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Running Wild - Shadowmaker - Massen-Review

02.04.2012

Running Wild "Shadowmaker"Die Ankündigung kam überraschend. Hatten RUNNING WILD sich einst auf dem Wacken Open Air von den Fans verabschiedet, so rechnete man wirklich nicht mehr damit, dass 2012 ein neues Album der Band erscheinen würde, die mal zu den besten und beliebtesten deutschen Heavy-Metal-Bands zählte. Diese Zeiten sind jedoch schon lange her und in der jüngeren Vergangenheit hatte Rolf Kasparek vor allem jede Menge Kredit mit halbgaren Veröffentlichungen und eben dem unrühmlichen Abschiedsauftritt, der die Erwartungen nicht im Ansatz erfüllte, verspielt. Dementsprechend sind es vor allem gemischte Gefühle, die man angesichts der Veröffentlichung von "Shadowmaker" im Vorfeld hatte. Und über allem thronte die Frage: kriegt Rolf nochmal die Kurve? Die Antwort darauf geben unsere Reviews.

Review von: Andreas Schulz (Profil)

Es ist ein Trauerspiel. Beinahe schon ein Drama, das allem Anschein nach kein Happy End haben wird. Und man weiß nicht so recht, ob man mit Rock'n'Rolf Kasparek noch Mitleid haben soll oder ob man ihm ob seiner Selbstüberschätzung und der Tatsache, dass er drauf und dran ist, den guten Namen RUNNING WILD endgültig der Lächerlichkeit preis zu geben, verbieten will, weiterhin Musik zu machen. Über die schwache Abschiedsvorstellung beim Wacken Open Air wurde genug gesagt, über die unerwartete Ankündigung, dass es ein weiteres RUNNING-WILD-Album geben wird, wurde genug diskutiert und über das grottenhäßliche Artwork zu "Shadowmaker" hat man sich genug das Maul zerrissen. Jetzt geht es ans Eingemachte.

Vorweg: "Shadowmaker" ist kein kompletter Reinfall. Es hat jedoch auch nicht mehr viel mit der Band zu tun, die so manchen Klassiker des teutonischen Stahls geschmiedet hat. "Shadowmaker" zeigt, dass Rolf im Grunde genommen immer noch in der Lage ist, Songs zu schreiben, die gut ins Ohr gehen und dass er es nochmal wissen will. Trotzdem ist davon auszugehen, dass dieser Comebackversuch scheitern wird. Denn das Songmaterial kann qualitativ in keiner Weise mit den großen Hits mithalten. Nette, eingängige Refrains mit typischen RUNNING-WILD-Melodien gibt es zwar durchaus, doch klingt man dabei bestenfalls nach einer schlechten Kopie seiner selbst. Das große Problem an der Sache ist jedoch die Tatsache, dass RUNNING WILD auf "Shadowmaker" erschreckend zahnlos und schwachbrüstig klingen. Heavy Metal? Das war mal. Was Rolf hier spielt, ist über weite Strecken Hardrock, der jeglichen Biss, jegliche Heaviness, jegliche Durchschlagskraft außen vor lässt. Dazu trägt zu einem großen Teil auch die Produktion bei. Lebloser geht es nicht, "Shadowmaker" ist eine reine Digitalproduktion, die mit klassischem Metal so gut wie nichts zu tun hat. Da kann Rolf noch so sehr von seinem fähigen Produktionsteam schwärmen, das ist einfach nichts. Man fragt sich wirklich, wie es ein vermeintlich gestandener Musiker schaffen kann, so komplett am Zeitgeist vorbei ein Album aufzunehmen und zu hoffen, dass man damit ein umjubeltes Comeback schaffen kann.

"Shadowmaker" hätte ein gutes Album werden können. Wenn Rolf es geschafft hätte, eine echte Band und einen fähigen Produzenten um sich zu scharren. Das Songmaterial hat teilweise wirklich Potenzial, wenngleich einige der Songs mit wenig Belang vor sich hinplätschern und die Lachnummer "Me + The Boys" (welche Boys eigentlich?) für blankes Entsetzen sorgen wird. "I Am Who I Am" skandiert Rolf trotzig und gibt damit zu verstehen, dass ihm der Sturm, der sich angesichts dieser Veröffentlichung zusammenbraut, eh egal ist. Traurig ist es irgendwie trotzdem.

