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Kultur, Kosten, Wirtschaftlichkeit


Museen und Kulturpolitik in Köln: Kleinkrämerei mit falschen Zahlen

Zur "Abrechnung" der Sonderausstellungen der Kölner städtischen Museen

Ärgerlich, wenn so offensichtlich mit falschen Zahlen operiert wird. 98.000 € Gewinn ergaben die Sonderausstellungen der Kölner städtischen Museen, sagt der Bericht des Kulturdezernats an den Kulturausschuss (Ratsvorlage  3252/2016 vom 07.11.2016). Allerdings erkauft mit 1,3 Millionen € aus dem Haushalt: wo bleibt da der Gewinn? Auch wenn es gut angelegtes Geld ist, darf man die Bürger nicht mit einer solchen Rechenschaftslegung täuschen. Und der Kulturpolitik hilft derartiges "Controlling " auch nicht: der Aufgabe, knappe Finanzmittel so zu verwalten, dass der größte Nutzen für die Stadt Köln und ihre Kultur entsteht.

Im Detail wird dann auch noch für die einzelnen Sonderausstellungen ausgerechnet, was angeblich Gewinn oder Verlust ist: 3.400 € „Gewinn“ erwirtschaftete angeblich die Sonderausstellung „Ludwig goes Pop“, bei einem Gesamtaufwand von 774.000 €, das sind also 0,44 % – ein Ergebnis im Bereich der Fehlergrenze. Und außerdem falsch, denn die 60.000 € Haushaltsmittel hat man bei dieser Berechnung “vergessen“. Statt eines Gewinns für den Haushalt kostete die Sonderausstellung den Steuerzahler immer noch knapp 57.000 €. 

Als Gewinn oder Verlust wird ausgewiesen, was in Wahrheit nur die Differenz zwischen geplanten Zuschüssen und dem endgültigen Zuschussbedarf ist. Lediglich beim Römisch-Germanischen Museums gab es tatsächlich einen Überschuss, aber nicht 231.000 €, denn davon müssen die 163.000 € aus dem Haushalt abgezogen werden, bleiben nur 68.000 € als Netto-Erträge für den Steuerzahler.

1,3 Mio. Euro für Sonderausstellungen also statt netto ein Ertrag: Gut angelegtes Geld, denn die Museen leisten Hervorragendes. Aber diese Art von Aufrechnung angeblicher wirtschaftlicher Erfolge oder Mängel wird weder der Arbeit der Museen noch der finanziellen Verantwortung für Steuergelder gerecht. Das ist nicht mal ansatzweise Kulturpolitik und Controlling als (am Gemeinwohl orientierte) Steuerungsunterstützung. Denn der Erfolg der Ausstellungen ist wohl nicht daran zu messen, ob man die Plandaten eingehalten hat: da wird bestraft, wer knapp, und belohnt, wer eher großzügig kalkuliert hat. Und dann auch noch mit Ergebnissen im Bereich der Fehlergrenze: 0,44% weniger ausgegeben als geplant wird als "Gewinn" verbucht (so bei "Ludwig goes Pop"). 

Die Kulturpolitik der Stadt Köln sollte endlich anfangen, geeignete Steuerungsinstrumente und Konzepte zu entwickeln. Weder Leitbild 2020 noch Kulturentwicklungsplan sind dafür brauchbar: außer unrealistischen Wünschen ist ihnen wenig Realitätsgerechtes zu entnehmen. Und Minimalkorrekturen, zum Beispiel - aufgrund meiner Einwände - die Entfernung unbrauchbarer Daten über die angeblichen Kosten pro Museumsbesucher (1.000 € pro Besucher des MAK) sind nicht mal Schneckentempo auf dem Weg zu einer rationalen Kulturpolitik. Da wäre es schon eher ratsam, den Verantwortlichen (hier: den Museen) freie Hand zu lassen dafür, das Beste aus den bereitgestellten Mitteln zu machen. Das wäre dann wirklich modernes, gutes Verwaltungsmanagement!

