Mit rumpelndem Rucken setzt sich der Doppeldecker-Zug an der Caltrain-Station in San Francisco gemächlich in Bewegung. Lautstark, mit einer unübersehbaren Rußfahne, wuchten gigantische Dieselaggregate das silbern glänzende Wagengespann Richtung Süden, ins 77 Kilometer entfernte San Jose. Dort wird der Zug rund 100 Minuten später eintreffen.

Geht es nach dem Willen des kalifornischen Senats, wird im Jahr 2029 eine neue, elektrifizierte Schnellfahrstrecke die Fahrzeit auf 30 Minuten verkürzen. Der Hochgeschwindigkeitszug würde danach richtig Fahrt aufnehmen und mit über 250 km/h das kalifornische Herzland durchqueren. Gute zwei Stunden später liefe er dann im 530 Kilometer entfernten Los Angeles in die traditionsreiche Union Station ein. 68 Milliarden Dollar (50 Milliarden Euro) soll das Mammutprojekt kosten. Der Zug könnte die überfüllten Lufträume über Los Angeles und San Francisco entlasten und Wachstum und Arbeitsplätze in das landwirtschaftlich geprägte Zentralkalifornien bringen.

So weit die Theorie. Die Praxis sieht düster aus. Richter Michael Kenny vom County Supreme Court in der kalifornischen Hauptstadt Sacramento untersagte jetzt dem Bundesstaat den Verkauf von Anleihen im Wert von acht Milliarden Dollar, mit denen im Frühjahr 2014 der Trassenbau begonnen werden sollte. Bei der Finanzierung seien fundamentale Fehler gemacht worden, beschied Kenny. So sei es versäumt worden, andere Finanzierungsoptionen zu prüfen. Es gebe keine andere Rechtfertigung für die Ausgabe der Anleihen, als dass die Betreibergesellschaft es so wolle.

Die Gegner des Projekts jubeln. Der republikanische Kongressabgeordnete Kevin McCarthy konstatiert: "Die staatliche Rail Agency hat komplett darin versagt, einen realistischen Finanzierungsplan auszuarbeiten." Er werde weiter alles unternehmen, um das Projekt zu stoppen. Der Chef der Betreibergesellschaft, Dan Richard, gibt sich zwangsoptimistisch. Man werde die nächsten Schritte prüfen, um die Anforderungen des Gerichts zu erfüllen. Doch das wird nicht gelingen, glaubt Michael Brady, Anwalt der siegreichen Partei: "Das könnte der endgültige Stolperstein sein, den der Staat nicht mehr ausräumen kann", gibt er sich zuversichtlich.

Mit 56 km/h durch die Lande

Kalifornien ist der einzige Bundesstaat der USA, der überhaupt noch ein eigenes Schnellzug-System aufbauen will. Alle anderen haben solche Pläne längst beerdigt. Verrottende Infrastruktur – von Brücken und Straßen bis zu Abwasserkanälen – ist ein großes Problem der USA. Auch die Eisenbahnen gehören dazu. Sie sind nur noch ein Schatten ihrer Selbst. Hatten sie im 19. Jahrhundert die Erschließung des Landes erst möglich gemacht, sank ihr Stern im 20. Jahrhundert, als Auto und Flugzeug ihre Aufgaben übernahmen.

Auf der Langstrecke gibt es heute praktisch nur noch Frachtverkehr. Die Durchschnittsgeschwindigkeit US-amerikanischer Züge liegt bei 56 km/h, während rund um die Welt von China über Japan und Frankreich bis Deutschland die Geschwindigkeitsrekorde auf Schienen purzeln. Der einzige "Schnellzug", der Amtrak Acela Express zwischen Boston und Washington, kommt dank Neigetechnik auf eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 109 km/h. Er teilt sich aber die Schienen mit den Frachtzügen. Der Fernverkehr-Anbieter Amtrak besitzt keine eigenen Schienenstrecken, ist nur widerwillig geduldeter Gast auf den Linien der Güterverkehrsunternehmen, die zudem nur selten elektrifiziert sind.

Die Befürworter des so genannten Bullet-Trains in Kalifornien verweisen auf die Bedeutung der Infrastruktur vor allem für das strukturschwache Mittelkalifornien. Anders als im Norden mit dem Silicon Valley oder im Süden mit der Medienmetropole Los Angeles ist hier die Arbeitslosigkeit hoch, die Industrieansiedlung schwach. Nur allein der Bau eines ersten 210 Kilometer langen Gleisabschnitts in Mittelkalifornien zwischen Merced und Bakersfield werde nach Berechnungen der Betreibergesellschaft High-Speed-Rail-Authority 20.000 Arbeitsplätze über fünf Jahre schaffen.