Griechische Schuldenkrise :
Das Euro-Blame-Game beginnt

Ein Kommentar von Holger Steltzner
Lesezeit: 2 Min.
Angela Merkel und Jean-Claude Juncker
Sogar EU-Kommissionspräsident Juncker hat die Geduld mit Athen verloren. Jetzt beginnt das Blame Game. Niemand will es gewesen sein, der Schwarze Peter soll nach Athen. Nur die Kanzlerin ist auffällig still.

Heute sei ein schöner Tag, sagte der griechische Finanzminister Giannis Varoufakis, weil sich die Euro-Partner entscheiden müssten. Sein Regierungschef Alexis Tsipras sagte ebenfalls gut gelaunt, Athen habe „Geduld“ im Schuldenstreit mit den Gläubigern. Wer weiß, vielleicht sagt man später einmal, an diesem schönen Tag hätten selbst überzeugte „Euro-Retter“ eingesehen, dass einem Land nicht zu helfen sei, welches sich nicht ändern will, aber von seinen Nachbarn verlangt, gutes Geld dem schlechten hinterherzuwerfen.

Anders als dauernd behauptet, geht es nicht nur um Sparen, sondern vor allem um Verändern. Das kann der Wille sein, Steuern einzutreiben, Grundeigentum in einem Kataster zu erfassen, den öffentlichen Dienst schlanker, die Justiz oder Verwaltung effizienter, den Arbeitsmarkt flexibler zu machen oder die Rente an Zeitpunkt und Dauer von Ein- und Auszahlung anzupassen.

Athen habe „Geduld“ mit den Gläubigern, sagt Alexis Tsipras.
Athen habe „Geduld“ mit den Gläubigern, sagt Alexis Tsipras.AFP

Um bei der Rente zu bleiben: Tsipras wirft den Gläubigern vor, sie wollten die Renten der ärmsten Griechen kürzen, obwohl er weiß, dass das nicht stimmt. Richtig ist vielmehr, dass die Gläubiger angesichts der hohen griechischen Pensionskosten verlangen, den Renteneintritt im öffentlichen Dienst von derzeit etwa 56 Jahren nach hinten zu schieben, wie es in den Geberländern schon länger üblich ist.

Auch die Frührenten für Mütter gibt es woanders nicht mehr, wie Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi erklärte: „Nachdem wir die Babypensionen längst abgeschafft haben, macht es keinen Sinn, dass wir nun den Griechen weiter Babypensionen bezahlen.“

F.A.Z.

Sogar EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat die Geduld mit Athen verloren. Der EU-Kommissar Günter Oettinger warnt gar vor einem „Notstandsgebiet“ vom ersten Juli an, da ohne ein laufendes Hilfsprogramm die Europäische Zentralbank Athen nicht länger finanzieren dürfte.

Derweil rechnet Hans-Werner Sinn vom Ifo-Institut die Dimension des Debakels vor: In fünf Jahren verfehlter Rettungspolitik sind trotz Schuldenschnitts die Schulden Griechenlands von 48 auf 330 Milliarden Euro gestiegen – und die Arbeitslosigkeit von 11 auf 26 Prozent. Dieses Experiment ist krachend gescheitert. Jetzt beginnt das „Blame Game“, niemand will es gewesen sein, der Schwarze Peter soll nach Athen.

Nur Kanzlerin Angela Merkel ist auffällig still. Bereitet sie Ungeheuerliches für die Regierungserklärung vor? Soll es dort, wo ein Wille ist, doch noch einen Weg zum Grexit geben – oder droht auf ewig die Transferunion?