ZEIT ONLINE: Frau Dannemeyer, Sie haben eine Methode entwickelt, mit der Menschen Krisensituationen besser meistern und die besonders Führungskräften und Teams dabei hilft, näher zusammenzurücken und gemeinsam Probleme zu lösen. Wie funktioniert das?


Petra Dannemeyer: Zunächst klären wir, was jemand will und wo sein Ziel ist. So banal es klingt, für viele ist genau das fremd. Eine weitere wichtige Frage ist: Warum will ich, was ich will? Denn wir werden von Werten getragen. Daher ist es notwendig, zu schauen, welche Werte mich beeinflussen. Wer permanent gegen seine eigenen Werte handelt, setzt sich dauerhaftem Stress aus, und dieser macht bekanntlich krank. Das kann zum Beispiel ein Grund sein, warum man dauerhaft unzufrieden mit seinem Job ist.

Eine weitere Frage ist: Gebe ich mir überhaupt die Erlaubnis, mein Ziel zu verfolgen? Im Weg steht uns dabei häufig der Aspekt, was andere darüber denken. Hier müssen vor allem Führungskräfte sich selbst die emotionale Freiheit geben, ihr Ziel zu verfolgen. Treten Probleme auf, müssen diese analysiert und eine Handlungsstrategie entwickelt werden. Dazu gehört auch ein Plan, wie man mit Hindernissen umgeht. Die Idee ist letztlich, individuell zu schauen, welche Bedürfnisse existieren, um dann eine persönlich zugeschnittene Lösung auszuarbeiten. Das erfordert aber ein neues Verständnis von Führung und auch, die Mitarbeiter als Menschen und nicht nur als Arbeitskräfte zu betrachten. Wir nennen das die Perspektiven-Methode, weil sie neue Perspektiven schafft. Dazu gehört auch, dass jeder zum Erreichen eines Ziels seinen eigenen Weg gehen darf. Denn es geht ja um das Ziel – und nicht um den Weg dahin.

ZEIT ONLINE: Lässt sich dieser Führungsstil einfach lernen?

Dannemeyer: Es erfordert schon etwas Mut und Kraft. Gut ist es, die Unterstützung von einem Trainer zu haben. Viele Führungskräfte wissen ja gar nicht, welchen Führungsstil sie anwenden. Sie bekommen ohnehin selten ehrliches Feedback, schätzen ihr Verhalten auf andere häufig falsch ein. Viele Menschen werden irgendwann auf eine Führungsposition befördert, weil sie fachlich gut sind. Sie führen dann auf einmal Teams an und verlassen sich dabei auf ihr Bauchgefühl. Oft agieren solche Chefinnen und Chefs dann in Verhaltensmustern, die sie selbst bei anderen Führungskräften beobachtet haben. Mehr Handlungsspielraum hat aber, wer verschiedene Führungsstile kennt, weil er zwischen den Stilen wechseln kann. Damit hat man mehr Möglichkeiten und baut eine echte Beziehung zu seinen Mitarbeitern auf.

ZEIT ONLINE: Wie profitieren Führungskräfte von Ihrem Ansatz in einer Krise?

Dannemeyer: Sie lernen auf diese Weise Zustandsmanagement und bleiben auch bei großem Stress arbeitsfähig. In persönlichen Krisen neigt der Mensch dazu, in alte Muster zu verfallen, da sie jahrelang funktioniert haben – auch, wenn sie nicht positiv waren. Der Grund ist ganz simpel: Krisen erschüttern die Stabilität. Dann wählen wir lieber ein Verhalten, das wir schon kennen, als etwas Neues auszuprobieren.

Ein Ansatz ist dabei, in einer Krise nicht zu kritisieren, sondern zu loben. Leider herrscht in Deutschland eine ausgeprägte Kritikkultur und eine stark unterentwickelte Lobkultur. Doch gerade in schwierigen Situationen müssen Mitarbeiter gestärkt werden. Sie müssen wissen, dass der Chef ihnen vertraut. Und dass das Team zusammensteht.

ZEIT ONLINE: Was haben die Teams davon?

Dannemeyer: Teams agieren in Strukturen, sie werden sowohl von Einzelpersonen als auch von der Gruppe beeinflusst. Wenn den Mitarbeitern ein Leitbild oder eine Vision und im schlimmsten Fall auch noch Lob und Anerkennung fehlen, schwindet auch die Motivation. Und wenn dann noch ein Problem von außen kommt, ist das Team nicht mehr in der Lage, sein Potenzial zu entfalten, geschweige denn Lösungen für Konflikte in der Gruppe zu erarbeiten. Bei unserer Methode rückt jeder einzelne Mitarbeiter in den Fokus, und sein Wohlbefinden. Denn viele fragen sich, was sie – außer vielleicht ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtung – mit den Unternehmenszielen zu tun haben oder warum sie immer weiter die Kennziffern steigern sollen. Es ist doch schade, einen Großteil seiner Lebenszeit damit zu verbringen, für solche Ziele zu arbeiten. Wir glauben, dass es möglich ist, Arbeitsbedingungen zu schaffen, in denen sich jeder wertgeschätzt fühlt und sich der Wert des Einzelnen mit dem des Teams verbindet. Eine Arbeitswelt mit Ellenbogenmentalität ist nämlich kein Naturgesetz.

ZEIT ONLINE: Aber oft kann ja eine kleine Abteilung nicht die großen Ziele eines Unternehmens verändern.

Dannemeyer: Aber das Team kann zusammen mit seinem Chef das Klima verändern, in dem es selbst arbeitet. Auch wenn vielleicht das Ziel, eine Benchmark zu erreichen, für ein Team insgesamt keinen ideellen Wert darstellt, so kann es dennoch der Zusammenhalt in der Gruppe sein. Dafür lohnt es sich, die Denkweise und den Umgang miteinander zu verändern. Die Grenzen unseres Ansatzes sind nur dann erreicht, wenn die Menschen nicht mit ihrem Herzen dabei sind. Denn alle Veränderungen gehen von einem selbst aus. Und alles, was man erwartet, muss man erst einmal selbst erfüllen.