FAZIT: Knappe neun Punkte für eine Handvoll ganz guter Songs, die aber auch deutlich besser hätten werden können. Die-hard-Fans werden froh sein, dass "Shadowmaker" seine guten Momente hat, letztlich muss man aber kein Prophet sein, um zu behaupten, dass die Wiedergeburt von RUNNING WILD eher eine Totgeburt ist. 

9 von 15 Punkten


Review von: Chris P. (Profil)

Das verbale Schlachtermesser ob der letzten albumtechnischen Peinlichkeiten aus dem Hause Rock'n'Rolf liegt noch mit Blutkruste auf dem Schreibtisch, und so ein wenig Vorfreude auf etwas Lästerei versüßt den Raumduft ebenso. Doch jenes Messer darf nach dem ersten Hör weggepackt werden, denn auf dem neuen, vierzehnten Studioalbum zeigt sich das deutsche Urgestein, das respektable Alben wie "Blazon Stone" und "Under Jolly Roger" erschaffen hat, weder als Selbstplagiator des Materials seiner vergangenen Glanztaten noch als sich selbst überschätzender Musiker, der sich Klogriffe wie "Rogues En Vogue" schön redete.

Nein, stattdessen präsentiert sich Käpt'n Kasparek so bodenständig wie noch nie, und eine musikalische Lockerheit wie auf "Shadowmaker" hätte man so wohl kaum erwartet. Das Piratengekasper hält sich im Rahmen, und thematisch übt sich der Meister gelegentlich gar in Selbstreflexion und blickt auch sonst inhaltlich häufig weit über die Reling.

Vom Trve-Echt-Reinheitsgebots-Metal vergangener Tage hat man sich offensichtlich gelöst, und so finden sich auf dem Schattenspender sehr viele Verweise gen 80er Hard Rock und ebensolchem, noch hardrockbeeinflussterem Heavy Metal klassischer Machart: Viel SAXON, IRON MAIDEN, viel BLACK SABBATH. All das. Möglicherweise spielt bei dieser Neuausrichtung auch sein punkrockaffines Projekt TOXIC TASTE eine Rolle, denn einen Partystampfer wie "Me + The Boys" hätte man wohl nie und nimmer von RUNNING WILD erwartet. Rock'n'Rolf hingegen packt das Ding kackfrech mit aufs Album, ganz nach dem Motto "friss oder stirb", sodass sich wohl so mancher Teilzeit-Jack Sparrow wutentbrannt in die Kanone stopfen und in die Weite schießen lässt, um zu symbolisieren, wie sehr ihn das dazu bewegt, in die Luft zu gehen.

Anhand seiner Unverkrampftheit macht das Album gar nicht mal so wenig Spaß, doch bei aller Spontaneität, durch die "Shadowmaker" entstand – laut Rock'n'Rolf benötigten manche Stücke gerade mal zehn bis dreißig Minuten Schreibarbeit, die komplexeren lediglich zwei Stunden –, ging oft etwas Entscheidendes verloren oder fand erst gar nicht seinen Weg in manche Kompositionen: Die Substanz. Viele Stücke, die zweifellos gut rocken, riffen und mit prima Melodien aufwarten, haben sich extrem schnell abgenutzt. Hier fehlen die Feinheiten, dort fehlt der Kick, ja der besondere Twist, und das bewirkt letztendlich, dass die ein oder andere Nummer etwas arg platt geworden ist.

FAZIT: Könnte ich es mir aussuchen, ob RUNNING WILD anno 2012 für etwas einfacher gestrickten, hardrockgewürzten, cool dahingespielten Heavy Metal mit nicht ganz so dollem Songwriting oder für durchgeplanten Stock-im-Arsch-Allophobie-Mettöl stehen sollen, dann zöge ich etwas platter rockende, dafür umso ehrlichere, unaufgesetzte Songs wie die von "Shadowmaker" zu jeder Zeit vor.

