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Geheime BND-Studie Amerikas Öl verändert die Welt

Neue Gas- und Ölvorkommen machen die USA unabhängig vom Nahen Osten. Die Politik des Landes in der Golfregion wird das radikal verändern. Zu diesem Schluss kommt eine vertrauliche Studie des Bundesnachrichtendienstes. China wäre der große Verlierer - Deutschland zähle zu den Gewinnern.
Präsident Obama in New Mexico (im März 2012): Ölvorkommen ändern US-Strategie

Präsident Obama in New Mexico (im März 2012): Ölvorkommen ändern US-Strategie

Foto: ? Jason Reed / Reuters/ REUTERS

Berlin - Die vertrauliche Studie des Bundesnachrichtendienstes, über die die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, kommt zu dem Schluss, dass die USA wegen des neuen Gas- und Ölreichtums das Interesse an der Golfregion verlieren werden. Durch die riesigen Schiefergas- und Ölfunde würden die Vereinigten Staaten bis 2020 vom größten Energieimporteur der Welt zu einem Exporteur. Dadurch ändere sich auch das Machtgefüge zwischen der Supermacht und dem aufstrebenden China.

Hintergrund ist der Einsatz des sogenannten Fracking. Mit dieser neuen Technologie ist es möglich, verstärkt Gas und Öl in den USA zu produzieren, etwa in North Dakota oder Texas. Dabei wird Schieferöl und -gas durch Horizontalbohrungen unter Einsatz von hohem Druck, Chemikalien und Wasser aus dem Schiefergestein gelöst. Die Funde sind nach Einschätzung der Internationalen Energieagentur (IEA) so groß, dass die USA Russland und Saudi-Arabien bis 2020 als größte Ölproduzenten einholen könnten.

Umwälzungen auf den weltweiten Energiemärkten erwarten Experten durch die Funde in den USA schon seit längerem. In der BND-Studie analysieren die Autoren nun auch die gravierenden wirtschaftlichen, finanziellen und geostrategischen Folgen. Laut dem Reuters-Bericht sind vor allem die Folgen für die internationalen Beziehungen und das Machtgefüge zwischen den USA und China dramatisch:

  • Die USA hätten sich bisher politisch und militärisch deshalb so massiv im Nahen und Mittleren Osten engagiert, weil sie von den dortigen Energielieferungen abhängig gewesen seien. Bald könnten die Vereinigten Staaten aber komplett auf Lieferungen aus der Region verzichten, sagt die BND-Studie voraus. Damit werde "die außen- und sicherheitspolitische Handlungsfreiheit" für die Regierung in Washington erheblich zunehmen. Unter anderem verliere die von Iran angedrohte Sperrung der Straße von Hormus deshalb für die Amerikaner an Schrecken, weil die Versorgung des Landes künftig nicht mehr von Lieferungen der arabischen Staaten abhängig sei.
  • Großer Verlierer der Entwicklung könnte dagegen China sein, prognostiziert die Studie. Denn das Land werde mit seinem ungebremsten, wachsenden Rohstoffbedarf künftig die Hälfte des arabischen Öls abnehmen. Damit aber nehme die Abhängigkeit von der Golfregion in einer Zeit zu, in der China noch nicht über genügend militärische Mittel verfüge, die für sie wichtigen Transportwege auch zu schützen. Bisher, so schreiben die Autoren, sicherten vor allem die Milliardeninvestitionen der USA in ihre weltweit agierende Flotte die Sicherheit und Freiheit der Handelswege. Davon profitiere vor allem auch China. Mit dem immer weiter abnehmenden Interesse an der Sicherheit der Rohstofflieferungen etwa aus Saudi-Arabien dürfte aber im Gegenzug in Washington die Bereitschaft sinken, immer neue große Milliardenbeträge in die militärischen Kapazitäten für diese Region zu stecken. "Die Verwundbarkeit chinesischer Energieversorgungsrouten" werde also wachsen und der Handlungsspielraum der USA gegenüber dem potentiellen Rivalen erheblich zunehmen.
  • Weitere Verlierer durch die Entwicklung der Schiefergas-Technologie und die Erschließung neuer Ölvorkommen seien etwa die Opec-Länder und vor allem Russland. Bei den Opec-Ländern sinke die Marktmacht, weil die USA bis 2020 weltweit größter Öl-Förderer werden könnten.
  • Russland wiederum muss als einer der Hauptlieferanten für Europa mit neuer Konkurrenz rechnen, weil etwa Deutschland seinen Bedarf an fossilen Rohstoffen zunehmend aus Ländern decken könnte, die bisher die USA beliefern, wie Nigeria. Die sinkende Nachfrage aus den USA führt bereits jetzt zu einem steigenden Überangebot von Gas und Öl auf den Weltmärkten und zu einem erheblichen Preisverfall. "Deutschland dagegen zählt zu den Gewinnern und dürfte seine Energieversorgungssicherheit deutlich erhöhen können", heißt es gleichzeitig.

Der BND erwartet auch, dass sich als Folge der Eigenproduktion von Öl und Gas die Wettbewerbsfähigkeit der zuletzt angeschlagenen US-Wirtschaft wieder verbessern wird. Bis zum Jahr 2020 wird in den Vereinigten Staaten mit rund drei Millionen neuen Arbeitsplätzen gerechnet, auch deshalb weil Strom deutlich günstiger werde als etwa in Deutschland. Für energieintensive Unternehmen werden die USA deshalb als Standort attraktiv. Der Gaspreis ist nach Angaben von Experten noch stärker gesunken.

Erstmals hätten die USA wegen der drastisch sinkenden Importe und der steigenden Exporte von fossilen Rohstoffen sogar eine Chance, ihr riesiges Handels- und Leistungsbilanzdefizit wieder in den Griff zu bekommen. Bis 2020 dürfte sich das Defizit halbieren, was die Rolle des Dollars als weltweite Leitwährung festigen werde, schreiben die Autoren der Studie.

fab/Reuters