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Datenanalyse: Wie Urlauber auf Terroranschläge reagieren

Foto: © Amr Dalsh / Reuters/ REUTERS

Datenanalyse Wie Terror und politische Umbrüche den Tourismus beeinflussen

Fünf Jahre nach dem Arabischen Frühling liegt der Tourismus in Ägypten und Tunesien am Boden. Wie wirken sich politische Umbrüche im Vergleich zu Terroranschlägen auf die Urlauberzahlen aus? Eine Datenanalyse.

Tourismus braucht Sicherheit. Wer sich über den nächsten Urlaub Gedanken macht, schaut sich auch die politische Lage an seinem Traumziel kritisch an: Wie sicher kann ich mich dort fühlen? Kann ich mich ohne Risiko fortbewegen? Was rät das Auswärtige Amt?

Nach Terroranschlägen wie in Istanbul oder in Sousse, bei denen viele Urlauber starben, ist die Verunsicherung groß. Die Besucher bleiben zunächst aus.

Die größte Branche der Welt ist ein sensibles Konstrukt: Je abhängiger die Volkswirtschaft eines Landes von den Besuchern aus dem Ausland ist, desto empfindlicher ist sie. Bricht der Tourismus zusammen, verschwinden Jobs, das Geld für Bildung, Gesundheit, Infrastruktur fehlt - und ein destabilisierter Staat bietet Angriffsflächen für Extremisten. Darauf setzen auch die Terroristen des "Islamischen Staats" (IS).

Wie aber wirken sich Terroranschläge auf die Besucherzahlen der betroffenen Länder aus - kurzfristig und langfristig? Und welche Folgen haben im Vergleich dazu politische Umbrüche?

Dafür werfen wir einen Blick auf die Entwicklung des internationalen Tourismus in Ägypten, Tunesien, Bali und London. Alles Orte, an denen seit Beginn des Jahrtausends verheerende Anschläge stattgefunden haben, an zweien fanden politische Umbrüche statt.

Nutzen Sie die Schaltflächen im Kopf des Diagramms, um zwischen den Orten zu wechseln. Terroranschläge und politische Umbrüche sind durch Kreise markiert und mit kurzen Informationen zu den Ereignissen beschriftet (auf Mobilgeräten durch Antippen der Kreise aufrufbar). Da Tourismuszahlen stark saisonabhängig sind, zeigt eine saisonbereinigte Darstellung mittel- und langfristige Trends deutlicher. Nutzen Sie hierzu die Buttons unterhalb des Diagramms.

Hinweise zu den Daten und zur Methodik

Bereits auf den ersten Blick wird deutlich, dass auf beinahe alle Ereignisse ein unmittelbarer Einbruch des saisonbereinigten Trends mit einem Tiefpunkt innerhalb der nächsten ein bis drei Monate folgte. Fand - wie bei dem Attentat auf Bali im Oktober 2005 - das Ereignis zu Beginn eines Monats statt, so ist der Anschlagsmonat selbst teilweise bereits der Tiefpunkt.

Hier zeigt sich der unmittelbare Schock, den die Terroranschläge ausgelöst haben und der zahlreiche potenzielle Besucher zur kurzfristigen Absage ihrer Reisepläne bewogen hat. Unmittelbar einher ging in vielen Fällen auch eine offizielle Reisewarnung, die das Umbuchen oder Stornieren von Reisen deutlich vereinfacht. Die Terroristen, so scheint es, haben in diesen Fällen also ihr Ziel erreicht.

Abgesehen von der unmittelbaren Abwärtsbewegung scheinen die Auswirkungen aber sehr unterschiedlich auszufallen, sowohl was die Stärke des Einbruchs als auch die Dauer der Erholungsphase oder das mittelfristig wieder erreichte Niveau angeht.

Wir stellen im Folgenden dar, wie sich die Tourismuszahlen jeweils in den 24 Monaten nach den Anschlägen entwickelt haben. Dabei verwenden wir den letzten Monat vor dem jeweiligen Anschlag als Bezugsgröße und zeigen die prozentuale Abweichung der Ankunftszahlen (saisonbereinigter Trend) in den folgenden Monaten.