Dr. Burkhardt Krems, Köln, 26.11.2016

Quellen: 

 Die Daten für ausgewählte Ausstellungen:

Sonderausstellungen 2014/2015 (Auswahl)

Quelle: Ratsvorlage 3252/2016 vom 07.11.2016, Anlage 1

Museum Ludwig

Ausstellung

Kosten

Erlöse

Kosten-
deckung

Ergebnis
lt. Vorlage

Etat-Mittel

Ergebnis
real

zahlende
Besucher

Zuschuss/
zahl.Bes.

Sigmar Polke

1.544.737

1.353.410

88%

-71.327

120.000

-191.327

53.368

3,6

Danh Vo

164.644

138.574

84%

48.930

75.000

-26.070

20.826

1,3

Joan Mitchell

579.143

527.308

91%

8.165

60.000

-51.835

34.343

1,5

Ludwig goes Pop

774.748

718.152

93%

3.404

60.000

-56.596

49.855

1,1

Andrea Büttner

147.989

107.695

73%

-4.794

35.500

-40.294

74.362

0,5

Summe  

3.211.261

2.845.139

89%

-15.622

350.500

-366.122

232.754

1,6

RGM

Agrippina

140.867

105.305

75%

9.938

45.500

-35.562

42.122

0,8

Medicus

38.094

98.892

260%

148.298

87.500

60.798

49.446

-1,2

Skulpturen

39.063

82.215

210%

73.152

30.000

43.152

37.600

-1,1

Summe  

218.024

286.412

131%

231.388

163.000

68.388

129.168

-0,5

MAK

Legendäres Radio Design

176.015

63.214

36%

-29.301

83.500

-112.801

5.670

19,9

Look! Modedesigner…

138.829

105.323

76%

36.494

70.000

-33.506

11.929

2,8

Systemdesign

135.776

110.873

82%

15.097

40.000

-24.903

6.409

3,9

Summe  

450.620

279.410

62%

22.290

193.500

-171.210

24.008

7,1



Kultur wird teuer gerechnet - Version 1.2 - http://goo.gl/WDEe8p

Die erstaunlichen Folgen "betriebswirtschaftlichen" Rechnens der Kommunalverwaltung

Die Kultur finanziert einen Teil des Gewinns der Gebäudewirtschaft. Und ein Museum wird für erfolgreiches Einwerben von Schenkungen „bestraft“, indem man ihm dafür 6,5% kalkulatorische Zinsen als Kosten berechnet.

Auch unsere kulturellen Einrichtungen werden im Haushalts- und Rechnungswesen nach den dort eingeführten Regeln behandelt und sind zum Teil "Kunden" der Gebäudewirtschaft. Das hat erstaunliche Ergebnisse, weil man mit fiktiven Kosten rechnet, die tatsächlich nicht entstehen:  

  • Abschreibungen nach dem "Wiederbeschaffungswert", also nicht danach, was Gebäude, technische Anlagen usw. einmal tatsächlich gekostet haben. Selbst abbruchreife Gebäude oder schrottreife Technik werden abgeschrieben, als wären sie niegelnagelneu. Begründung: es müssten die Gelder für die Erneuerung "angespart" werden. 

Nur dass unsere kulturellen Einrichtungen von diesem Ansparen nichts haben: wenn es zu Sanierung oder Neubau kommt, werden ihnen die Kosten erneut in Rechnung gestellt. Dabei sind doch jahrelang über erhöhte Abschreibungen die Gelder "angespart", und diese Ansparleistung den Museen als Kosten zugerechnet worden? Schlimmstenfalls treten kurzfristig Mängel auf, die einige hunderttausend Euro erfordern, und diese Instandsetzungskosten müssen dann vom Museum "erwirtschaftet" werden. 

