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„Mit Humor kontern statt schweigen“

Politik / Lesedauer: 4 min

Medienexpertin Konstantina Vassiliou-Enz zu Hasskommentaren im Internet
Veröffentlicht:05.08.2016, 20:29

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Im Internet, besonders in sozialen Netzwerken, wird beleidigt, bedroht und gepöbelt – häufig unter dem Deckmantel anonymer Nutzernamen. Die vom Bundesfamilienministerium geförderte Kampagne „No Hate Speech“, mit der gleichnamigen Webseite, macht sich gegen Fremdenfeindlichkeit und Hass im Internet stark. Konstantina Vassiliou-Enz , Geschäftsführerin des Vereins Neue Deutsche Medienmacher (NDM), der die weltweite Initiative des Europarats in Deutschland betreut, erklärt Marvin Weber im Interview, wann Meinungsäußerung zu Diskriminierung wird und warum Humor ein geeignetes Mittel gegen Hass im Netz ist.

Was wollen Sie mit der Kampagne „No Hate Speech“ bewirken?

Einerseits wollen wir verdeutlichen, dass eine große Mehrheit der Menschen in Deutschland gegen die Verbreitung von Hass und Hetze im Internet und für einen netten und freundlichen Umgang ist. Denn manchmal scheint es im Internet so, als wären die Hasser in der Überzahl. Wir wollen aber auch den Betroffenen zur Seite stehen und ihnen zeigen, dass sie nicht allein sind und dass es viele Initiativen und öffentliche Stellen gibt, die sich gegen Hass im Internet einsetzen. Außerdem wollen wir so viele Menschen wie möglich dazu animieren, im Netz aktiv zu werden und sich einzumischen und gegen Hass und Diskriminierung Position zu beziehen.

Wer leidet besonders unter Hasskommentaren im Internet?

Es gibt vom Europarat eine Studie, nach deren Ergebnissen vor allem Homosexuelle, Muslime und Frauen von Hass, Hetze und massiven Angriffen betroffen sind.

Wie helfen Sie den Betroffenen?

Wir bieten auf unserer Webseite wichtige Daten, Faktensammlungen, Argumentationslinien und humorvolle Bilder, eine Art Konter-Baukasten, mit dem man schnelle Antworten herunterladen kann, um sich gegen Hass und Diskriminierung zu stellen. Außerdem ist die Webseite und die Kampagne eine Art Online-Knotenpunkt, um alle bereits bestehenden Initiativen und Angebote zu bündeln.

Wo sind die Grenzen zwischen Meinungsäußerung und Diskriminierung?

Wenn man einen Blick in unser Strafgesetzbuch wirft, sind die Grenzen eindeutig. Normalerweise fühlt man sich nicht angegriffen, wenn jemand eine andere Meinung hat, sondern erst, wenn es persönlich und verletzend wird. Viele verstehen einfach nicht, dass es nichts mehr mit einer Meinung zu tun hat, wenn ich jemanden massiv beleidige oder bedrohe. Zum Beispiel Verleumdung, üble Nachrede oder Nötigung sind strafrechtlich relevant und überschreiten die Grenze der Meinungsäußerung.

Inwiefern ist Humor ein adäquates Mittel gegen Hass?

Wir arbeiten viel mit Humor, da der Hass im Netz selten auf Argumenten und Fakten basiert, sondern häufig emotional gesteuert ist. Es hat oft keinen Sinn mit Argumenten dagegenzusteuern. Wir hassen nicht zurück, sondern stellen diskriminierenden Kommentaren lieber Humor gegenüber. Das spiegelt auch eine Art Souveränität wider und bewahrt davor, sich auf die Ebene des Gegenübers zu begeben.

Wurde bisher, auch von Seiten der Bundesregierung, zu wenig gegen Hass und Diskriminierung im Internet unternommen?

Ich glaube, dass es von Regierungsseite sehr schwierig ist, dagegen vorzugehen. Auf die bundesweite Razzia vom 13. Juli diesen Jahres gab es im Internet viele negative Kommentare, die das Handeln des Bundeskriminalsamts direkt als Einschränkung der Meinungsfreiheit und Gesinnungsdiktatur deklariert haben.

Sollten die Betreiber der sozialen Netzwerke mehr Verantwortung übernehmen?

Absolut. Gerade auf Twitter dauert es furchtbar lange, bis etwas passiert oder ein Benutzer gesperrt wird, obwohl der Nutzer ganz eindeutig strafrechtlich relevante Tweets postet. Das Problem sind die nicht eindeutig definierten Zuständigkeiten. Wenn man bei Twitter in Deutschland diskriminierende Kommentare und Aussagen meldet, wird man an die Zentrale in Irland vermittelt und dort wird man wiederum auf das US-Recht verwiesen.

Bekommen Sie selbst auch Hass-Mails und böswillige Kommentare?

Ja, jede Menge. Ich versuche aber trotzdem bei jedem Kommentar betont freundlich und höflich zu bleiben. Bei den vielen beleidigen Kommentaren und E-Mails habe ich mich heute sehr über eine Spam-Email gefreut, in der mir ein Hörgerät angepriesen wurde. Es war das netteste, dass ich in der vergangenen Stunde zu lesen bekommen hatte.