Der Medienunternehmer Dirk Ströer investiert in den boomenden Markt für Chat-Anwendungen: Er sichert sich die Mehrheit am Berliner Start-up Hoccer, das eine WhatsApp-Alternative entwickelt. Für 51 Prozent der Anteile zahlt seine Investmentfirma Media Ventures GmbH 50 Millionen Euro und taxiert das fünf Jahre alte Unternehmen somit auf 100 Millionen Euro. Allerdings zahlt Ströer nur einen Teil in bar, den Rest erhält Hoccer in Form von Werbung. Details teilten die Unternehmen am Montag nicht mit, das Geld soll aber vollständig in das Start-up fließen.  

Das Chat-Programm Hoccer XO sei eine "sichere Alternative" zu WhatsApp, weil sie Anonymität und uneingeschränkte Privatsphäre garantiere, erklärte Ströer im Gespräch mit Handelsblatt Online. "Ein deutsches Unternehmen mit Servern in Deutschland bietet größeres Vertrauen. Gerade der deutsche Nutzer wird sich für die sichere Variante entscheiden." Die App ist für Privatanwender kostenlos und werbefrei, das Unternehmen will sich über Firmenkunden finanzieren.

Das 15-köpfige Start-up, geleitet von Jérôme Glozbach de Cabarrus, profitiert vom Boom der Nachrichten-Apps. Die SMS-Alternativen gewinnen weltweit Millionen von Nutzern hinzu und sind ins Visier größerer Unternehmen gerückt. Das soziale Netzwerk Facebook will WhatsApp für 19 Milliarden Dollar übernehmen, nachdem es sich im November bei Snapchat eine Absage eingeholt hatte. Der japanische Online-Händler Rakuten kaufte Viber für 900 Millionen Dollar, die App Tango sicherte sich 280 Millionen Dollar von verschiedenen Investoren unter der Führung des chinesischen Internetkonzerns Alibaba. Auch Apps wie Threema und Telegram, die mehr Datenschutz versprechen, boomen.

Hoccer gehört in diesem Markt zu den kleinen Anbietern. Die beiden Apps Hoccer XO und Hoccer Classic sind nach Angaben des Unternehmens bis Februar mehr als 2,5 Millionen Mal heruntergeladen worden. Wie viele Menschen sie auch regelmäßig verwenden, schlüsselt das Start-up nicht auf. Zum Vergleich: WhatsApp hat nach jüngsten Angaben allein in Deutschland 31 Millionen monatliche Nutzer, weltweit 480 Millionen.

Punkten will das Unternehmen mit Datenschutz und -sicherheit. So können Nutzer die App anonym verwenden. Die Daten würden auf dem gesamten Übertragungsweg verschlüsselt, zudem stünden die Server in Deutschland und unterlägen somit dem deutschen Datenschutzrecht, betont das Start-up. Anders als bei WhatsApp müssten Nutzer der Anwendung auch keinen Zugriff aufs Adressbuch gewähren.

Schon länger in Verhandlungen

Die App ist für Privatnutzer kostenlos, das Unternehmen will sich über Lizenzeinnahmen von Geschäftskunden finanzieren. "Wir sind in Verhandlungen mit mehreren großen Konzernen", sagte Ströer. Mögliche Kunden seien Banken, Unternehmensberater oder Telekommunikationsanbieter.

"Die Verhandlungen liefen schon lange, bevor Facebook WhatsApp gekauft hat", betonte Ströer. Der 19 Milliarden Dollar schwere Deal habe die Übernahme "nicht gerade verbilligt", zeige aber die Bedeutung der Instant Messenger. "Die Bewertung ist sicher sportlich, aber das Potenzial ist vorhanden", zeigte er sich überzeugt. Gerade Unternehmen hätten einen großen Bedarf nach sicherer Kommunikation.

Zunächst will Hoccer sein Chatprogramm mit der Anwendung Hoccer Classic zusammenführen, die Smartphone-Nutzern den Austausch von Dateien erleichtern soll. "Sobald die beiden Apps zusammengeführt sind, werden wir eine massive Werbekampagne fahren", kündigte Ströer im Gespräch mit Handelsblatt Online an. Neben Außenwerbung und Anzeigen im Internet sei auch eine Einbindung in TV-Sendungen geplant.

Mittelfristig sei auch eine internationale Expansion geplant. "Wenn wir diese Wachstumspläne vorantreiben, brauchen wir aber noch mal eine Kapitalerhöhung." Dirk Ströer gründete die Media Ventures GmbH vor 15 Jahren, ihr Kerngeschäft liegt in der Beteiligung an Start-ups. Sie engagiert sich beispielsweise bei der Personensuchmaschine Yasni und dem Online-Musiksender Tape.tv. Im Dezember verkaufte sie das Reiseportal weg.de an den TV-Sender ProSieben Sat1. Unternehmer Ströer hält gleichzeitig gemeinsam mit Udo Müller die Mehrheit am Werbedienstleister Ströer AG, den sein Vater gegründet hatte.

Erschienen im Handelsblatt