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Sturmtief „Iwan“ überfordert deutsches Stromnetz

Wirtschaftsredakteur
Hier werden wieder heftige Orkanböen erwartet

Mit Sturmtief "Heini" hat der Osten Deutschlands den ersten großen Herbststurm erlebt. Ein Mann starb bei einem schweren Autounfall in Thüringen. Und das nächste Sturmtief ist schon im Anmarsch.

Quelle: Die Welt

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Die Herbststürme sorgen für einen neuen Windstrom-Rekord in Deutschland. Doch die Leitungen sind überlastet. Damit das Netz stabil bleibt, muss fossiler Strom aus Österreich her. Das kostet.

Worum geht es

„Heini“ ist durch, jetzt kommt „Iwan“ von Norwegen herunter: Eine Reihe von Tiefdruckgebieten sorgt seit Tagen für Starkwind in Deutschland. Die rund 25.000 Windenergie-Anlagen rotieren seither fast durchgehend auf maximaler Leistung.

„Mit rund 32.600 Megawatt hat die Windeinspeisung in Deutschland gestern einen neuen Rekordwert erreicht“, berichtet der Übertragungsnetzbetreiber Tennet am Donnerstag: „Die Windeinspeisung hat damit noch den Wert von 2014 überstiegen, der deutschlandweit bei rund 29.000 Megawatt lag.“

Diese Windstrom-Menge, die der Leistung von 30 Großkraftwerken entspricht, überfordert allerdings seit Tagen die Kapazität der Stromnetze. Die Kilowattstunden von der Küste drängen automatisch in den deutschen Leitungsengpass auf Höhe der Main-Linie und bringen dort die Kabelstränge bildlich gesprochen zum Glühen.

Reservekraftwerke im Dauereinsatz

Um eine Überlastung der wenigen deutschen Nord-Süd-Trassen zu verhindern, haben die Übertragungsnetzbetreiber jetzt erstmals in dieser Jahreshälfte auf die sogenannte „Winterreserve“ zurückgreifen müssen. Dabei handelt es sich um Reservekraftwerke in Süddeutschland und Österreich, die ausschließlich für die Stabilisierung des Stromnetzes angemietet wurden.

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Quelle: Die Welt

Wie erst jetzt bekannt wurde, ist diese Winterreserve bereits seit dem 9. November, also seit zehn Tagen im Dauerbetrieb. Damit handelt sich um den längsten kontinuierlichen Einsatz der Reservekraftwerke seit Beginn der Energiewende.

Nach Angaben der Netzbetreiber werden dabei täglich Leistungen zwischen 200 und 2200 Megawatt abgerufen. Aufgabe der Reservekraftwerke ist es, gegen den von Norden hereindrängenden Windstrom im Süden eine Art „Gegendruck“ aufzubauen, um so die physikalischen Lastflüsse von Nord nach Süd zu verringern und das Netz zu entlasten.

Eingesetzt wurden in den vergangenen Tagen nicht nur deutsche Kraftwerke wie etwa das Gaskraftwerk Irsching Block 3 in Bayern. Auch Leistung aus den österreichischen Gaskraftwerken Theiß und Korneuburg wurde angefordert.

Netzbetreiber schalten Windparks ab

Wie der österreichische Betreiber EVN auf Nachfrage mitteilte, wurde zeitweise auch das Steinkohlekraftwerk Dürnrohr zusätzlich angeworfen, um dem Strom hereindrängender Windenergie aus Deutschland etwas entgegen zusetzen. Durch den Einsatz fossiler Ausgleichskraftwerke wird die ökologische Wirkung der CO2-freien Windkraft während dieser Zeit allerdings ein Stück weit zunichte gemacht.

Die Netzbetreiber folgen bei drohender Überlastung der Leitungen einem mehrstufigen Notfallplan: Zunächst wird in den konventionellen Kraftwerksbetrieb durch das sogenannte Redispatch eingegriffen. Genügt dies nicht, um das Netz stabil zu halten, kommt die Winterreserve zum Einsatz. Erst in einem dritten Schritt werden schließlich auch Ökostrom-Anlagen abgestellt.

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Nach Angaben der Netzbetreiber wurden in den vergangenen Tagen alle drei Stufen genutzt: Nachdem die fossilen Kraftwerke im Norden bis auch ein technisches Minimum herunter gefahren wurde, kam die Winterreserve in Süddeutschland und Österreich zum Einsatz. Da aber auch diese Maßnahme nicht ausreichte, mussten zudem noch Windparks in Norddeutschland abgeschaltet werden.

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Quelle: N24

In Mecklenburg-Vorpommern nahm etwa der Versorger Wemag von den angeschlossenen 785 Megawatt Windkraft-Kapazitäten rund 60 Megawatt vom Netz. „Aufgabe des Netzbetreibers ist es, das Stromnetz vor Netzüberlastung bei zu starker Stromeinspeisung zu schützen“, begründete eine Wemag-Sprecherin die erzwungene Produktionspause.

Noch mehr Ökostrom musste beim Brandenburger Netzbetreiber „E.dis“ vom Netz abgeklemmt werden, der insgesamt rund 5000 Megawatt Windkraft angeschlossen hat. „Insgesamt werden wir heute mit großer Wahrscheinlichkeit zwischenzeitlich mehr als 1000 Megawatt Windkraft nicht am Netz haben“, sagte E.dis-Sprecher Horst Jordan auf Nachfrage. „Außerdem haben wir auch im eigenen Netz Maßnahmen des Netzsicherheitsmanagements ergreifen müssen.“

Notmaßnahmen kosten mehr als 500 Millionen Euro

Die Tennet musste sogar zusätzlich auf Höchstspannungsebene weitere große Windparks mit 300 Megawatt abschalten: „Dass es hier nicht mehr Maßnahmen gegeben hat, liegt unter anderem daran, dass es aufgrund der hohen Windgeschwindigkeiten zu Eigen-Abschaltungen von Windkraftanlagen gekommen ist“, erklärte eine Tennet-Sprecherin.

„Sowohl die Eingriffe in die konventionelle als auch in die erneuerbare Erzeugung sind Notmaßnahmen“, betonte Urban Keussen, Vorsitzender der Geschäftsführung der Tennet TSO GmbH: „Sie sind nicht geeignet, die Versorgung auf Dauer zu sichern.“

Zudem erzeugten die Netzeingriffe erhebliche Kosten, die auf die Stromkunden umgelegt werden, sagte Keussen weiter: „Im Netzgebiet von Tennet werden sich diese Kosten 2015 auf voraussichtlich knapp 500 Millionen Euro belaufen.“

Die Lage im Höchstspannungsnetz bleibe angespannt, sagte der Tennet-Chef. Dies zeige, wie dringend der Netzausbau in Deutschland sei: „Wenn der Netzausbau sich verzögert, werden Verbraucher und Wirtschaft weiter hohe Kosten für Notmaßnahmen tragen müssen und die Risiken für die Versorgungssicherheit werden steigen.“

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