Neue Spielregeln bei Google-Werbung:Litfaßsäule des Internets

Viele Menschen kommen vorbei, manche bleiben stehen, ein guter Ort für eine Werbeanzeige - Google funktioniert wie ein Boulevard in zentraler Lage. Doch viele Unternehmen setzen weiterhin lieber auf TV-Spots als auf Online-Werbung. Für sie ändert Google jetzt seine Spielregeln.

Von Varinia Bernau

Wann wirkt Werbung? In dem Moment, in dem jemand eine Anzeige von einem schicken Sportwagen sieht? Wenn er diese auch noch in Erinnerung behält? Oder gar erst, wenn er ins Autohaus geht und sich den Flitzer kauft?

Es sind Fragen wie diese, die den Internetkonzern Google nun dazu bewogen haben, Anzeigen anders abzurechnen. Nicht erst, wenn ein Kunde zum Kauf der begehrenswerten Ware schreitet, sondern schon wenn er sie überhaupt sieht. Denn Google ist heute das, was einst die Litfaßsäule in zentraler Lage war: ein Ort, an dem viele Menschen vorbeikommen, mancher stehen bleibt - und es sich somit lohnt, eine Anzeige zu platzieren. Nicht nur auf den eigenen Seiten, der Suchmaschine etwa oder dem Videoportal Youtube, schaltet Google Werbung. Das Unternehmen setzt seine Technologie auch dafür ein, um Anzeigen auf anderen Internetseiten zu platzieren.

Kleine Beträge, aber sie lohnen sich

Mehr als zwei Millionen Websites aus aller Welt gehören dazu: Nachrichtenportale oder Blogs beispielsweise, deren Texte Googles Großrechner nach wichtigen Stichworten durchforsten. Kein anderer verfügt über ein derart weitreichendes Netzwerk für digitale Werbung. Schreibt ein Blogger beispielsweise über seine letzte Spritztour mit dem Sportwagen, taucht eine Anzeige für das schicke Auto auf. Von dem Geld, das Audi oder Porsche dafür zahlt, bekommen beide etwas ab: der Blogger ebenso wie Google. Es sind nur kleine Beträge, aber sie lohnen sich. Im abgelaufenen Quartal sind allein auf diesem Weg 3,1 Milliarden Dollar bei dem Internetkonzern gelandet.

Für das Anzeigengeschäft auf diesen Seiten im Netz, über die Google nicht selbst die Hoheit hat, hat das Unternehmen nun die Spielregeln geändert: Die Annonce für den neuen Sportwagen, die auf dem Autoblog erscheint, wird Porsche nicht in Rechnung gestellt, wenn sie unten auf der Seite platziert wird - sondern erst, wenn der Leser den Bericht über die Testfahrt mit seiner Maus wirklich so weit nach unten zieht, dass die Anzeige mindestens zur Hälfte eine Sekunden lang auf dem Computerbildschirm zu sehen ist.

Neue Gummistiefel kauft man sich eher online als den Sportwagen

Nun sind Anzeigen für einen teuren Porsche das eine, Anzeigen für ein paar neue Schuhe aber etwas anderes. Denn ein paar neue Gummistiefel kauft man sich eher mal im Netz als einen neuen Sportwagen. Und weil bislang vor allem jene Händler im Internet für ihre Sache warben, die sie ebendort auch verkauften, war der Klick auf eine Anzeige oder auch nur das Signal, dass jemand diese Internetseite ansteuerte, ein gutes Maß für die Frage, ob die Werbung wirkte.

Inzwischen stocken auch andere Unternehmen ihre Budgets für Werbekampagnen im Netz auf: Da ist der Kosmetikhersteller, der ein paar bunte Bildchen fürs Badesalz auf die Internetseiten streut - und hofft, dass der Kunde sich daran erinnert, wenn er im Drogeriemarkt vorm Regal steht. Und da ist der Autohersteller, der das Internet nicht als Anzeigenblättchen versteht, sondern als Hochglanzmagazin, der also den Menschen da draußen weniger ein "Kauf mich!" als ein "Denk, wenn du von der Wildnis träumst, bitte auch an Landrover!"

Nur ein Fünftel des Marketingbudgets fließt bisher in Onlinewerbung

Es geht darum, eine Marke zu etablieren - nicht darum, einen schnellen Deal zu machen. Und diesen Unternehmen, an deren Werbebudgets Google ran will, muss der Konzern ein gutes Angebot machen. Google muss ihnen ein Instrument an die Hand geben, mit der sie die Wirkung von Werbung messen können. So fühlen sie sich nicht über den Tisch gezogen. "Wenn Sie ein Werber sind und kein Mensch ihre Werbung sieht, dann ist sie letztlich nutzlos", sagt der Google-Manager Neal Mohan. "Und wenn Sie ein Vermarkter sind, warum zahlen, wenn niemand ihre Anzeigen sieht?"

Das Werbegeschäft im Internet wächst zwar rasant. Doch noch immer machen Anzeigen und Kampagnen im Netz gerade einmal ein Fünftel der weltweiten Marketingbudgets aus. Wie man an die restlichen vier Fünftel rankommt? Nun, bei Google glauben sie: Indem man gerade jenen Unternehmen, die sich noch nicht ins Netz trauen, zeigt, warum eine Kampagne im Internet besser wirkt als im Fernsehen. Die Flimmerkiste läuft auch, wenn der Zuschauer gerade mal aufs Klo gegangen ist. Die Anzeige im Netz aber hat er gesehen.

Schätzungen zufolge wird gerade mal jede zweite Annonce im Netz von den Betrachtern überhaupt wahrgenommen. Ob sie auch wirkt? Das ist eine andere Frage. Vielleicht findet Google mit seinen technologischen Tüfteleien auch darauf noch eine Antwort.

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