10 von 15 Punkten


Review von: Daniel Fischer (Profil)

Rolf Kasparek muss ein merkwürdig verdrehtes Selbstverständnis haben, oder die Erwartungshaltung seiner Fans ist ihm tatsächlich egal. Anders kann man es nicht erklären, dass er ausgerechnet mit diesem Material nun wieder unter alter Flagge segeln will. Um es gleich vorweg zu nehmen: "Shadowmaker" ist in den besten Momenten eine einigermaßen solide, wenn auch reichlich unspektakuläre und äußerst einfach gehaltene Hard-Rock-Scheibe, stilistisch ganz grob irgendwo zwischen den SCORPIONS und ACCEPT angesiedelt, aber ganz sicher kein RUNNING-WILD-Album.

Natürlich, das rockige, simpel groovende und "Party-taugliche" Element gab es schon immer bei RUNNING WILD, aber machte dies meist maximal zehn bis fünfzehn Prozent des Bandsounds aus. Hier wird es jedoch auf Albumlänge ausgewälzt. Wer einen Song wie "Chains And Leather" für den musikalischen Inbegriff der ehemaligen deutschen Metal-Institution hält, mag vielleicht Gefallen an "Shadowmaker" finden, aber welcher Fan blendet schon jahrzehntelange Bandgeschichte und ganze Alben aus?

Von den Trademarks, welche die Band spätestens seit "Port Royal" auszeichnete, ist fast nichts mehr zu spüren. Messerscharfe, sirrende Riffs, die einmal selbst die Göteborger Melodic-Death-Szene beeinflussten? Fehlanzeige. Große, mehrstimmige Gitarrenmelodien mit leicht keltischem Touch? Keine einzige. Mitreißende Hymnen? Düstere Geschichten, stimmungsvoll umgesetzt? Komplexe, epische Stücke? Rasende Speed-Nummern? Nichts davon gibt es auf "Shadowmaker" zu hören.

Wenn Rolf Kasparek dann doch einmal ansatzweise versucht, die typischen Elemente wiederzubeleben ("Riding On The Tide", "Sailing Fire"), klingt das wie eine fröhlich-harmlose "Light"-Version von RUNNING WILD. Als ob ein Gitarren- und Songwriting-Anfänger mit ganz simplen Riffs versuchen würde, grob in diese Richtung zu komponieren, dabei jedoch nie die Tiefe, Komplexität und stimmungsvolle Atmosphäre erreichen kann. Man hört überdeutlich, dass hier weder bei den eigentlichen Kompositionen, noch den Arrangements und Aufnahmen viel Zeit investiert wurde. Eine einfache Rhythmusgitarre, die nie variiert oder durch eine zweite ergänzt wird, ein paar durchgeschlagene Akkorde als Refrain: Fertig ist der nächste Song.

FAZIT: Es ist ja prinzipiell nichts dagegen einzuwenden, wenn man im gesetzten Alter nostalgisch der Musik seiner Jugend frönt (denn genauso altbacken klingt "Shadowmaker"), aber ob das dann unbedingt unter dem Comeback-Mantel von RUNNING WILD laufen muss? Zumal viele Songs einfach zu belanglos bleiben, und es an Spannung und Stimmung mangelt. Wenn einzelne Passagen doch mal an frühere Werke erinnern, klingt Rolf Kasparek wie ein Schatten seiner selbst, ansonsten oft gar nicht nach RUNNING WILD, sondern wie eine durchschnittliche, Party-kompatible Hard-Rock-Combo.

6 von 15 Punkten


Review von: Hendrik Lukas (Profil)

RUNNING WILD gehören zu meiner musikalischen Muttermilch. Ohne sie wäre mein Musikgeschmack nicht, was er ist. Mehr noch, sie sind – anders als andere Bands der Zeit – bis heute wichtig für mich. Daher waren die drei letzten Scheiben zunächst einmal vor allem eines: Schmerzlich. Dabei geht es nicht einmal so sehr um die "Angelo Sasso"-Frage, das Problem ist komplexer.

Um also nicht in einen reflexartigen Verriss zu verfallen, weil man sich so schön dran gewöhnt hat, neue RUNNING WILD-Alben kacke zu finden, soll hier der Versuch einer möglichst objektiven Betrachtung gemacht werden. Was Objektivität im Zusammenhang mit der Bewertung von Kunst bedeutet, sollte dennoch jedem klar sein.