Soweit die Abschreibungen nicht unmittelbar in der Produktübersicht ausgewiesen werden, sind sie in der Miete enthalten, die an die Gebäudewirtschaft zu zahlen ist, oder sind Teil der internen Leistungsverrechnung.  
  • Als Ausgleich für die "Kapitalbindung" werden dann aber noch "kalkulatorische Zinsen" zu 6,5% oder mehr berechnet, oder sie werden als Teil der Mieten an die Gebäudewirtschaft gezahlt, obwohl Stadt und Gebäudewirtschaft sich zu weniger als der Hälfte dieses Zinssatzes mit Krediten finanzieren, Kosten in dieser Höhe also nicht entstehen. Soweit das über die Miete an die Gebäudewirtschaft bezahlt wird, führt das zu den Gewinnen der Gebäudewirtschaft, die großenteils an die Stadtkasse abgeführt werden - Gewinne, die sie zu Lasten ihrer Kunden "erwirtschaftet" hat. Denen aber wird vorgerechnet, wie teuer sie sind, dabei fließt ein gut Teil der ihnen zugerechneten Kosten über den Umweg der Gebäudewirtschaft wieder in den Stadtsäckel zurück. Oder diese Kosten werden in der Produktübersicht als KLR-Ergebnisse ausgewiesen. In beiden Fällen tragen diese "Kosten", auch soweit sie gar keine Aufwendungen der Stadt bzw. der Gebäudewirtschaft sind, dazu bei, dass der im Haushaltsplan ausgewiesene "Zuschuss pro Museumsbesuch" bis zu 1.000 Euro beträgt, die Kultur "teuer gerechnet" wird. Die Ergebnisse dieser Rechnungen wies die Stadt auf einer eigens eingerichteten Webseite nach, die Daten sind jetzt integriert in eine umfassendere Darstellung von "Leistungen und Gebühren". Siehe dort zum Beispiel für das Museum Ludwig: "Zuschussbedarf 24 Mio. Euro", das ist das nach den genannten Kriterien ermittelte KLR-Ergebnis, denn der Ergebnishaushalt ergibt nur eine Unterdeckung von 8,5 Mio. Euro: wo kommt die Differenz her? Zum Vergleich der Daten siehe hier.

Aufgrund früherer Berechnungen für die Schulbauten lässt sich abschätzen, dass mindestens 40% der den Museen berechneten Mieten bzw. Abschreibungen und kalkulatorischen Zinsen unberechtigt sind. 

Hier zeigt sich was passiert, wenn man gute Absichten schlecht umsetzt: die Kosten- und Leistungsrechnung und überhaupt das neue Rechnungswesen sind so zu gestalten, wie es den Zwecken und Bedingungen der öffentlichen Verwaltung entspricht. Die Rechnung mit Wiederbeschaffungswerten und kalkulatorischen Zinsen weit über dem realen Zinsniveau hat nämlich einen einfachen, aber unzulässigen und bei der Gebührenkalkulation unsozialen (siehe "60% mehr für eine Wohnung, ab sofort") Zweck: möglichst hohe Einnahmen für den Haushalt zu erzielen. Es geht nicht um die Deckung der wirklichen Kosten der Leistung, des Ressourcenverbrauchs, sondern darum, durch willkürliche Wahl zwischen verschiedenen betriebswirtschaftlichen Gestaltungsmöglichkeiten Gewinne zu erwirtschaften. Nur: das ist gerade nicht der zulässige Zweck eines derartigen kommunalen Rechnungswesens. Denn was betriebswirtschaftlich unter ganz bestimmten Bedingungen im internen Rechnungswesen eines Unternehmen sinnvoll sein mag, das nachhaltig Gewinne erzielen will, gilt noch lange nicht für die öffentliche Verwaltung, die gerade nicht diesen Zweck verfolgt und verfolgen darf, und im Außenverhältnis zum Bürger. Sie darf auch nicht politische Entscheidungen, die erst in Jahren oder Jahrzehnten getroffen werden können, in ihrem Rechnungswesen vorwegnehmen: die Entscheidung über eine Re-Investition.

Zur Klarstellung: Wie die Stadt diesen Bereich ihres Rechnungswesens gestaltet, ist gesetzlich nicht vorgeschrieben, § 18 Abs. 1 Gemeindehaushaltsverordnung, ebenso wenig wie gesetzlich geregelt ist, wie die Gebäudewirtschaft Mieten berechnet. Es ist aber politisch zu verantworten. Und in seinen Konsequenzen ist es an den gesetzlich definierten Zielen des Neuen Kommunalen Finanzmanagements zu messen.  

Burkhardt Krems, 5. Juni 2014/5. Januar 2015

Quellen

Auszüge aus dem Haushaltsplan 2013/14
Produktbereich 4, gekürzt,  mit Anmerkungen und Ergänzungen
Produktbereich 4 vollständig

- Auskunft der Kämmerei zu den KLR-Grundsätzen vom 22.04.2014


Muss die Kultur "politische Kosten" tragen?

