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Wirtschaft Subventionsabbau

Das plötzliche Ende der spanischen Energiewende

Landschaft begraben unter Solarpaneelen – auch so sieht Andalusien aus Landschaft begraben unter Solarpaneelen – auch so sieht Andalusien aus
Landschaft begraben unter Solarpaneelen – auch so sieht Andalusien aus
Quelle: picture alliance / AFP Creative
In Spanien boomt die Solarenergie, doch mit der großzügigen Förderung ist nach dem Willen der Regierung jetzt Schluss. Sie will die Subventionen kappen – und stößt damit auf heftigen Widerstand.
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Die viel beschworene „Energiewende“ in Spanien fällt dem Rotstift der Regierung zum Opfer. In seinen Bemühungen, das Rekorddefizit im Haushalt einzudämmen, will Ministerpräsident Mariano Rajoy nun die Subventionen für Solarstrom kürzen. Um wie viel die Einspeisevergütung gekappt wird, soll im Herbst bestimmt werden.

Doch damit bringt Madrid in- und ausländische Anleger auf die Barrikaden. Viele amerikanische Investmentfonds haben in den vergangenen Jahren zig Millionen Dollar in den Ausbau der Solarstromproduktion in Spanien investiert.

Angelockt wurden sie von den Versprechungen des damals noch sozialistischen Industrieministers, der für Solarparks feste Renditen von 14 Prozent zusagte. „Die Sonne kann Ihnen gehören“, hieß es auf riesigen Werbeplakaten.

Konservative führten Stromsteuer ein

Diese Chance wollten sich auch Tausende heimischer Anleger nicht entgehen lassen. Zwischen 2007 und 2010 stieg daraufhin die Solarstromproduktion auf der von der Sonne so verwöhnten Iberischen Halbinsel von 53 auf 313 Gigawattstunden (GWh).

Überrascht von der großen Nachfrage führte die Regierung des sozialistischen Premiers José Luis Rodríguez Zapatero jedoch ein Moratorium für neue Solarparks ein, die garantierte Einspeisevergütung wurde auf 25 Jahre reduziert und die Prämien wurden nur noch für eine bestimmte Anzahl von Sonnenstunden im Jahr ausgezahlt. Ende des vergangenen Jahres setzten die Konservativen noch eins drauf und führten eine erste Stromsteuer von 7,5 Prozent ein, die Einnahmen der Solarbranche sanken damit um rund 30 Prozent.

Doch das alles hält die Regierung noch immer nicht für ausreichend. „In der Krise müssen alle kürzertreten“, erklärte der amtierende Industrieminister José Manuel Soria bei einem seiner letzten Auftritte vor den Sommerferien. Im September soll nun das Kabinett eine neue Stromreform ausarbeiten.

Betroffen sind auch Kleinanleger

Den Grundlinien des neuen Gesetzes zufolge sollen die Anleger weiter eine „vernünftige Rendite“ erhalten – was darunter zu verstehen ist, bleibt bislang allerdings unklar. Doch die Einspeisevergütung wird sich nicht mehr nach den herrschenden Strompreisen richten, sondern nach dem investierten Kapital. Unter dem Strich dürften da höchstens fünf Prozent bleiben, mutmaßen diverse spanische Zeitungen.

Betroffen davon werden nicht nur die ausländischen Investoren, die etwa ein Drittel der spanischen Solarparks managen, sondern auch spanische Kleinanleger sein. Sie waren es, die in den letzten Jahren vermehrt auf dem Boom mit der Sonnenenergie setzten und zahlreiche kleinere Anlagen vor allem in der Gegend von Murcia, Navarra und Katalonien errichteten.

„Da sollten wir auf erneuerbare Energien setzen, und dann werden mitten im Spiel die Regeln geändert“, empört sich Alfredo Candela, ein murcianischer Weinbauer. 120.000 Euro hat er zusammen mit seinem Bruder in eine Solaranlage investiert, die Rendite sollte die Kosten für das Universitätsstudium seiner drei Kinder abdecken.

