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Papst kritisiert Konsumismus, Krise der Familie, Arbeitslosigkeit

8. Juli 2015 in Weltkirche, keine Lesermeinung
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Gelingendes Familienleben ist Vorbild für das gesellschaftliche Zusammenleben, betonte Papst Franziskus in seiner Rede vor den Vertretern der Zivilgesellschaft


Quito (kath.net) „Die Migration, die städtische Konzentration, der Konsumismus, die Krise der Familie, der Mangel an Arbeit, die Börsen der Armut – diese Phänomene schaffen eine Ungewissheit und erzeugen Spannungen, die für das gesellschaftliche Zusammenleben bedrohlich werden.“ Dies sagte Papst Franziskus am Dienstag in seiner Rede in der Franziskanerkirche von Quito/Ecuador vor den Vertretern des zivilen Lebens.

kath.net dokumentiert die Papstansprache

Liebe Freunde,

Es freut mich, hier bei Ihnen sein zu können, Männer und Frauen, die das soziale, politische und wirtschaftliche Leben des Landes vertreten und es voranbringen.

Gerade bevor ich die Kirche betreten habe, überreichte mir Herr Bürgermeister die Schlüssel der Stadt. So kann ich behaupten, dass ich hier in San Francisco de Quito zu Hause bin. Ihr Beweis von Vertrauen und Zuneigung, mir die Türen zu öffnen, gibt mir Gelegenheit, Ihnen einige Schlüssel aufzuzeigen für das bürgerliche Zusammenleben, ausgehend vom Familienleben.

Unsere Gesellschaft gewinnt, wenn jede Person, jede soziale Gruppe sich wirklich zu Hause fühlt. In einer Familie sind die Eltern, die Großeltern, die Kinder zu Hause; keiner ist ausgeschlossen. Wenn einer eine Schwierigkeit hat, sogar eine gravierende, kommen die anderen ihm zu Hilfe und unterstützen ihn, selbst dann, wenn er sie selbst „eingebrockt“ hat. Sein Leid ist das von allen. Müsste es nicht in der Gesellschaft auch so sein? Und dennoch, unsere sozialen Beziehungen oder das politische Spiel basieren oft auf Konfrontation und Ausschließung. Meine Position, meine Idee, mein Vorhaben wird ausgebaut, wenn ich fähig bin, den anderen zu besiegen, mich durchzusetzen. Ist das Familie? In den Familien tragen alle zum gemeinsamen Vorhaben bei, alle arbeiten für das gemeinsame Wohl, aber ohne den Einzelnen „auszuhebeln“. Im Gegenteil, sie stützen und fördern ihn. Die Freuden und die Leiden eines jeden machen sich alle zu Eigen. Das ist Familie! Könnten wir doch den politischen Gegner, den Hausnachbarn mit den gleichen Augen sehen wie wir unsere Kinder, die Ehefrau oder den Ehemann, den Vater oder die Mutter sehen! Lieben wir unsere Gesellschaft? Lieben wir unser Land, die Gemeinschaft, die wir aufzubauen versuchen? Lieben wir sie in den gelehrten Theorien, in der Welt der Ideen? Lieben wir sie mehr mit Taten als in Worten! In jeder Person, im Konkreten, im Leben, das wir teilen. Die Liebe strebt immer nach Kommunikation, niemals nach Isolierung.

Aus dieser Zuneigung wachsen einfache Gesten, die die persönlichen Bande verstärken. Bei verschiedenen Gelegenheiten habe ich von der Bedeutung der Familie als Zelle der Gesellschaft gesprochen. Im familiären Bereich empfangen die Menschen die grundlegenden Werte der Liebe, der Brüderlichkeit und der gegenseitigen Achtung, die sich in wesentlichen sozialen Werten niederschlagen: der Unentgeltlichkeit, der Solidarität und der Subsidiarität.