Rolfs Baby lebt, wie alle wirklich eigenständigen Bands, von mehreren Charakteristika, die die Truppe weit aus dem Durchschnitt herausstechen lassen. Nimmt man eines davon oder gar mehrere weg, bleibt nur eben dies: Durchschnitt. Hier überraschte, in den letzten Jahren vor der zwischenzeitlichen Auflösung, die Betriebsblindheit des Piratenkapitäns. Ihm scheinen einige unverzichtbare Merkmale eines RUNNING WILD-Albums nicht klar gewesen zu sein, als er nach "The Rivalry" seine Arbeitsweise endgültig auf "One Man Show" umstellte.

Was macht ein gutes RUNNING WILD-Album aus?
1. Rolfs Gesangsmelodien.
2. Seine Trademark-Riffs und Licks.
3. Hits, Hits, Hits! Quer durch alle Geschwindigkeiten.
4. Ein fetter, warmer Klang der Drums (RUNNING WILD sind nicht MINSTRY).
5. Einer krachender, mittig-runder Gitarrensound (denn: RUNNING WILD sind nicht MINSTRY!).

Fangen wir mit dem Sound an. Den letzten drei Alben fehlte jegliche Lebendigkeit im Klang, egal ob die Drums nun programmiert oder gespielt waren. Man kann problemlos ein von einem Menschen gespieltes Instrument so beschissen klingen lassen, das beweisen unzählige Bands regelmäßig. Auch die Gitarren klangen dünn und künstlich, als ob ein Casio-Keyboard als Amp benutzt worden wäre. Und das, obwohl der Rhythmusgitarrensound einst zu den absolut Besten der Szene gehörte. Hier kann man eine klare Besserung vermelden. Offenbar wurden ein paar mehr Kröten investiert, um das Ganze angemessen klingen zu lassen. Das gilt auch für die Drums, die zwar ziemlich bearbeitet wirken, aber doch nicht so mausetot wie auf den Vorgängern. Der Sound geht also insgesamt knapp in Ordnung, ohne jedoch die warme, wuchtige Brillanz von "Pile Of Skulls" oder "Black Hand Inn" zu erreichen.

Zudem fehlten in letzter Zeit mehr und mehr die schnellen Smasher, so dass ein Übermaß an Midtempo-Schunkel-Rock für eine gewisse Ereignislosigkeit auf den Platten sorgte. Dazu sagte Rolf jüngst, er habe im Bereich der schnellen Songs alles gesagt, was er zu sagen habe. Das muss man respektieren, auch wenn es schade ist. Dennoch, auch das Grundtempo auf "Blazon Stone" war nach späteren Bandstandards eher gering, trotzdem gaben sich die Hymnen die Klinke in die Hand. Nicht den kleinsten Anteil hatte daran das fesselnde, singende, fließende THIN-LIZZY-auf Speed- Riffing in Stücken wie dem Titelsong oder "Slavery". Hier hielten die letzten Alben nicht mit – und "Shadowmaker" leider auch nicht. Die Gitarrenarbeit ist technisch natürlich absolut souverän, aber eher durchschnittsrockig unspektakulär; so richtige geile Riffs oder Melodiebögen sind Rolf – auf der Gitarre, wohlgemerkt – nicht gelungen.

Für die Ohrwürmer ist auf der Scheibe ausschließlich der Gesang zuständig, was denn auch einige Male sehr gut gelingt. Rolf ist immer noch gut bei Stimme und hat sich ein paar Gesangslinien ausgedacht, die mit den Referenzwerken durchaus mithalten können. Vor allem gilt das für "Me & The Boys". Der Song atmet den Spirit von "Prisoner Of Our Time", "Raise Your Fist" oder "Heads Or Tails", was einen schweren Stampfer mit großem Chorus und absolut komplett bescheuertem Metal-Brothers-Text bedeutet. Ein Volltreffer. Weiterhin sehr gelungen sind etwa "Black Shadow", "Locomotive" und mit Abstrichen "Sailing Fire" und "Dracula".

Summiert man diesen Versuch einer möglichst nüchternen Einschätzung und zieht einen Strich darunter, was kommt dann heraus?