Bali 2002 und 2005: Starker Einbruch der Besucherzahlen und langsame Erholung in den folgenden circa zwei Jahren

Die Anschläge auf Bali galten den Badeorten Kuta und Jimbaran und damit dem touristischen Zentrum der Insel. Neben Indonesiern waren vor allem australische Touristen unter den Opfern. Auch sechs Deutsche verloren ihr Leben.

Die Auswirkungen der Attentate 2002 und 2005 gleichen sich auf frappierende Weise. Zunächst gingen die Besucherzahlen um beinahe 50 Prozent zurück, danach stiegen sie wieder kontinuierlich an. Dennoch dauerte es jeweils circa zwei Jahre, bis das vorherige Niveau wieder erreicht wurde. Die Touristen fassten anscheinend wieder Vertrauen in Bali als sicheren Urlaubsort.

London 2005 und Djerba 2002: Kein spürbarer Rückgang der Besucherzahlen, weder kurz- noch langfristig

Es gibt auch Terroranschläge, die keinen Rückgang der Touristenzahlen zur Folge haben. Die Londoner Anschläge von 2005 galten hauptsächlich dem Alltagsleben in der Stadt. Dennoch könnte man erwarten, dass die Anschläge sich auch auf die Reisepläne von Städtetouristen auswirken. Wie die Datenauswertung zeigt, ist dies im Fall London jedoch nicht so.

Ebenfalls ohne feststellbare Auswirkungen war der Anschlag auf die Ghriba-Synagoge in Tunesien 2002, zumindest wenn man die landesweiten Ankunftszahlen betrachtet. Der erste Qaida-Anschlag nach 9/11 führte zwar zu einem enormen Medienecho in Deutschland, dennoch haben sich Touristen in den Folgemonaten nicht von Tunesienreisen abhalten lassen.

Ägypten und Tunesien: Der Arabische Frühling und seine Folgen

Anhand der Daten aus Ägypten und Tunesien können wir nicht nur die Auswirkung von Anschlägen, sondern auch die von politischen Umbrüchen betrachten - des Arabischen Frühlings und des Militärputsches in Ägypten. Nach einer Serie von Anschlägen in Ägypten in den Jahren 2004 bis 2006 kam es jeweils zu Rückgängen der Besucherzahlen. Allerdings insgesamt in einem deutlich geringeren Maß als dies in Bali der Fall war, und mit einer deutlich schnelleren Erholung.

Wesentlich drastischer und nachhaltiger waren die zu beobachtenden Rückgänge jedoch während des Arabischen Frühlings in den beiden Ländern sowie des ägyptischen Militärputsches in den Jahren 2011 und 2013. In Ägypten gingen die Touristenzahlen um bis zu 68 Prozent zurück. Nach jeweils ein bis zwei Jahren hatten sich die Zahlen zwar wieder stabilisiert, allerdings nur auf 75 bis 85 Prozent des vorherigen Niveaus.

Zusammengefasst

Die Frage, welche Auswirkungen Terroranschläge und politische Umbrüche auf das Verhalten von Touristen haben, lässt sich nur schwer pauschal beantworten. Handelt es sich um ein einmaliges Ereignis und wird die Gefahr der Wiederholung als gering eingeschätzt, so ist höchstens mit relativ kurzen und geringen Rückgängen der Besucherzahlen zu rechnen. Dies zeigen die Beispiele von London 2005, Djerba 2002 sowie Ägypten 2004.

Gelingt es einer Reiseregion, trotz wiederholter Attentate das Vertrauen in die Reisesicherheit aufrechtzuerhalten, so sind die Auswirkungen ebenfalls nur von begrenzter Dauer. Dies zeigt der langfristig ungebrochene Trend auf Bali, auch wenn die Erholungsphase hier bis zu zwei Jahren gedauert hat.

Touristen lassen sich also durch Anschläge nicht so leicht in ihrem Reiseverhalten beeinflussen. Erst wenn das Vertrauen in die Reisesicherheit nachhaltig erschüttert ist, was zum Beispiel auch durch politische Umbrüche geschehen kann, leidet der Tourismus in einem Land spürbar und dauerhaft.