Jede an der ISS beteiligte Raumfahrtorganisation entwickelt nach ernährungsphysiologischen Maßstäben und auf Basis der Geschmacksvorlieben der Astronauten eigene Menüs und Gerichte, die sich kaum von denen auf der Erde unterscheiden. Ein Ziel ist es, das Essen von der Erde so gut wie möglich zu imitieren, um etwas Normalität in den Astro-Alltag zu bringen. Während bei japanischen Astronauten Reisgerichte und Nudelsuppen ganz hoch im Kurs stehen, kommt bei den russischen Kosmonauten Gulasch, Trockenfleisch und Fisch auf den Tisch. Das „erdet“ und gibt ein Gefühl von Heimat im Orbit. Die beliebteste Speise ist ein von der NASA entwickelter Krabbencocktail mit scharfer Sauce. Er übersteht die Gefriertrocknung und das spätere Wiederanreichern von Wasser am besten, die Textur ist mir der auf der Erde vergleichbar.
Öko-Essen für den Orbit
Die Europäische Raumfahrtagentur ESA arbeitet mit dem jungen italienischen Unternehmen argotec zusammen. In deren Space Food Lab werden von einer Handvoll Experten Speisen entwickelt, die etwa 18 bis 24 Monate haltbar sind – komplett aus Öko-Zutaten, ohne Ausnahme. Aktuellstes Projekt ist die Mission der ESA-Astronautin Samantha Cristoferetti, die ab November auf der ISS sein wird. „Das Menü ist das Ergebnis der Forschung und Entwicklung von anderthalb Jahren, allein ein halbes Jahr wurde an den Zusatznahrungsmitteln gearbeitet. Unser Hauptziel ist die Senkung des Salzanteils in der Nahrung sowie die Konservierung ohne Veränderung von Farbe, Geruch und Geschmack“, so Antonio Pilello, Sprecher von argotec.
Die NASA betreibt mit dem Space Food Systems Laboratory in Texas eine deutlich umfangreichere Forschungseinrichtung, die sich mit der Herstellung und Optimierung von Nahrungsmitteln für die Raumfahrt beschäftigt. Neben Ernährungsberatern, Mikrobiologen und Nahrungswissenschaftlern tüfteln hier Verpackungsdesigner, Ingenieure und Techniker am perfekten Nahrungsmittel für die Astronauten. Ein wichtiger Faktor ist die Haltbarkeit der Lebensmittel: Jegliche Speisen, die zur ISS gebracht werden, müssen mindestens 18 Monate haltbar sein. Zudem muss auf eine möglichst leichte Verpackung geachtet werden: Je geringer das Gewicht, desto günstiger ist der Transport zur ISS.
Frisches Obst als Highlight im Speiseplan
Alle Gerichte werden in Plastikbeuteln gefriergetrocknet und vor Ort wieder mit Wasser angereichert oder in Dosen verpackt. Ergänzt wird dieses Menü durch frisches Obst oder Gemüse, das etwa einmal im Monat zusammen mit den Versorgungsmissionen zur Station gebracht wird. Manchmal machen es die Astronauten auch wie früher auf dem Schulhof: Statt Broten werden ab und an mal komplette Gerichte untereinander ausgetauscht.
Bei der Zusammenstellung der täglichen Gerichte muss auf eine ausgewogene Zusammenstellung der Inhaltsstoffe Acht gegeben werden. Oft werden den Speisen Calcium und Vitamin D zugesetzt, um den Abbau der Knochen in der Schwerelosigkeit einzudämmen. Zwiebelgewächse, Kohl und Hülsenfrüchte sind beispielsweise verpönt, da sie Blähungen hervorrufen können. Im Unterschied zur irdischen Küche wird alles stärker gewürzt, da der Geschmackssinn im Orbit deutlich schlechter funktioniert. Deshalb setzen die Entwickler der Astronautennahrung auf intensive Kräuter und scharfe Zusätze, um die Gerichte zu verfeinern und das Geschmackserlebnis zu optimieren. Salz hingegen wird nur sparsam eingesetzt, da dies im Verdacht steht, den ohnehin schon unvermeidlichen Knochenabbau weiter zu beschleunigen. Außerdem nicht erlaubt: Stark krümelnde Snacks. Die Überreste können Filter verstopfen oder von den Astronauten versehentlich eingeatmet werden.
Haute Cusine für Astronauten
Anfang 2010 ging die ESA einen ganz neuen Schritt: Auf Basis einer Idee des deutschen Astronauten Ernst Messerschmidt entwickelte der deutsche Sternekoch Harald Wohlfahrt ein Menü für die ISS, das unter anderem Kalbsbäckchen und Kartoffelsuppe beinhaltete. Die Entwicklung dauerte rund 1 ½ Jahre, von der passenden Würzung über Ausfuhrgenehmigungen bis hin zu einer adäquaten Verpackung. Der Preis ist allerdings nicht mit einem 3-Sterne-Restaurant zu vergleichen: Derzeit kostet der Transport von einem Kilo Proviant zur ISS etwa 21.000 Dollar.
Gewächshäuser im Weltall in Arbeit
Und wie sieht die Zukunft aus? Ein Ziel ist langfristig die Produktion von Nahrungsmitteln im All, entsprechende Versuche werden in kleinem Maßstab bereits durchgeführt. Wichtig sind die auch für die weitere Erkundung des Weltraums: Für eine mögliche Marsmission werden regenerierbare Ressourcen unerlässlich sein. Dr. Jens Hauslage, Gravitationsbiologe beim Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Köln, arbeitet derzeit in kleinem Maßstab an einer Anlage namens C.R.O.P., die aus vermeintlichen Abfällen wie Pflanzen und Urin wieder Nährstoffe für Pflanzen herstellt. „Für zukünftige Langstreckenflüge sind erneuerbare Ressourcen unerlässlich, da es nahezu unmöglich ist, die benötigte Nahrung komplett mitzunehmen. Pflanzen sind in der Lage, essentielle Nährstoffe zu für den Menschen liefern.“ Ein Problem stellt die Schwerelosigkeit dar: „Ohne Schwerkraft wissen die Pflanzen nicht, wo sie hinwachsen sollen. Deshalb muss man ihnen z.B. mit Licht eine gewisse Grundrichtung geben.“ Mittelfristig könnte die Anlage auch auf der Erde bei Großgärtnereien Anwendung finden, erste Versuchseinrichtungen gibt es bereits.
Des Weiteren arbeitet die NASA derzeit an der Entwicklung eines 3D-Druckers, der in der Lage sein soll, Nahrungsmittel zu drucken. Na dann: Guten Appetit.