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Deutschland Fehmarnbelt-Querung

An der Ostsee droht das nächste große Baudesaster

Politikredakteur
Der geplante Tunnel zwischen Deutschland und Dänemark von Puttgarden auf Fehmarn über den Fehmarnbelt nach Rødby auf Lolland. Der geplante Tunnel zwischen Deutschland und Dänemark von Puttgarden auf Fehmarn über den Fehmarnbelt nach Rødby auf Lolland.
Der geplante Tunnel zwischen Deutschland und Dänemark von Puttgarden auf Fehmarn über den Fehmarnbelt nach Rødby auf Lolland.
Quelle: Infografik Die Welt
Der Plan, bis 2018 zwischen der dänischen Insel Lolland und Fehmarn eine Auto- und Eisenbahnverbindung zu bauen, ist nicht zu halten. Das Projekt wird viel teurer und dauert wesentlich länger.

Was tun, wenn der Bau eines Hauses wegen Planungsänderungen teurer wird? Man sollte als Erstes in den Vertrag gucken. Dies raten jetzt bei einem Verkehrsprojekt die Grünen der Bundesregierung: Sie soll in den Vertrag sehen, den Deutschland und Dänemark 2008 über den Bau der Fehmarnbelt-Querung schlossen. Besonders genau, so verlangt ein Bundestagsantrag der Grünen, der der „Welt“ vorliegt, solle die Regierung auf Artikel 22 achten. In dem heißt es: „Sollten die Voraussetzungen für das Projekt oder Teile des Projekts sich deutlich anders entwickeln als angenommen, werden die Vertragsstaaten die Lage aufs Neue erörtern. Dies gilt unter anderem für wesentliche Kostensteigerungen.“

Dieser Fall ist nach Ansicht der Grünen eingetreten. Daher fordern sie, über das Milliardenprojekt „Verhandlungen mit dem Königreich Dänemark aufzunehmen“. Wenn sich dabei „keine neuen Erkenntnisse bezüglich des Nutzens des Querung und der mit ihrer Realisierung verbundenen Risiken ergeben“ würden, dann solle die Bundesrepublik versuchen, „aus diesem sowohl ökologisch als auch ökonomisch aus heutiger Sicht fragwürdigen Projekt auszusteigen“.

So wie in dieser Computergrafik soll die Einfahrt des Tunnels dereinst aussehen
So wie in dieser Computergrafik soll die Einfahrt des Tunnels dereinst aussehen
Quelle: picture alliance / dpa

Auch wer diese Bewertungen nicht teilt, muss feststellen, dass sich tatsächlich viel geändert hat an dem Plan, bis 2018 zwischen Rødby auf der dänischen Insel Lolland und Puttgarden auf der deutschen Insel Fehmarn eine Auto- und Eisenbahnverbindung zu bauen, die über Fehmarn sowie den schmalen Fehmarnsund nach Lübeck führen soll. Die Änderungen für Deutschland, das nur diese Hinterlandanbindung bezahlen soll, beschrieb jüngst Enak Ferlemann, Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, in einem Brief an den Verkehrs- und den Rechnungsprüfungsausschuss des Bundestags.

Demnach wird die Eisenbahnanbindung auf deutscher Seite nicht wie zunächst angenommen maximal 900 Millionen Euro kosten, sondern mindestens 1,5 Milliarden. Fertig wird sie frühestens 2024. Wobei noch dies laut Ferlemann „ein ehrgeiziger Zeitplan mit hohem Anspannungsgrad“ ist.

Grund dafür ist, dass der Schienenweg komplett umgeplant werden musste. Ursprünglich sollte auf deutscher Seite die bisherige eingleisige Strecke nach Puttgarden beibehalten und lediglich elektrifiziert werden. Dieses Sparmodell wählten die Deutschen, weil sie bezweifelten, dass das Zugaufkommen der Belt-Querung den zweigleisigen Ausbau rechtfertige. Erst wenn die Querung massenweise Züge anlocken sollte, so die Deutschen zunächst, werde man die Bestandsstrecke innerhalb von sieben Jahren nach Eröffnung der Querung zweigleisig ausbauen.

Bürgerbeteiligung führt zu Kostensteigerung

Doch dann begann in der Region die Bürgerbeteiligung, und da zeigte sich rasch, dass es gegenüber den Anwohnern in der Feriengegend nicht durchsetzbar war, den erwarteten Güterzugverkehr auf der Bestandsstrecke durch die Urlaubsorte zu führen. Darum wurde nach einem Raumordnungsverfahren im Mai 2014 entschieden, die Strecke auf einer anderen Trasse neu zu planen, zweigleisig, elektrifiziert, vielleicht schneller. Der Bund jedenfalls lässt die Deutsche Bahn nun „prüfen“, ob die Bahnstrecke statt für 160 für 200 Stundenkilometer ausgelegt werden kann. Dann müssten alle kreuzenden Straßen über Brücken oder durch Tunnel geführt werden. Das kostet – und dauert. Schon bei der Planung: Laut Ferlemann hat die Bahn noch nicht einmal die Vorplanungen für die Eisenbahnstrecke abschließen können.