„Hirnrissige Vorschläge“

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„Wenn die neue Energiereform durch ist, gehört all unser Besitz der Bank“, sagt auch Santiago Martínez, Landwirt im murcianischen Cieza, einem Ort, der berühmt für seine Aprikosen und Nektarinen ist. Martínez hat zwei Solarstromkooperativen mit aufgebaut und 600.000 Euro investiert. Dafür hat er einen Kredit auf 20 Jahre beantragt. Jetzt hat der Landwirt Angst, dass er bald seine Schulden nicht mehr bedienen kann.

Sogar die Betreiber von Fotovoltaikanlagen auf dem eigenen Hausdach sollen nach den Plänen des Industrieministeriums künftig kräftig zur Kasse gebeten werden. Sie müssen für bestehende und neue Anlagen eine Maut zahlen, um sie an das öffentliche Netz anzuschließen, erhalten aber keinen Cent für den Strom, den sie an den örtlichen Erzeuger weiterleiten. Wer seine Anlage nicht in ein öffentliches Register einträgt, auf den warten drakonische Strafen von bis zu 30 Millionen Euro, wenn das neue Gesetz in Kraft tritt.

„Das sind hirnrissige Vorschläge”, sagt Teresa Ribera, Energieexpertin bei den spanischen Sozialisten. „Die Regierung will zurück zu den fossilen Brennstoffen, damit schafft man keine Grundlage für die Energiewende.“

Reform soll Milliarden bringen

Der Industrieminister verteidigt die Reform damit, dass die Strompreise in Spanien die Kosten für die Erzeugung nicht decken. Jahr für Jahr erwirtschaftet die Branche Milliardendefizite, für die die Regierung bürgen muss. In Zeiten der Krise sei das den Bürgern schwer zu vermitteln, heißt es im Industrieministerium.

Das sogenannte „Tarifdefizit“ wächst jährlich um etwa vier Milliarden Euro und liegt mittlerweile bei 28 Milliarden Euro. Schuld daran seien nicht zuletzt die hohen Prämien für die erneuerbaren Energien, meinen die staatlichen Experten.

Die Reform soll 4,5 Milliarden Euro pro Jahr einbringen. 900 Millionen Euro zahlen die Verbraucher in Form von höheren Stromkosten, weitere 1,4 Milliarden Euro sollen bei Windmühlen, Wasserkraftwerken und bei Solarstrom eingespart werden, und eine knappe Milliarde Euro will das Finanzministerium jährlich zuschießen.

Hoffen auf Machtwort aus Brüssel

Damit entfällt auf die traditionelle Stromerzeugung und die Atomkraftwerke ein im Verhältnis zu ihrem Anteil an der spanischen Stromwirtschaft nur geringer Anteil, obwohl Brüssel gerade hier die Sündenböcke für das hohe Tarifdefizit sieht. In einem 2012 veröffentlichten Bericht kritisierte die EU-Kommission „exzessive Kompensationsleistungen“ unter anderem für bereits abgeschriebene Kernkraftwerke und für die unrentablen heimischen Kohlebergwerke.

Während jetzt die ausländischen Anleger bereits die ersten Klagen auf den Weg brachten und sich dabei auf die europäische Energiecharta, die Enteignungen verbietet, berufen, hat sich eine Plattform von spanischen Solarstromerzeugern an den EU-Energiekommissar Günther Oettinger gewandt und hofft auf ein Machtwort aus Brüssel. Die Stimmung ist nicht gut. Ein Leser des US-Magazins „Forbes“, das sich unlängst über „eine Steuer auf die Sonne“ empörte, zeigt hingegen Galgenhumor: „Wenn das so weitergeht, müssen die Spanier bald auch noch Sondersteuern auf ihre Tortillas zahlen.“

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