1. Rolfs Stimme funktioniert noch, sie trägt die Songs so gut wie im Alleingang.
2. Die Gitarren agieren nämlich eher unauffällig (subjektiv würde man wohl sagen müssen: uninspiriert)
3. Es dominiert mittleres und leicht gehobenes Tempo, richtig schnelle Sachen gibt es nicht. Ohrwürmer dafür immerhin recht viele, davon einer mit Klassikerpotential.
4. Der Drumsound ist gerade noch so ok.
5. Die Gitarren klingen nicht so geil und direkt wie in den 90ern. Das ist für Soundfetischisten ein Jammer, aber ein bekanntes Zeichen der Zeit und auch gerade noch so ok.

FAZIT: Die befürchtete Katastrophe bleibt aus, das erhoffte Frohlocken aber auch. Dabei hatte ich Rolf (und dem Fan in mir) ein Album vom Kaliber der Großtaten der 90er so gegönnt. Die schwerste Übung nun: Wie viele Punkte ergeben sich aus all dem? Für ein Album, dessen Rückbesinnung auf die Stärken der Band nur teilweise funktioniert, das durch das Tempolimit ein wenig lendenlahm wirkt, aber immerhin nicht so ärgerlich ist wie die Vorgänger und eine Handvoll guter Stücke abwirft, gebe ich mal…

7 von 15 Punkten


Review von: Lars S. (Profil)

Der vermeintliche Abschied von RUNNING WILD vor drei Jahren in Wacken war äußerst durchwachsen, aber der extrem schnelle Rücktritt vom Rücktritt ist noch viel weniger würdevoll. Nun, inkonsequente "Was-schert-mich-mein-Gewäsch-von-gestern"-Methoden sind auch in der Metalszene nichts Ungewöhnliches und keine große Aufregung wert. Und dass man in diesem Fall als (ehemaliger) Fan trotz des unglaubwürdigen Beigeschmacks sehr auf neues Material der Piraten-Metaller gespannt ist, ist sowieso klar. Wenn dann noch im Vorfeld von einer Rückbesinnung auf alte Zeiten die Rede ist, schürt das natürlich zusätzlich einige Hoffnungen. Allerdings wurden diese in den letzten Jahren vor der voreiligen Abtakelung des Piratenschiffs wiederholt enttäuscht und auch, dass auf den vielen Promofotos nur Rock 'n' Rolf alleine zu sehen ist, bietet gleich wieder einigen Grund zur Skepsis.

Sofort nach CD-Start guckt man dann auch gleich mal verdutzt aus der Wäsche: "Piece Of The Action" klingt zu Beginn, speziell auch vom Klang, wie ein BILLY IDOL-Song Mitte der 80er. Sobald Rock 'n' Rolfs unverkennbarer Gesang einsetzt, weiß man dann aber schon, mit wem man es zu tun hat und auch die Gitarren rufen angenehme Erinnerungen wach. Dennoch ist der Song schunkeliger Hardrock der "Tut-keinem-weh"-Klasse. Und er passt halt so überhaupt nicht zu einer Band, die mal ein Killernieten-Armband auf dem Cover hatte. Da macht sich schon leichte Ernüchterung breit und die Befürchtungen wachsen, dass der Albumtitel ungewollt die Vorlage geben könnte und RUNNING WILD mehr denn je nur ein Schatten der erfolgreichen Tage sind. Aber siehe da, "Riding On The Tide" geht schon weiter in Richtung des gewohnten bzw. erhofften Piraten-Metals, vom Thema her sowieso, mit ein paar guten Strophen und wohlbekannten Gitarrenklängen. Trotzdem ist der Song immer noch recht harmlos und zu fröhlich, mehr Schaluppe statt stolze Hanse-Kogge.

Zu diesem Zeitpunkt kann man sich dann auch bezüglich des Sounds festlegen. Der ist besser, als man seit den Angelo-Sasso-Jahren befürchten muss, aber trotzdem alles andere als eine Offenbarung. So müssen wir auch diesmal wieder auf ein echtes Schlagzeug verzichten und insgesamt geht richtig druckvoll halt auch anders. Nicht mehr als okay, und es klingt eben ähnlich kostensparend, wie das Cover aussieht.

