughafen schafft.

Umwege und blockierte Straßen

Denn viele Orte, die fernab der Bahnstationen liegen, sind aufgrund der Straßenblockaden derzeit schwer erreichbar. Auch wer zu der bei Touristen beliebten Khao San Road will, muss Umwege in Kauf nehmen. Während der Hochsaison ist die Straße normalerweise voll von Backpackern. Doch heute ist sie deutlich leerer. Ein Schneider aus Burma klagt, er habe nur noch ein Viertel der Kunden, dabei sei die Lage doch vollkommen ungefährlich. Tatsächlich haben einige der Rucksacktouristen von den Protesten noch überhaupt nichts mitbekommen. "Wir sind gestern Abend angekommen und haben noch keinen Demonstranten gesehen", sagt die 24-jährige Lauren Scott aus England.

Viele scheuen trotzdem das Risiko. Der deutsche Hotelmanager Klaus Sennik bekommt hautnah zu spüren, wie sich die Massenproteste auf das Geschäft auswirken. Er leitet ein Hotel der US-amerikanischen Ramada-Kette, direkt am Ufer des Chao Phraya. Von den wichtigen Sehenswürdigkeiten der Stadt ist es nur eine kurze Bootsfahrt entfernt. Normalerweise sind die Betten in seinem Haus um diese Zeit zu 85 Prozent ausgelastet. Mittlerweile steht schon fast jedes zweite Zimmer leer. "Das ist auch kein Wunder", sagt er. "Wenn man die Fernsehbilder sieht, meint man, dass in ganz Thailand der Ausnahmezustand herrscht."

Vor allem viele seiner Kunden aus China, Malaysia und Korea hätten zuletzt ihre Reisen nach Thailand abgesagt. Auch mehrere Firmen hätten Veranstaltungen in seinem Hotel storniert. Touristen aus Europa seien weniger zurückhaltend. "Wenn man sich nicht einmischt, passiert einem auch nichts", sagt Sennik. Auch der Deutsche Reiseverband (DRV) versucht zu beruhigen. Wer in Bangkok lande und direkt weiter fliege, bekomme im Rest des Landes nichts von den Protesten mit.

Doch manche der Touristen suchen sogar das Abenteuer - und solidarisieren sich mit den Demonstranten. Christina Mikalkenas aus Brasilien blickt gemeinsam mit ihrer Freundin von einem Fußgängerüberweg an der Haltestelle Asok auf Tausende Protestierende.

Sie ist extra hierhergekommen, Angst hat sie nicht. "Ich möchte mich nicht zu sehr einmischen, aber schon zeigen, dass ich mit dem Herzen bei den Demonstranten bin", sagt die 45-Jährige. "Sie protestieren ja gegen Korruption, die gibt es in Brasilien auch viel zu viel", sagt sie. In ihrer Heimat selbst geht sie nicht auf die Straße. "Thailändische Proteste gefallen mir besser als die in Brasilien." Die Demonstranten machen aus ihrer Sicht einen viel friedlicheren Eindruck.