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SPD und Union in der Griechenland-Krise Die Stimmung in Berlin kippt

"Unsere Unterstützung bröckelt": Selbst in der SPD macht sich Frust breit über den Kurs der griechischen Regierung. Damit droht Athen strategisch wichtige Fürsprecher in Berlin zu verlieren.
SPD-Chef Gabriel, Kanzlerin Merkel: "Wir lassen uns nicht erpressen"

SPD-Chef Gabriel, Kanzlerin Merkel: "Wir lassen uns nicht erpressen"

Foto: Michael Sohn/ AP/dpa

Mitte Mai klang Sigmar Gabriel noch ziemlich versöhnlich. In einem Zeitungsinterview gab sich der Vizekanzler optimistisch in Sachen Griechenland-Krise, lockte die Regierung von Alexis Tsipras sogar mit der Aussicht auf ein drittes Hilfspaket. Und jetzt, vier Wochen später? Schließt der SPD-Chef eine Rettung Griechenlands "um jeden Preis" aus und sagt: "Wir lassen uns nicht erpressen."

Die Aussagen des Wirtschaftsministers zeigen, wie die Griechenland-Krise derzeit die SPD aufmischt. In den vergangenen Monaten hatten die Sozialdemokraten stets Verständnis für die Lage der griechischen Regierung gezeigt - auch, als große Teile der Union längst die Geduld mit Tsipras und seinem Finanzminister Gianis Varoufakis verloren hatten.

Nun ändert sich im politischen Berlin der Tonfall. "Varoufakis ist ein politischer Irrläufer ersten Ranges", sagte etwa der konservative SPD-Politiker Johannes Kahrs der "Welt"  - und fügte an: "Auch wir regen uns zum Teil maßlos über die griechische Regierung auf."

Der Grund für diesen Stimmungswandel: die unveränderte Haltung der griechischen Regierung im Schuldenstreit mit Europäischer Union (EU), Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF). Sollte Athen sich mit seinen Geldgebern nicht über Reformen als Gegenleistungen für die Auszahlung weiterer 7,2 Milliarden Euro einigen, ist das Land in zwei Wochen pleite. Doch die Verhandlungen kommen kaum voran, und Premier Tsipras nahm zuletzt in einem Interview IWF und EU sogar selbstbewusst in die Pflicht: "Wir werden geduldig abwarten, bis die Institutionen auf eine realistische Position einschwenken."

Ärger bei Schäuble, Frust bei Gabriel

Auf eine allzu geduldige Bundesregierung kann Tsipras dabei wohl kaum setzen. Selbst die Kanzlerin, die Griechenland bisher unbedingt im Euro halten wollte, schlug am Montag im CDU-Präsidium Teilnehmern zufolge kritischere Töne an als noch zuletzt. Merkel habe erkennen lassen, dass sie Griechenland nicht um jeden Preis retten wolle. Wichtiger sei ihr, dass sich der Rest Europas nicht spalten lasse. Die Parteichefin ließ in der Runde auch erstmals eine längere Debatte über Vorbereitungen für einen Grexit zu.

Die Stimmung habe sich eindeutig gedreht, hieß es aus der CDU-Führungsrunde. Vor allem Finanzminister Wolfgang Schäuble machte dem Vernehmen nach seinem Ärger über den Stand der Verhandlungen Luft. Teilnehmern zufolge ließ Schäuble durchblicken, dass er längst nicht mehr an eine Rettung Griechenlands glaubt. Ein neuer Kompromiss werde ohnehin nur ein paar Monate halten. Auch die Vermittlungsbemühungen von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker habe er äußerst kritisch bewertet.

Auch Schäubles Kabinettskollege Gabriel verschärfte den Ton. "Wir werden nicht die überzogenen Wahlversprechen einer zum Teil kommunistischen Regierung durch die deutschen Arbeitnehmer und ihre Familien bezahlen lassen", sagte der SPD-Minister der "Bild"-Zeitung" . Genosse Kahrs setzte in der "Rheinischen Post"  nach: "Bei uns beginnt die Griechenland-Unterstützung zu bröckeln."

Dementsprechend fordern führende SPD-Politiker Zugeständnisse aus Athen. "Jetzt ist kluges und entschiedenes Handeln der griechischen Regierung gefragt", schreibt der Bundestagsabgeordnete Joachim Poß auf seiner Facebook-Seite  - "nicht lautes Getöse oder ausschweifendes Gerede." Schon Ende Mai hatte Poß, der im Vorstand seiner Partei sitzt, die Syriza-Regierung in einer Stellungnahme als "Schutzmacht von Steuerkriminellen" gegeißelt.

Athen "verhält sich unverantwortlich"

Doch so harsch die Kritik an der Regierung in Athen auch ist, in der SPD dauert die Debatte noch an. Am Montag diskutierte das Parteipräsidium erneut den Schuldenstreit, und auf die Unterstützung des linken Parteiflügels kann die griechische Regierung ohnehin setzen. In der Fraktionsspitze glaubt man zudem nicht, dass die Verlängerung des Hilfspakets an den eigenen Leuten scheitern wird.

Allerdings könnte die Entscheidung diesmal noch dramatischer ablaufen als bei früheren Showdowns: Die Finanzminister Schäuble und Varoufakis, die ihre EU-Kollegen am Donnerstag treffen, haben ihre Verhandlungshoheit faktisch verloren - für einen Kompromiss bliebe also nur noch ein Treffen der Regierungschefs in der kommenden Woche. "Ich gehe deshalb davon aus, dass die endgültige Einigung auch dort gefunden wird und nicht am Donnerstag in der Euro-Gruppe", sagte SPD-Fraktionsvize Carsten Schneider SPIEGEL ONLINE.

Wirklich behagen dürfte dieses Szenario den wenigsten Abgeordneten, das für die Sozialdemokraten ohnehin ein Dilemma darstellt: Einerseits will die Partei Griechenland im Euro behalten, möchte sich andererseits aber nicht von Tsipras und Varoufakis vorführen lassen. "Nach unserer Ansicht verhält sich die griechische Regierung unverantwortlich", sagte SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi am Montag - und warnte zugleich vor einem Euro-Austritt des Landes: "Ich glaube, das können wir uns nicht leisten."

Diese Widersprüche zeigen, wie sehr die Spitzen von SPD und CDU im Schuldenstreit mit verschiedenen Rollen spielen. So erklärt sich auch, warum der einst so verständnisvolle SPD-Chef Gabriel nun seinem Frust über die griechische Regierung Luft verschafft - und damit die frühere Rolle von Martin Schulz einnimmt: Nachdem der EU-Parlamentspräsident vor Kurzem erklärt hatte, "die Faxen dicke" zu haben, warnte er nun plötzlich vor einem Euro-Austritts Griechenlands : wegen der "unkalkulierbaren Gefahr für die Weltwirtschaft".


Zusammengefasst: In der SPD wächst der Frust über die Verhandlungsposition der griechischen Regierung im Schuldenstreit. Führende Sozialdemokraten fordern Kompromissbereitschaft und warnen vor einem Scheitern der Verhandlungen. Auch in der CDU-Spitze ist die Verärgerung über das Lavieren der Regierung Tsipras groß. Eine Einigung im Schuldenstreit wird erst kurz vor dem Ablauf der Frist erwartet.

Mit Material von dpa