"I Am Who I Am" legt dann aber endlich los, wie man es sich erhofft hat. Endlich mehr Speed, schärfere Gitarren, der erste so richtige traditionelle RUNNING WILD-Song. Aber Schreck: der Refrain ist wieder viel zu seicht und kitschig. Aber die Gitarren und auch der sonstige Gesang reißen es eben raus und die Nummer kann man klar als Pluspunkt verbuchen. Das folgende "Black Shadow" ist ein Stampfer, der auch recht okay ist mit seinem wiederum nicht ganz unbekannten Riff, auf früheren Alben aber eher untergegangen wäre, da einfach zu wenig passiert. Und das Schlagzeug klingt hier von allen Songs am klinischsten. Das bessert sich bei "Locomotive" wieder, obwohl sich die Songs recht ähnlich sind. Noch ein Midtempo, sehr griffig und überschaubar, aber schön treibend und mit einem guten Gitarrensolo bestückt.

Dann aber: "Me + The Boys". Künstlerische Freiheit ist ja ein hohes Gut, aber hier darf man sich als langjähriger Fan durchaus verarscht fühlen. Wer will denn solch eine Spaßnummer von RUNNING WILD hören? Okay, wenn man unter den Promofotos Bilder von Rolf mit Zylinder sieht, dann landet man bei diesem Song gedanklich vielleicht bei SLADE - aber gut finden muss man das noch lange nicht. Spätestens jetzt drängt sich die Vermutung auf, dass einiges von dem Material für Rolfs kurzlebiges Fun-Projekt TOXIC TASTE vorgesehen war und jetzt nur in RUNNING WILD-Form gebracht wurde. Obwohl: hier hat er es wohl gar nicht erst versucht.

Der Titelsong wäre ein passenderer Opener gewesen, wenn man hätte vermeiden wollen, gleich ein paar Fans vor den Kopf zu stoßen. Ziemlich guter Track, der von früheren Großtaten gar nicht so weit weg ist. Schön mitsingtauglicher Banger mit ausführlicher Gitarrenarbeit. Bei "Sailing Fire" ist das Piratenthema wieder da, viel mehr gibt es zu der harmlosen Nummer aber nicht zu sagen, ein leichtfüßiger Hardrocker, der vor sich hin plätschert. Ähnliches gilt für das etwas wuchtigere "Into The Black", das nur auffällt, da es anfangs kurz an W.A.S.P. erinnert. Das typische Riff läuft gut rein, aber in der Strophe einmal mehr arg fluffig. Der Abschluss ist mit "Dracula" dann etwas abwechslungsreicher und komplexer ausgefallen. Die mit siebeneinhalb Minuten längste Nummer des Albums ist zwar auch nicht monumental, aber mit seiner eher düsteren Aura sticht es zwischen dem vielen leichtgängigen und oftmals auch einfach gehaltenen Stoff noch mal positiv heraus und weiß einen am Ende noch mal milde zu stimmen.

Das Album hat durchaus einige gute Momente zu bieten, aber bei überwiegend gedrosseltem Tempo, zumindest für frühere RUNNING WILD-Verhältnisse, findet sich auf "Shadowmaker" mehr Hardrock als Heavy Metal. Will man es möglichst positiv ausdrücken, könnte man sagen, dass sich bei RUNNING WILD bzw. Rolfing Wild stärker denn je die THIN LIZZY-Einflüsse durchgesetzt haben. Trotzdem vermisst man halt zumeist die Schärfe und auch mal ein wenig Aggressivität. Und auch die Ernsthaftigkeit, vieles klingt zu beiläufig, nicht zuletzt auch der Gesang. Obwohl man sich mit der Zeit besser in das Album reingehört oder sich daran gewöhnt hat, geht das "Es-wäre-mehr-drin-gewesen"-Gefühl einfach nicht weg. Und wenn man sich frühere Live-Shows in Erinnerung ruft, etwa unter Zuhilfenahme des Videos von der "Death Or Glory"-Tour, und versucht, die meisten der neuen Songs gedanklich in diese Show mit einzubinden - dann klappt das halt irgendwie nicht...

FAZIT: Eine Riesenenttäuschung ist "Shadowmaker" nicht, dafür sind die Erwartungen an ein neues RUNNING WILD-Album seit gut zehn Jahren aber auch gar nicht mehr groß genug. Um das alte Feuer bei den zuletzt vergrämten Fans wieder neu zu entfachen, reicht diese durchwachsene Songkollektion aber bei weitem nicht aus. Immerhin lässt sich zwischendurch immer wieder erahnen, was vielleicht möglich wäre, wenn Käpt'n Rolf sich doch irgendwann mal dazu durchringen würde, wieder eine feste Crew anzuheuern und Songs mit einer richtigen Band einzuspielen. Oder sollten wir uns einfach endlich damit abfinden, dass die besten RUNNING WILD-Songs eben schon lange geschrieben sind?