Für die Eltern sind alle ihre Kinder gleich liebenswert, auch wenn jedes seinen eigenen Charakter hat. Wenn dagegen das Kind sich weigert zu teilen, was es umsonst von ihnen erhält, bricht diese Beziehung. Die Liebe der Eltern hilft ihm, sich von seinem Egoismus zu lösen, damit es lernt, mit den anderen zusammenzuleben, zu verzichten, um sich dem anderen zu öffnen. Im sozialen Bereich bedeutet das, anzunehmen, dass die Unentgeltlichkeit keine Ergänzung, sondern die notwendige Voraussetzung für die Gerechtigkeit ist. Das, was wir sind und haben, ist uns anvertraut, damit wir es in den Dienst der anderen stellen. Unsere Aufgabe besteht darin, es Frucht bringen zu lassen in guten Werken. Die Güter sind für alle bestimmt, und auch wenn einer ihren Besitz vorweist, lastet auf ihnen eine soziale Hypothek. So wird das wirtschaftliche Konzept Gerechtigkeit, das auf dem Prinzip von An- und Verkauf beruht, durch das Konzept der sozialen Gerechtigkeit überwunden, das das grundlegende Recht der Person auf ein würdiges Leben verteidigt.

Die Nutzung der natürlichen Ressourcen, die in Ecuador so reichlich vorhanden sind, darf nicht den unmittelbaren Profit suchen. Verwalter dieses Reichtums zu sein, den wir empfangen haben, verpflichtet uns gegenüber der Gesellschaft in ihrer Gesamtheit und gegenüber den künftigen Generationen, denen wir dieses Erbe nicht hinterlassen dürfen ohne eine angemessene Sorge für die Umwelt, ohne ein Bewusstsein der Unentgeltlichkeit, das aus der Betrachtung der Welt als Schöpfung hervorgeht. Hier begleiten uns heute Schwestern und Brüder aus den Völkern der Ureinwohner, die aus den Amazonasgebieten Ecuadors stammen. Jene Region gehört zu den artenreichsten Zonen mit heimischen, seltenen oder weniger wirksam geschützten Arten … Sie bedarf einer besonderen Sorgfalt wegen ihrer enormen Bedeutung für das weltweite Ökosystem, denn sie enthält eine biologische Vielfalt von einer enormen Komplexität, die ganz zu kennen beinahe unmöglich ist, doch wenn sie niedergebrannt oder eingeebnet wird, um Bodenbewirtschaftung zu entwickeln, gehen in wenigen Jahren unzählige Arten verloren, wenn die Gebiete sich nicht sogar in trockene Wüsten verwandeln (vgl. Enz. Laudato si‘37-38). Dort hat Ecuador – zusammen mit den anderen Ländern mit Amazonas-Gebieten – eine Gelegenheit, die Pädagogik einer ganzheitlichen Ökologie zu praktizieren. Wir haben die Welt als Erbe von unseren Vätern erhalten, aber auch als Leihgabe von den künftigen Generationen, denen wir sie zurückgeben müssen!

Aus der gelebten Brüderlichkeit in der Familie erwächst die Solidarität in der Gesellschaft, die nicht nur darin besteht, dem Bedürftigen etwas zu geben, sondern darin, füreinander verantwortlich zu sein. Wenn wir im anderen einen Bruder oder eine Schwester sehen, kann keiner ausgeschlossen oder beiseite geschoben bleiben.

Wie viele lateinamerikanische Länder erlebt Ecuador heute tiefe soziale und kulturelle Veränderungen, neue Herausforderungen, die die Teilnahme aller sozialen Akteure verlangen. Die Migration, die städtische Konzentration, der Konsumismus, die Krise der Familie, der Mangel an Arbeit, die Börsen der Armut – diese Phänomene schaffen eine Ungewissheit und erzeugen Spannungen, die für das gesellschaftliche Zusammenleben bedrohlich werden. Die Normen und die Gesetze müssen ebenso wie die Vorhaben der zivilen Gemeinschaft für die Inklusion sorgen, Räume des Dialogs, der Begegnung eröffnen und so jegliche Art von Repression, die maßlose Kontrolle und die Beeinträchtigung der Freiheiten der leidvollen Erinnerung überlassen. Die Hoffnung auf eine bessere Zukunft wird auf dem Weg erreicht, den Bürgerinnen und Bürgern und besonders den jungen Menschen reale Gelegenheiten anzubieten, indem man Arbeitsplätze schafft – mit einem wirtschaftlichen Wachstum, das allen zugutekommt und nicht in den makroökonomischen Statistiken bleibt; mit einer nachhaltigen Entwicklung, die ein starkes und gut verknüpftes soziales Netz erzeugt.

