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Griechenlandkrise Der Grexit bleibt eine Option

Das griechische Parlament hat die ersten Reformgesetze beschlossen. Doch das war nur der erste Schritt. Griechenlands Verbleib im Euro ist lange nicht so sicher, wie viele glauben.
Regierungschef Tsipras und Finanzminister Tsakalotos (l.): Keine eigene Mehrheit mehr

Regierungschef Tsipras und Finanzminister Tsakalotos (l.): Keine eigene Mehrheit mehr

Foto: ALKIS KONSTANTINIDIS/ REUTERS

Griechenlands Gesellschaft und seine Politik pendeln zwischen Extremen. Vor weniger als zwei Wochen lehnte eine 61-Prozent-Mehrheit beim Referendum die Reformforderungen der Geldgeber ab. Jetzt musste derselbe Ministerpräsident Alexis Tsipras, der dem Volk das Nein empfohlen hatte, ein noch schärferes Reformpaket durchs Parlament bringen. Das ist Tsipras zwar gelungen, allerdings nur mit Hilfe der Opposition. 38 Abgeordnete aus seinem Lager verweigerten ihm die Gefolgschaft - Tsipras hat für den Sparkurs keine eigene Mehrheit.

Das alles wäre halb so wild, wenn der Reformweg Griechenlands mit dieser Abstimmung besiegelt wäre. Doch sie war nur ein erster Schritt, die Voraussetzung dafür, dass die Gläubiger überhaupt mit Athen über ein drittes Hilfspaket verhandeln. Bis zum 22. Juli muss Tsipras' Regierung, wie auch immer sie dann aussehen wird, zwei weitere Reformvorhaben von den Abgeordneten absegnen lassen.

Wer nach der Einigung auf dem letzten Eurogipfel und der Zustimmung des griechischen Parlaments zum Reformpaket glaubt, die Gefahr des Grexit sei gebannt, könnte sich noch wundern.

Denn erst nach dem 22. Juli soll es - vorausgesetzt Tsipras bekommt auch die nächsten Reformen durchs Parlament - eine Vereinbarung mit den Geldgebern geben. In der muss sich Athen zu einer langen Reihe weiterer Reformen verpflichten. Darunter befinden sich der Umbau des Rentensystems bis Oktober, die Modernisierung des Arbeitsmarkts inklusive der Abschaffung vieler Regulierungen wie etwa zur Sonntagsarbeit sowie die Reform der Verwaltung, womöglich mit Entlassungswellen.

All das muss die griechische Regierung Punkt für Punkt umsetzen. Tut sie es nicht, ist das neue Hilfspaket, das den Verbleib des Landes im Euro sichern soll, gefährdet. Und man darf getrost davon ausgehen, dass Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble - der einen Grexit weiterhin für die beste Lösung hält - sehr genau darauf achten wird, ob Athen einen der Reformschritte auslässt.

Als ob das alles noch nicht genug wäre, gibt es auch massiven Ärger im Lager der Gläubiger. Der Internationale Währungsfonds hält die Schuldenlast Griechenlands schon länger für nicht tragbar. Diese Woche drohte der IWF nun sogar öffentlich damit, die Verhandlungen über das dritte Hilfsprogramm zu verlassen, sollte es nicht zu einer Verringerung der griechischen Schuldenlast kommen - was die anderen Geldgeber strikt ablehnen, allen voran die Bundesregierung.

Erinnert sich noch jemand an die politischen Dramen, die sich in Deutschland rund um die Agenda 2010 des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder abgespielt haben? Nun muss Griechenland ein viel härteres Reformprogramm umsetzen, unter einer Regierung ohne eigene Mehrheit und der ständigen Gefahr einer wirtschaftlichen Katastrophe.

Die Gegner eines Grexit haben in Brüssel und Athen zwei Schlachten gewonnen. Der Krieg aber ist noch lange nicht entschieden.