Hinzu kommt das Nadelöhr Fehmarnsund zwischen dem deutschen Festland und Fehmarn. Da gibt es schon eine Brücke. Aber laut Ferlemann empfahl eine Studie, angesichts des zu erwartenden Belt-Verkehrs „die Ertüchtigung der vorhandenen Brücke wegen relativ zu hoher Folgekosten bei weiterhin geringer Restnutzungsdauer nicht weiter zu verfolgen“. Auch da muss neu gebaut werden. Was, ist unklar – ob zwei neue Brücken für Autos und Züge, ob eine für beide oder ein Tunnel. Je nach Variante liegen die Kosten zwischen 250 und 600 Millionen Euro. Bis Ende März soll eine Entscheidung über die weiteren Planungen getroffen werden.

Weiter geht es über Fehmarn an die Ostsee. Da wollen die Dänen, anders als zunächst geplant, nicht eine Brücke bis 2018, sondern einen 17,6 Kilometer langen Tunnel bis 2022 bauen. Dafür soll noch 2015 mit dem Ausbaggern einer Rinne begonnen werden, in die die Tunnelelemente abgesenkt werden. Hierfür muss in Dänemark, wo die gesamten Tunnelkosten von rund fünf Milliarden Euro bezahlt und durch staatlich abgesicherte Kredite finanziert werden, das Parlament im Frühjahr das Baugesetz verabschieden. Doch vor der Abstimmung müssen die Folketing-Abgeordneten bedenken, wie es auf deutscher Seite aussieht. Nämlich schwierig.

Sowohl Auto- als auch Zugverkehr soll hier möglich sein
Sowohl Auto- als auch Zugverkehr soll hier möglich sein
Quelle: Infografik Die Welt

Erstens ist noch nicht klar, ob die Dänen mit ihren Tunnelelementen vor Fehmarn aus dem Meer herauskommen dürfen. Auf deutscher Seite gibt es für den Tunnel noch keinen Planfeststellungsbeschluss, und auch der könnte durch Klagen gekippt werden: Die Ostsee vor Fehmarn ist ein ökologisch sensibles Gebiet. Zweitens kann die Schienenanbindung auf deutscher Seite den Dänen die Kalkulation vermasseln. Denn wenn in Deutschland bis mindestens 2024, bis zur Fertigstellung der Neubaustrecke, nur eingleisig und unelektrifiziert gefahren wird, könnten auch nach der Tunnelfertigstellung 2022 die Güterzüge wegen der Tempoverluste wegbleiben und wie bisher über die nördliche Jütland-Route fahren. Das hieße, dass die Tunnelbetreiber, die das Projekt durch Maut-Einnahmen und Eisenbahngebühren finanzieren wollen, zunächst weniger Geld einnähmen. Und selbst wenn die Güterzüge ab 2022 kämen: Würden die deutschen Anwohner es hinnehmen, wenn jene Züge mindestens zwei Jahre lang über die eingleisige Bestandsstrecke ohne hinreichenden Lärmschutz ratterten?

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Die Kosten-Nutzen-Rechnung wird zudem durch ein Gutachten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung infrage gestellt: Möglicherweise wird die Querung von weniger Autofahrern und Bahnreisenden genutzt als gedacht. Zumal deshalb, weil dem privaten Betreiber des Fährbetriebs zwischen Rødby und Puttgarden, der Scandlines A/S, niemand das Fahren verbieten könnte. Würde aber Scandlines weiterfahren und die Preise leicht senken, dann wäre die Fähre für die Reisenden finanziell attraktiver als die Nutzung der Belt-Querung. Das stellt laut Studie „die Wirtschaftlichkeit des gesamten Projekts infrage“.

Angesichts dessen wächst auch in der SPD die Neigung, über die Vereinbarung mit Dänemark neu nachzudenken. Zwar müsse „ein Staatsvertrag respektiert werden“, sagte die Verkehrspolitikerin und Vorsitzende des Rechnungsprüfungsausschusses, Bettina Hagedorn, der „Welt“. „Aber wenn binnen fünf Jahren absolut alle Rahmenbedingungen aufseiten beider Partner verändert werden, dann ist es nicht Schande, sondern Pflicht, die Vereinbarungen an die Realität anzupassen.“

Dass dies nicht gerade zur Beschleunigung beitrüge, ist der Grünen Valerie Wilms bewusst: „Bei dem Projekt gibt es weiter mehr Fragen als Antworten. Die Anbindung auf deutscher Seite ist nicht finanziert, und es wird noch viel Wasser durch die Ostsee schwappen, bis wir wissen, wo Autos und Züge zukünftig Lärm machen werden“, sagte Wilms der „Welt“. Es gebe „deutlich wichtigere Verkehrsprojekte als die Fehmarnbelt-Querung“, fügte sie hinzu und forderte, „dass wir die notwendigen Mittel zum Erhalt der vorhandenen Verkehrswege konsequent bereitstellen und sie nicht in Luftschlösser pumpen“.

Gigantischer Tunnel in der Ostsee geplant

Dänemark und Deutschland planen einen Ostseetunnel, um ihre Länder miteinander zu verbinden. Autos und Züge sollen im Jahr 2021 den längsten Tunnel dieser Art passieren. Doch es gibt Widerstand.

Quelle: Die Welt

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