ZEIT ONLINE: Seit Anfang Juli haben sich im Distrikt Kibaale in Uganda mindestens 20 Menschen mit Ebola infiziert. Das örtliche Virenforschungsinstitut UVRI und die US-Seuchenbehörde CDC  melden bislang 14 Todesfälle. Eine Krankenschwester wurde in der Hauptstadt Kampala behandelt, einer Großstadt mit knapp 1,4 Millionen Einwohnern. Wie gefährlich ist die Lage?

Stephan Günther: Wenn die Erkrankten schnell isoliert werden, bin ich zuversichtlich, dass man die Epidemie in den Griff bekommt. Zu Ebola-Ausbrüchen kommt es in Afrika immer wieder. Die bisher schwerste Ebola-Welle gab es im Jahr 2000 – ebenfalls in Uganda. Damals kamen in der Stadt Gulu 425 Menschen in Krankenhäuser. 224 starben. In Gulu lebten damals aber nur knapp 150.000 Menschen. Dass der Erreger jetzt mit Kampala eine Metropole erreicht hat, ist schon eine neue Dimension.

ZEIT ONLINE: Das Ebola-Virus gilt als eines der gefährlichsten der Welt. Bis zu 90 Prozent der Erkrankten sterben, je nachdem mit welcher Virus-Variante sie sich angesteckt haben. Kann man da wirklich zuversichtlich sein?

Günther: Die Angaben zur Sterblichkeit reichen von 37 Prozent bei der Ebola-Bundibugyo-Variante bis zu 90 Prozent beim Ebola-Zaire-Virus. Die durchschnittliche Sterblichkeit beim Subtyp Sudan , mit dem wir es derzeit zu tun haben, liegt bei 50 Prozent. Eines muss man aber wissen: Infizierte, die nicht zum Arzt gehen, werden statistisch nicht erfasst. Heute weiß man, dass es durchaus Menschen gibt, die Antikörper gegen Ebola bilden und nicht schwer erkranken. Die Sterblichkeitsrate unter allen Infizierten dürfte also etwas geringer sein als nur unter Krankenhauspatienten, die schon mit Symptomen eingeliefert werden.

ZEIT ONLINE:  Heißt das, es gibt derzeit Infizierte in Uganda, die nicht wissen, dass sie Ebola haben, und die Seuche verbreiten? Vielleicht sogar in der Großstadt Kampala?

Günther: Das ist sehr unwahrscheinlich. Am infektiösesten sind Menschen, bei denen das hämorrhagische Fieber mit Durchfall, Erbrechen und Blutungen schon eingesetzt hat. Denn an diesen Ausscheidungen stecken sich Verwandte, Ärzte und Krankenschwestern bei der Krankenpflege an. Das passiert vor allem in schlecht ausgerüsteten Kliniken, wo es an Handschuhen, Mundschutz und sauberer Bettwäsche fehlt. Infizierte, die keine oder kaum Symptome zeigen, sind auch weniger ansteckend.

ZEIT ONLINE:  Lässt sich leicht prüfen, ob jemand Ebola hat?

Günther: Die frühen Symptome können mit Malaria, Dengue-Fieber oder anderen Tropenerkrankungen verwechselt werden. Da sich Ebola-Viren im Körper aber wahnsinnig schnell vermehren, verschlechtert sich der Zustand der Patienten meist rasant. Dann sollte man an Ebola denken. Es klingt paradox, aber für die Seuchenbekämpfung ist es sogar vorteilhaft, dass die Erkrankung meist sehr schwer verläuft. So können Ebola-Fälle schnell erkannt und die Patienten isoliert werden, was die Seuche effizient eindämmt.

ZEIT ONLINE: Was macht den Ebola-Erreger so aggressiv?

Günther: Filoviren – also Ebola und das Marburg-Virus – können fast alle Arten von Gewebezellen befallen. Sie bleiben also nicht wie ein Herpes an der Lippe oder ein Schnupfen in der Nase, sondern lösen eine Infektion im gesamten Körpers aus. Das Perfide: Sie entern auch Immunzellen und unterdrücken so die körpereigene Abwehr. Ab diesem Zeitpunkt vermehren sich die Viren im Körper exponentiell.

ZEIT ONLINE: Woran sterben die Patienten?

Günther: Viele denken, dass die Ebola-Kranken verbluten, doch genau genommen passiert das Gegenteil. Die Blutungen in den Gefäßen sind das Ergebnis einer Kettenreaktion: Infizierte Fresszellen (Makrophagen) der Immunabwehr setzen Botenstoffe in hoher Konzentration frei. Dadurch verklumpt das Blut und die winzigen Gefäße verstopfen, sodass Organe und Gehirn nicht mehr genug Sauerstoff bekommen. Am Ende versagen die Organe, was zum Tod führt.

ZEIT ONLINE: Und wieso bluten die Patienten dann trotzdem?

Günther: Bei den ausgelösten Gerinnungsprozessen werden die Gerinnungsfaktoren verbraucht – so kann es zusätzlich zu Blutungen kommen. Die Botenstoffe und auch die Viren selbst greifen auch die Wände der kleinen Blutgefäße an, die dadurch durchlässig für Blut oder Flüssigkeit werden. Wenn beispielsweise im Gehirn die Flüssigkeit aus den Gefäßen austritt, erhöht sich der Druck im Gehirn, woran Patienten ebenfalls sterben können. Paradoxerweise haben Studien an Affen sogar gezeigt, dass Medikamente, die die Gerinnung hemmen und damit eigentlich Blutungen fördern können, die Sterblichkeit nach einer Ebola-Infektion verringern könnten. Das Mittel kam aber nie auf den Markt.