Schließlich schlägt sich die Achtung gegenüber dem anderen, den man in der Familie lernt, im sozialen Bereich in der Subsidiarität nieder. Anzunehmen, dass unsere Option nicht notwendig die einzig legitime ist, bedeutet eine heilsame Demutsübung. Beim Anerkennen des Guten, das im anderen ist, sogar mit seinen Grenzen, sehen wir den Reichtum, den die Vielfalt mit sich bringt, und der Wert der gegenseitigen Ergänzung. Die Menschen, die Gruppen haben das Recht, ihren Weg zu gehen, auch wenn dieser zuweilen beinhaltet, Fehler zu machen. In der Achtung der Freiheit ist die zivile Gesellschaft gerufen, jede Person und jede soziale Kraft zu fördern, damit sie ihre jeweils eigene Rolle einnehmen und ihre Besonderheit zum allgemeinen Wohl einbringen können. Der Dialog ist notwendig, grundlegend, um zur Wahrheit zu gelangen, die nicht aufgezwungen werden kann, sondern aufrichtig und mit kritischem Geist gesucht werden muss. In einer partizipativen Demokratie ist jede der sozialen Kräfte – die Gruppen der Ureinwohner, die afrikanisch stämmigen Ecuadorianer, die Frauen, die bürgerlichen Gruppierungen und alle, die für die Gemeinschaft in öffentlichen Diensten arbeiten – unentbehrlicher Protagonist dieses Dialogs. Die Wände, Höfe und Kreuzgänge dieses Ortes sagen es mit größerer Beredsamkeit: Elemente der Kultur der Inka und der Caranqui aufnehmend und durch die Schönheit ihrer Proportionen und Formen sowie durch die Verwegenheit ihrer verschiedenen in bemerkenswerter Weise verknüpften Stile gekennzeichnet, geben die Kunstwerke, die den Namen „Schule von Quito“ erhalten haben, den Niederschlag eines umfassenden Dialogs der Geschichte Ecuadors – mit seinen Stärken und Schwächen – wieder. Das heute ist voller Schönheit, und wenn es auch in der Vergangenheit viel Unverstand und Ungerechtigkeit gegeben hat – wie wollte man es leugnen –, können wir doch behaupten, dass die Verschmelzung eine solche Fülle ausstrahlt, dass sie uns erlaubt, mit großer Zuversicht in die Zukunft zu schauen.

Auch die Kirche möchte bei der Suche nach dem Gemeinwohl, durch ihre sozialen, erzieherischen Aktivitäten mithelfen und die ethischen wie geistigen Werte fördern. Sie ist ja ein prophetisches Zeichen, das einen Strahl des Lichtes und der Hoffnung an alle aussendet, besonders an die am meisten Bedürftigen.

Vielen Dank, dass Sie hier sind und dass Sie mir Gehör geschenkt haben. Ich bitte Sie freundlich, meine Worte der Ermutigung zu den Gruppen zu bringen, die Sie in den verschiedenen sozialen Bereichen vertreten. Der Herr gewähre der zivilen Gesellschaft, die Sie repräsentieren, immer ein angemessener Raum zu sein, wo man diese Werte lebt.

Papst Franziskus am 8.7.2015 in seiner Rede in der Franziskanerkirche von Quito/Ecuador vor Vertretern des zivilen Lebens (ohne Übersetzung)


Foto oben (c) CTV Screenshot


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