8 von 15 Punkten



Review von: Lutz Koroleski (Oger) (Profil)

Ich habe mich für die neue RUNNING WILD interessiert, weil mir die Band bis einschließlich "Death Or Glory" einmal viel bedeutet und auch in der nachfolgenden quasi-ein-Mann-Projekt-Phase noch einige gute Alben veröffentlicht hat. Es war zumindest einigermaßen spannend, ob eines der Idole meiner frühen Metal-Sozialisation nach den letzten eher schwachen Alben noch mal die Kurve bekommt und sich die längere Pause vielleicht doch positiv auf die Kreativität ausgewirkt haben könnte.

Die Antwort war schon nach dem ersten Durchlauf von "Shadowkeeper" klar und sie lautet: Nein.

Hauptkritikpunkt sind die äußerst schwachen Songideen. Während die ersten drei Songs noch ganz gut im Ohr bleiben, ohne freilich einem der früheren Klassiker auch nur im Entferntesten das Wasser reichen zu können, geht dem Album anschließend die Puste aus. Völlig unspektakuläre Standard-Riffs in lauen Midtempo dominieren, dabei klingen die Gitarren absolut harmlos und ohne Biss. Bei einigen Stücken ("Riding On The Tide", "Sailing Fire") blitzen zwar mal gute Ideen auf, aber das war es dann auch schon. Harmlos, manchmal brüchig und fast schon nach altem Mann hört sich der Gesang an. Da ist kein Druck und Feuer dahinter, sondern wirkt als habe Rock´n Rolf keine Lust zum Singen gehabt. Neben einigen beinah schon einschläfernden Songs wie "Into The Black", Shadowmaker" oder "Locomotive" findet sich mit "Me And The Boys" die bisher misslungenste Komposition auf einem RUNNUNG WILD-Album überhaupt. Ziemlich alberner Gute-Laune-Mitklatsch-Glam-Rock, den man kaum ohne fremdschäm-Attacken anhören kann, quasi die dritte Wurzel aus SLADE, ganz scheußlich.

Ein weiterer Kritikpunkt ist – neben der unglaublich egalen Cover-Gestaltung – die Schlagzeug-Arbeit. Ob das ein Computer ist oder ein Mensch aus Fleisch und Blut dieses unglaublich monotone, langweilige und einfallslose Zeug spielt, ist letztlich egal. Fakt ist, auch dieser Aspekt des hoffentlich letzten RUNNING WILD-Albums klingt schlapp und beliebig.

FAZIT: "Shadowkeeper" krankt an den gleichen Symptomen wie etliche seiner Vorgänger. Alleinunterhalter Kasparek sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht und hätte sich für dieses Reunion-Werk besser mal Mitmusiker mit Input gesucht, denn seine eigenen Ideen reichen nicht mal mehr für eine hörbare EP. Letztlich gibt es eine Ansammlung größtenteils absolut durchschnittlicher Songs zu hören, denen man vielleicht zu Gute halten kann, dass sie nicht völlig nach "Altes neu aufgekocht" klingen, aber was nutzt das, wenn es größtenteils einfach stinklangweilig ist? Eben, nichts. Als Bewertung gibt es die gleiche Punktzahl wie für das genauso überflüssige THE GATE-Album von Rolfs ehemaligen Mitstreiter Preacher. Ab aufs Altenteil mit den Feierabend-Piraten. 

5 von 15 Punkten


Review von: Lothar Hausfeld (Profil)

Es gibt zwei Varianten, sich auf die "Comeback"-Scheibe von RUNNING WILD vorzubereiten. Möglichkeit 1: Man hört alte CDs aus den 80er und 90er Jahren, erfreut sich an den zahlreichen Perlen, die Rolf Kasparek (und die damals noch vorhandene Band) produziert hat. Möglichkeit 2: Man hört Vollkatastrophen der jüngeren Historie, so wie "Rogues En Vogue" etwa, und hat im Grunde genommen mit dem Kapitel RUNNING WILD innerlich schon abgeschlossen.

