Wer geht denn da hin?: Das geheimnisvolle Bordell mitten im Regierungsviertel

Von: Von HANS-WILHELM SAURE und RALF SCHULER

Berlin – Ein Bordell neben dem Bundestag? Das gibt’s doch gar nicht. Doch!

Union und SPD wollen Prostitution stärker bekämpfen, nun auch die Freier von Zwangsprostituierten bestrafen (Koalitionsvertrag S. 104), doch mitten im Regierungsviertel geht es jede Nacht heiß zur Sache: in der „Bar Rouge“, Französische Straße 15.

Das Familienministerium ist gleich um die Ecke, die Bayerische Landesvertretung eine Straße weiter, nebenan Deutscher Beamtenbund und Bundesamt für Verbraucherschutz.

Selten war die Politik so nah dran an den harten Fakten!

21.50 Uhr, Dezemberkälte. Von drinnen reißt ein Portier die Tür auf, roter Teppich bis zur Pendeltür der „Bar Rouge“ (geöffnet 20 bis 5 Uhr). Dahinter: roter Samt, gedämpftes Licht. Wenig sehen, alles ahnen! Dazu ein Duft aus Parfüm und Raumspray.

Viele Gäste im „Gentlemen's Club“ (Web-Seite) sind Damen, offenherzige Tops, Netz-Strümpfe, High Heels. An der Tür unterhalten sich zwei Frauen auf Russisch, an der Theke telefoniert eine auf Rumänisch. Snacks und Getränke der gehobenen Preisklasse an der Bar (Wodka Lemon 13,50 Euro, Cola 8,50 Euro). Alle Kreditkarten sind willkommen, ein Geldautomat für Barzahler, die keine Spuren hinterlassen wollen, steht vor der Tür.  

Zielgruppe: Politiker, Geschäftsleute, Lobbyisten.

„Hallo, ich bin Jasmin“ (Name geändert). Männer finden schnell Gesellschaft. Helles Lachen, lange Beine und ein Mini-Minirock, bei dem man sehen kann, was drunter ist: nichts.

Jasmin bestellt einen Piccolo (65 Euro), kommt rasch zur Sache: Ein „Zimmer“ kostet 200 Euro, mit Whirlpool 400, die Suite 500 Euro. Ihr „Honorar“ ist da schon drin. „Sonderleistungen“ kosten extra (Vorspiel ohne Kondom 50 Euro). Auch an den Getränken in der Bar verdient sie mit.

Das Geschäftsmodell ist einfach und unkontrollierbar: „Wir sind kein Bordell“, sagte Birgit Biederer, Chefin der Dante GmbH, die mehrere Häuser dieser Art und auch die „Bar Rouge“ betreibt. „Wir sind eine Bar.“ Eingetragen im Handelsregister als „gastronomischer Betrieb“. „Oben ist eine normale Zimmervermietung.“  Allenfalls Hygiene und Buchhaltung können hier vom Amt überprüft werden.

Schlechte Karten für die Politik. Die Unterhändlerin der Union beim Prostitutionsgesetz, Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz (47, CDU) zu BILD: „Wir müssen die Kontrolle von Prostitutionsstätten effektivieren und eine Genehmigungspflicht einführen, die es ermöglicht, Prostitutionsstätten regelmäßig und ohne besonderen Anlass zu kontrollieren.“ Wie das geschehen soll, unklar.

Jasmin kommt aus Belgien – sagt sie, doch ihr rollendes „R“ deutet eher auf Osteuropa hin. Aber sie bleibt bei Belgien. „Der Job hier ist gut. Die Chefin ist klug, eine harte, faire Geschäftsfrau. Die kommt jeden Tag her. Die Männer sind nicht so schlecht und schmutzig wie anderswo.“

Die Bar ist gut besucht. Zwei Herren in Anzügen plaudern mit „Bekanntschaften“ an der Bar, auch in den dunklen Sofa-Ecken reges Treiben. „Oft kommen Gäste vom Szene-Restaurant „Borchardt“ noch für einen Absacker oder mehr herüber“, erzählt Jasmin.

Wie viele? Schulterzucken. An drei Tagen verdient sie genug für den Rest der Woche.

„Beehren Sie uns bald wieder“, sagt der Portier am Ausgang und schließt rasch die Tür.

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