Der Schwur ist eines der heiligsten öffentlichen Gelöbnisse, die man leisten kann. Der künftige Ehemann, Soldat oder Minister gibt bekannt, dass er der Frau, der Republik oder dem Volk dienen werde und ergänzt: So wahr mir Gott helfe.

Es ist ein Widerspruch in sich, darauf zu bestehen, die Religion aus allen öffentlichen Angelegenheiten herauszuhalten und bei jeder Gelegenheit darauf zu pochen, dass die Menschen drei Finger in die Höhe halten und Gott als Bürgen der eigenen Glaubwürdigkeit herbei zitieren.

Doch was, wenn der göttlich garnierte Schwur gebrochen wird? Kann Gott mit vors Gericht? Wegen unterlassener Hilfe? Ist Gott Komplize, wenn ein Soldat Zivilisten tötet? Wenn ein Minister sein Amt zum finanziellen Vorteil ausnützt? Wenn sich der Ehemann als Niete entpuppt? Der göttliche Schwur ist nicht viel mehr wert, als die auf Schulhöfen und im Ghetto in regelmäßiger Verwendung gängige: Alterischschwör – Formel, die kombiniert durch "auf das Grab von deiner Mudda" oder "auf mein Blut" zur nötigen sakralen Bedeutung gelangt.

Vor einiger Zeit hat aber nun Chris Buicink, auch eine Art Gangmitglied, nämlich als Vorsitzender der niederländischen Bankenvereinigung, beschlossen, dass Bankmitarbeiter in den Niederlanden schwören müssen, dass sie sich gut benehmen werden. Der Eid geht so:

 Ich schwöre, dass ich alles in meiner Möglichkeit stehende tun werde, um das Vertrauen in die Finanzdienstleistungsbranche zu bewahren und zu stärken. So wahr mir Gott helfe.

Das ist einmalig in Europa. Dass der Finanzsektor einen Eid darauf schwört, das Vertrauen zu stärken. Man beachte die Wortwahl. Der Eid besagt kein ethisches Leitbild, sondern formuliert lediglich den Wunsch, das Ansehen eines mittlerweile imagetechnisch ruinierten Berufsstandes zu verbessern. In den Niederlanden hat es in jüngster Vergangenheit eine breite Diskussion darüber gegeben, wie es zum Finanzcrash im Jahr 2008 kam. Die Niederlande gehören zu jenen Ländern, in denen der Marktanteil der Banken mit bis zu 80 Prozent besonders hoch ist. Das heißt, dass in diesen Ländern besonders viel Geld mit Geld erwirtschaftet wird.

Leider profitiert die Volkswirtschaft vom Geld machen nicht genauso viel wie mit Arbeit. Wer Geld mit Geld verdient, wird nicht so hoch besteuert wie jene, die Geld mit Arbeit verdienen. Auch der Stil von Unternehmen, die Geld mit Geld verdienen, steht auf dem Prüfstand. Wer sind diese Leute, die es mental schaffen, globale Crashs in Kauf zu nehmen, nur um der eigenen Provision willen?

Unter Bankern, der Insiderbericht des niederländischen Journalisten Joris Luyendijk schaffte es kurz nach Erscheinen sofort auf die Bestsellerliste seines Landes. In seinem aufsehenerregenden Bericht beschreibt er den Kosmos der Banker. Wie sie reden, wie sie handeln und wie sie die Welt sehen. Auf die Frage nach moralischer Verantwortung entgegnet ihm einer mit der patzigen Gegenfrage, wofür sich der Autor halte. "Für einen Gutmenschen? Einen Moralapostel?"

Nun soll also der Eid aus einem Berufsstand, der nur eines gelernt, hat, nämlich fremdes Geld zu vermehren und von jeder monetären Vermehrung persönlich finanziell zu profitieren, eine eidesstattlich versicherte, ethisch einwandfreie Truppe machen. Es handelt sich immerhin um etwa 90.000 niederländische Beschäftigte im Bankenwesen.  

Was aber sind die ethischen Kriterien, nach denen man ein Banker ist, der das Ansehen der Finanzmarktbranche schützt? Und wird es neben den kleinen Fischen einer lokalen Bankfiliale auch jemals einen großen Fisch treffen? Und ganz nebenbei stellt sich die Frage, warum neben der ganzen Bankenretterei die Frage nach dem System dahinter zu keinem Zeitpunkt ähnlich hysterisch, leidenschaftlich, polemisch, sachlich oder sonst wie über Monate hinweg mit der gesamtem europäischen Bevölkerung, vorneweg die Deutschen, gestellt wird. Warum traut sich niemand ernsthafte Reformen auf dem Finanzmarktsektor anzustrengen? Warum nehmen wir es in Kauf, dass Banken durch ihre Art, Produkte zu schaffen und damit zu handeln, Einfluss auf unsere Volkswirtschaften nehmen können, auf unsere Politik, auf unseren Alltag?   

Die einen würden wohl sagen: Das war halt immer so. Die anderen hoffen weiter auf Gott. Beides darf man in Zweifel ziehen, vallah, ischschwör!