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Debatte nach tödlicher Tiger-Attacke im Kölner Zoo: Gehören gefährliche Raubtiere in den Zoo?
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Tiger im Kölner Zoo tötet Pflegerin
dpa Tiger „Altai“ aus dem Kölner Zoo hat seine Pflegerin getötet, bevor er selbst erschossen wurde
  • FOCUS-online-Autorin

Ein sibirischer Tiger hat im Kölner Zoo seine Pflegerin getötet. Nun werden Stimmen laut, die sich gegen die Raubtierhaltung in einem Tierpark richten. Dabei gehören Menschen gar nicht zur Beute der Tiere – eigentlich.

Sibirische Tiger gehören zu den beliebtesten Tieren im Zoo. Tigerbabys bezaubern das Publikum, wenn sie als flauschige Kätzchen tollpatschig durchs Gehege purzeln. Erwachsene Tiger beeindrucken mit ihrem schön gezeichneten Fell, dem majestätischen Gang und ihrer schieren Größe. Vor lauter Bewunderung vergisst der Mensch fast, dass die größte Katze der Welt ein Raubtier ist. Zu dessen Natur gehört es, Beutetiere zu reißen. Erwachsene Männchen verteidigen außerdem ihr Revier. Insofern hat sich der vierjährige „Altai“ im Kölner Zoo nur wie ein ganz normaler Tiger verhalten, als er seine Pflegerin anfiel und tötete.

Der sibirische Tiger ist schnell, kraftvoll, ausdauernd


Gegen einen sibirischen Tiger hat ein Mensch keine Chance. Über 250 Kilogramm bringt ein erwachsenes Männchen auf die Waage. Es wird bis zu 2,80 Meter lang. Diesen massigen Körper kann es auf der Jagd auf gut 55 Kilometer pro Stunde beschleunigen. Wenn der Tiger seine Beute von hinten anspringt, kann er einen Satz von acht Metern machen. Hat sich die Beute auf einen Baum geflüchtet, sollte sie höher als fünf Meter sitzen. So hoch kann das Muskelpaket im Extremfall springen. Da ein sibirischer Tiger täglich bis zu zehn Kilogramm Fleisch benötigt, nimmt er jede Gelegenheit wahr, seine bis zu neun Zentimeter langen Fangzähne in den Nacken der Beute zu schlagen. Wie gesagt, ein unbewaffneter Mensch ist gegen den Tiger machtlos.

Für Tierschützer ist der Zoo der falsche Ort für Raubkatzen


Mensch und Tiger sollten sich daher in freier Wildbahn tunlichst nicht begegnen und ohne schützende Barriere auch nicht im Zoo. Für Tierschützer ist das ohnehin der falsche Ort für Raubkatzen und andere Tiere, die in der freien Natur einen großen Bewegungsradius nutzen. Peter Höffken von der Tierschutzorganisation Peta hat der Zwischenfall in Köln bei aller Tragik nicht überrascht. „In diesem Jahr sind schon dreimal Raubkatzen aus deutschen Zooanlagen entwichen. Ein Wunder, dass dabei nichts passiert ist“, sagt er. „Tiger nutzen normalerweise eine Lauffläche von 300 Quadratkilometern. Es ist völlig absurd, sie auf wenigen Hektar im Zoo einzusperren. Die Tiere werden immer versuchen, frei zu kommen.“

Der Tierschützer räumt ein, dass der Tiger in Köln ganz nach seinen Instinkten gehandelt habe und der Angriff auf ein ungeschütztes Lebewesen natürliches Verhalten gewesen sei. Dennoch sagt er: „Menschen sind für Tiger in freier Wildbahn keine typische Beute. Der Zoo ist aber eine künstliche Laborsituation.“

Das Verhalten eines Tigers ist nicht vorherzusehen


Stephan Hering-Hagenbeck, zoologischer Direktor des Tierparks Hagenbeck in Hamburg, stöhnt bei der Erwähnung der Organisation „Peta“ und ihrem radikalen Tierschutzanspruch. Der Zoo-Experte sagt: „Egal, ob Wildbahn oder Zoo, wenn ein Tiger mit einer unbekannten Situation konfrontiert ist – in diesem Fall die fehlende Barriere zwischen ihm und der Pflegerin -, reagiert er entweder ängstlich und weicht zurück, oder er verteidigt sein Revier und greift an.“ Wie ein Tier reagiert, sei nicht vorherzusehen. Der Tiger habe seine Pflegerin zwar mit Sicherheit erkannt. Und es bestand wohl auch eine gewisse Vertrautheit. „Aber nur, solang die gewohnte Barriere zwischen dem Tier und dem Menschen bestand.“

Zootiere dürfen sich nicht langweilen


Auch Jochen Reiter, wissenschaftlicher Leiter des Duisburger Zoos sieht in Köln natürliches Tigerverhalten, das tragisch endete. Und er wehrt sich ebenso wie sein Hamburger Kollege gegen den Vorwurf, dass das beengte Zoodasein allein zu verhaltensgestörten Raubtieren führt. „Natürlich ist der Platz im Tierpark nicht mit der freien Wildbahn vergleichbar. Wichtiger für das Wohlbefinden der Tiere im Zoo ist, dass sie sich nicht langweilen. Das versuchen wir mit einem abwechslungsreichen Gelände zu erreichen, mit Rückzugsmöglichkeiten und einem Wasserteich, den die Tiger lieben. Wir arbeiten mit wechselnden Duftspuren oder unterschiedlich und zu verschiedenen Zeiten aufgehängten Futtersäcken.“

Zoo-Experten sehen im Tierpark neben der Kontaktstation zwischen Mensch und wilden Tieren auch einen Ort, bedrohte Tierarten am Leben zu erhalten und zu züchten. Der sibirische Tiger war vor einigen Jahrzehnten bereits akut vom Aussterben bedroht. Heute leben rund 200 in einem sibirischen Reservat, in Zoos sind es weltweit über 1000 Exemplare. Die Zoologen Jochen Reiter und Stephan Hering-Hagenbeck sehen in sogenannten Erhaltungszuchtprogrammen eine besondere Leistung europäischer Tiergärten.

Lieber tot als eingesperrt?


Den Peta-Vertreter Peter Höffken beeindruckt das nicht: „Was ist besser: In freier Natur auszusterben oder ein verhaltensgestörtes Leben im Zoo ohne normale Umgebung?“ Dass sibirische Tiger und viele andere bedrohte Tierarten dann nur noch auf Bildern zu sehen sein können, stört ihn dabei nicht.

Zoo-Freunde sind erschüttert von dem tragischen Ereignis in Köln, in erster Linie, weil ein Mensch ums Leben kam. Sie trauern aber auch um den jungen Tiger, dem die Besucher so gern zusahen. Hätte man ihn denn nicht am Leben lassen können? Vielleicht nur narkotisieren? Stephan Hering-Hagenbeck sagt: „Nach allem, was bekannt ist, befanden sich Tiger und Pflegerin im selben Bereich und es bestand Hoffnung, die Frau noch zu retten. Da musste alles schnell gehen. Die Wirkung eines Narkoseschusses kann bei einem gestressten Tier auch völlig versagen. Und dieser Tiger war in dem Moment extrem gestresst.“
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