Nun, ich habe mich für Variante 1 entschieden, mich durch "Port Royal", "Death Or Glory", "Black Hand Inn" bis hin zu "Masquerade" gehört und dabei mal wieder festgestellt, wie hoch die Zahl der unsterblichen Klassiker der Piratenmetaller ist. Und dann das erste Mal "Shadowmaker" aufgelegt. Und war 52 Minuten später erst einmal (fast schon erwartungsgemäß) tief enttäuscht. Ein furchtbar steriles und monotones Schlagzeug, ein merkwürdig dünner Gitarrensound, Songs ohne Dynamik – das soll also eines der besten Alben der Bandgeschichte sein, wie angeblich aus dem Umfeld von Bandleader Rolf Kasparek verlautete?

Nun soll man mit solchen im Vorfeld einer Albumveröffentlichung getätigten Aussagen ja vorsichtig sein. Und auch nach mittlerweile gut 30 Umdrehungen ist "Shadowmaker" von der Band-Top-5 ungefähr so weit weg wie Griechenland vom Haushaltsüberschuss, doch ehrlicherweise muss man sagen: Die Scheibe wächst. Sie wächst, wenn man die Klassiker ausblendet, jene raumfüllenden Riffwände mit Kraft, Dynamik und Schwere. Dann findet man auf "Shadowmaker" einige Songs, die gut sind, einige sogar besser sind als vieles, was RUNNING WILD in den letzten zehn Jahren veröffentlicht haben.

Zu den Highlights zählen der Opener "Piece Of The Action", ein simpler Rocker, "Riding On The Tide", das die Piratenthematik wieder aufgreift und ein paar typische RUNNING-WILD-Riffs enthält, das flotte "I Am Who I Am", das extrem ungewöhnliche, extrem eingängige und eher an TWISTED SISTER erinnernde "Me And The Boys" (freilich mit "Let’s rock"-Lyrics der gehobenen FREEDOM-CALL-Kategorie zum Fremdschämen), der Titeltrack mit etwas höherer Geschwindigkeit und das abschließende "Dracula", das die interessanteste Gitarrenarbeit der Scheibe aufweist.

Das ist natürlich ein bisschen dünn, so insgesamt betrachtet. Gut, man muss Rolf Kasparek mehrere Sachen zugutehalten: "Shadowmaker" ist ein durchaus mutiges Album, weil der Bandleader sich nicht um die Erwartungshaltung der Fans kümmert. Es klingt ungewöhnlich unverkrampft, locker, spontan. Geändert hat sich auch der Gesangsstil des Frontmanns, der nun deutlich höher als auf früheren Alben singt. Allerdings verzichtet der Chef nicht nur auf den früher reichlich vorhandenen Hall, sondern auch auf ein gutes Stückchen Power und Dynamik. So lakonisch, wie er beispielsweise den Text zu "Locomotive" runterleiert, könnte man meinen, er wäre eher gelangweilt. Und dass einiges von dem Songmaterial spontan entstanden ist, bedeutet auf der anderen Seite, dass manche Songidee doch noch einer etwas intensiveren Überarbeitung bedurft hätte. Hatten wir schon das furchtbar monotone und abwechslungsarme Schlagzeug? Man darf es durchaus noch ein zweites Mal erwähnen, denn – egal, ob Mensch oder Maschine dafür zuständig ist – das klingt so einfallslos und variantenarm, dass es manches Mal schmerzt.

FAZIT: Auch bei der Beurteilung gibt es zwei Möglichkeiten. Legt man die Alben bis "Masquerade" zugrunde, ist "Shadowmaker" kaum mehr als ein laues Lüftchen, ein halbgarer Aufguss ohne Durchschlagskraft und Energie. Im Vergleich zu "Rogues En Vogue" – Möglichkeit Nummer zwei der Maßstabslegung – klingt der Schattenmacher teilweise frischer, spontaner, unverkrampfter, ehrlicher. Um zum Ende zu kommen: Manches auf "Shadowmaker" ist gut, manches ist Durchschnitt, manches ist richtig belanglos. Und das ist, immerhin waren RUNNING WILD mal eine echte Institution, unterm Strich einfach viel zu wenig. 

8 von 15 Punkten

Durchschnittspunktzahl: 7,57 von 15 Punkten

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Andreas Schulz (Info)