U-Ausschuss: Gerhart Holzinger, der Wutbürger im Talar

U-Ausschuss, Gerhart Holzinger
U-Ausschuss, Gerhart Holzinger(c) Die Presse (Fabian Hainzl)
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Dem Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs reicht es: In einer emotionalen Rede fordert Holzinger Reformen von der Politik ein. Wäre der U-Ausschuss schon ein Minderheitenrecht, hätte man sich viel erspart.

Wien. Eigentlich schien die Pressekonferenz von Gerhart Holzinger schon am Ende. In gewohnt sachlicher Manier hat der Präsident des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) am Mittwochvormittag die aktuellen Entscheidungen vorgestellt. Doch als ein Journalist noch fragt, ob Holzinger zur aktuellen Debatte um einen parlamentarischen U-Ausschuss etwas sagen möchte, wird der Präsident emotional.

Energisch, mit den Händen gestikulierend, ja fast empört spricht Holzinger nun hinter seinem Redepult. Es hat einen Hauch von Giovanni Trapattonis einstiger Wutrede als Bayern-Trainer, nur, dass ein VfGH-Präsident auch mit der Wut im Bauch noch geschliffen formuliert. Holzinger erinnert daran, dass seit vielen Jahren über eine Reform der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse diskutiert wird. Dass die Frage, ob sie ein Minderheitenrecht werden sollen, verschleppt werde. Dass bessere Regeln für die Auskunftspersonen (quasi die Zeugen im U-Ausschuss) nach wie vor auf sich warten lassen. „Man soll das jetzt endlich tun“, appelliert Holzinger. „Der Reformbedarf ist unübersehbar“, setzt er nach. Das ewige Aufschieben sei doch keine Lösung. „Die Probleme werden nicht einfacher.“

Abrechnung mit der Politik

Es ist eine Abrechnung mit der Politik, deren Thema Nummer eins seit Wochen der U-Ausschuss ist. „Die Diskussionen, die derzeit in Österreich diesbezüglich geführt werden, hätte man sich eigentlich ersparen können. Das wäre gut für dieses Land gewesen, und das wäre auch gut für jede einzelne Partei im Nationalrat und für die Regierung gewesen“, sagt der VfGH-Präsident. Bereits 2009 habe das Geschäftsordnungskomitee des Nationalrats Pläne für die Reform vorbereitet. Geschehen sei nichts, prangert der VfGH-Chef an. Wenn der U-Ausschuss bereits ein Minderheitenrecht wäre, hätte man sich aber viel erspart. „Ich gehe davon aus, dass die parlamentarische Minderheit von dieser Möglichkeit Gebrauch machen und einen Untersuchungsausschuss zur Hypo Alpe Adria beantragen würde“, meint Holzinger. Die Politik könnte dann über andere wichtige Themen diskutieren statt ständig nur über die Einsetzung des U-Ausschusses.

Man hat den Eindruck, hier spricht nicht nur ein Höchstgerichtspräsident, sondern auch ein Bürger, der die Nase voll davon hat, dass Reformen verschleppt werden. Selbst will Holzinger nicht mehr mit Tipps für eine U-Ausschuss-Reform zur Verfügung stehen: „Man braucht keine Expertengremien mehr einberufen“, sagt er. Man benötige „keinen Sachverstand mehr“ für eine Reform. Denn alle Pläne würden schon längst in der Schublade liegen. Man müsse sie nur umsetzen.

Aber ja, der VfGH würde – ähnlich wie in Deutschland – zur Verfügung stehen, wenn es grundsätzliche Fragen zum U-Ausschuss zu entscheiden gilt, fährt der Präsident fort. Etwa, wenn geklärt werden soll, ob man auf Bundesebene auch mitprüfen darf, wer in Kärnten für die Hypo-Alpe-Adria-Misere verantwortlich ist. Aber man wolle als Verfassungsgerichtshof nicht „bei jeder kleinen Streiterei“ über geschwärzte Akten eingeschaltet werden. Und was, wenn die Politik Entscheidungen des VfGH zum U-Ausschuss gar nicht wolle? „Wenn man der Meinung ist, dass es nicht so ist: tausend Rosen!“, sagt Holzinger. Nur die Reform solle endlich kommen.

In Deutschland, wo der U-Ausschuss ein Minderheitenrecht ist, funktioniere ja auch alles gut. „Ich habe nicht gehört, dass diese Regelungen in Deutschland zu Verwerfungen im politischen System geführt, die Regierungsfähigkeit infrage gestellt hätten“, argumentiert der Gerichtschef.

Mini-Einigung der Parteien

Die heimischen Parlamentsparteien einigten sich indes nach einem Neos-Vorstoß darauf, die Reform der U-Ausschüsse nicht – wie zunächst von der Koalition angedacht – im Rahmen der Enquete zur Demokratiereform zu diskutieren. Man will nun losgelöst von der Enquete – und dadurch auch schneller – zu einem Ergebnis kommen.

Und Holzinger? Der beendet seine kleine Wutrede nicht etwa in Trapattoni-Manier mit den Worten „Ich habe fertig“, sondern, indem er sich nun wieder ganz ruhig und höflich bei allen fürs Kommen bedankt. Ein VfGH-Präsident ist nun einmal doch kein Fußballtrainer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.04.2014)

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