Wer trägt sie sonst, wie werden sie verbucht?

"Verlorene" und "politische" Kosten: Kultur und Bildung haben ihren Preis, und das ist gut so: man muss - auch - wissen, was es kostet, damit man mit dem knappen Geld den bestmöglichen Nutzen stiftet. Aber: ist es der richtige Preis, der berechnet wird? Müssen Oper, Theater, Museen, Schulen die Kosten politischer Planungen, Fehlplanungen, Streitigkeiten tragen? Da streitet die Politik über die richtigen Maßnahmen - Sanierung, Neubau, in welcher Größe, allein oder doch kombiniert mit anderen Einrichtungen ... Millionen werden für Entwürfe und Planungen ausgegeben, und dann kommen die Bürger und sagen "Wir wollen es aber anders haben!" Und alle "verlorenen Kosten" werden der Kultur- oder Bildungseinrichtung aufgebürdet, deren Etat die nächsten Jahrzehnte mit Millionen als Abschreibung belastet wird? Der Widerstand gegen "teure" Hochkultur wird damit gefördert, der Kulturetat nur optisch aufgebläht, und auch für Bildung gibt man nur scheinbar viel aus: völlig überhöht berechnete Mieten werden den Schulen und Kitas berechnet, die als Gewinn der Gebäudewirtschaft wieder in den Haushalt zurückfließen.


Bildung: Was wirkt nachweislich?

Was wir aufgrund der internationale Bildungsforschung wissen und praktisch-politisch umsetzen könnten ...


Was kostet ein neues Museum, was der Verzicht? 

Trotz 300 Millionen Defizit pro Jahr soll in Köln ein weiteres Museum für archäologische Funde gebaut werden - gestritten wird auch über die Kosten eines Verzichts


Wirtschaftlichkeit im Kulturbereich - am Beispiel der Kölner Museen

Der Haushaltsplan der Stadt Köln enthält erstaunliche Daten: ein Museumsbesuch kostet die Stadt mindestens 44 Euro, manchmal aber auch mehr als 1.000 Euro? Und die Kennzahlen sind auch noch unbrauchbar - der gesetzliche Auftrag für ein "Neues kommunales Finanzmanagement" wurde nicht erfüllt. Aber niemanden kümmert das? Wie könnte eine gute, das heißt wirkungsorientierte, politische Steuerung und Rechenschaftslegung für Museen aussehen? Erste Ansätze.


Warum wird die Sprachförderung in den Grundschulen nicht systematisch evaluiert?

Wir brauchen eine empirisch fundierte, eine wirkungsorientierte Bildungspolitik!

Heike Schmoll, Bildungsexpertin der FAZ: "Warum gelingt es trotz der vielen Sprachförderprogramme und millionenschwerer Leseprogramme nicht, in den Grundschulen ein tragfähiges Fundament der Sprachbeherrschung zu legen? Die meisten dieser Programme wurden nie auf ihre Wirksamkeit überprüft." Online-Quelle

Und die jüngste umfangreiche Studie, was die Grundschulen leisten, zeigt erschreckende vermeidbare (!) Defizite der Grundschulbildung in den Stadtstaaten und in Hessen, und große Unterschiede in der Förderung schwacher und leistungsstarker Schüler.

Und sie stellt fest: nicht nur ist ungeklärt, ob die zahlreichen Maßnahmen, die es inzwischen gibt, überhaupt wirksam sind, offen ist auch, ob sie überhaupt die Schülerinnen und Schüler erreichen, die Förderung benötigen (Zusammenfassung S. 21).  Mehr ... 



Inhalt

Museen und Kulturpolitik: Kleinkrämerei mit falschen Zahlen

Kulturetat: Auszüge aus dem Haushaltsplan 2013/14
Produktbereich 4, gekürzt,  mit Anmerkungen und Ergänzungen
Produktbereich 4 vollständig

Anmerkungen zum Kulturetat 2013/2014 

"Teure Kultur" - oder nur teuer gerechnet?

Muss die Kultur "politische Kosten" tragen?

Wirtschaftlichkeit im Kulturbereich - am Beispiel der Kölner Museen


Bildung: Was wirkt nachweislich?

Erfolgsgeschichte Bildungsbenchmarking






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