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Neuer Uno-Klimabericht Es hilft nur der Abschied von Öl, Gas und Kohle

So können wir Menschen nicht weitermachen: Das ist die Kernbotschaft des dritten Teils des neuen Uno-Klimaberichts. Der weltweite Ausstoß an Treibhausgasen muss bis Mitte des Jahrhunderts um 40 bis 70 Prozent sinken. Die Kosten sind Experten zufolge überschaubar.
Ölraffinerie (im schottischen Longannet, November 2009): CO2-Emissionen steigen weltweit

Ölraffinerie (im schottischen Longannet, November 2009): CO2-Emissionen steigen weltweit

Foto: Jeff J Mitchell/ Getty Images

Die schlechte Nachricht zuerst: Die weltweiten CO2-Emissionen sind in den vergangenen zehn Jahren so stark gestiegen wie noch nie zuvor, um durchschnittlich 2,2 Prozent pro Jahr. Schuld daran ist neben dem Wachstum der Weltbevölkerung vor allem das Wirtschaftswachstum. Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat den Trend nur kurz bremsen können. So ist es im dritten Teil des Weltklimaberichts nachzulesen, der an diesem Sonntag in Berlin vorgestellt wurde. Er befasst sich mit den Strategien im Kampf gegen die Erderwärmung.

Die Menschheit muss dringend handeln, wenn sie den Klimawandel auch nur halbwegs im Griff behalten will - das ist das Urteil der Experten. Dazu müsse der Anteil an CO2-armen Technologien zur Stromerzeugung bis zum Jahr 2050 um den Faktor drei bis vier steigen. Das betrifft die erneuerbaren Energieträger wie Wind, Solar, Wasser und Biomasse - aber eben auch Atomstrom und Energieerzeugung aus fossilen Brennstoffen mit anschließender CO2-Abtrennung und -Speicherung, kurz CCS.

Dumm nur, dass das Uno-Umweltprogramm gerade festgestellt hat , dass die weltweiten Investitionen in erneuerbare Energien gegenwärtig sinken - was nur zum Teil damit zu tun hat, dass die Technik billiger wird. Gleichzeitig, so berichten es die IPCC-Experten, steigt weltweit die Bedeutung der Kohle für die Stromerzeugung.

Dabei lautet die zentrale Forderung der Forscher: Vor allem im Energiesektor dürfen weniger fossile Brennstoffe zum Einsatz kommen. Dekarbonisierung heißt es, wenn die Menschheit versucht, von Öl, Gas und Kohle loszukommen. Nur, wie geht das am besten? Mit Wind, Sonne und Wasser? Mit Atomkraft? Durch das Wegsperren von CO2 im Boden? Vielleicht sogar, nachdem vorher potentielle Nahrungsmittelpflanzen gezielt verfeuert wurden? Und was ist mit großräumigen Eingriffen ins Weltklima, dem sogenannten Geo-Engineering? All diese Optionen liegen auf dem Tisch.

Staaten mischen bei Verhandlungen mit

Der Weltklimarat (IPCC) sagt nicht direkt, was zu tun ist. Er liefert nur Entscheidungshilfe - bei der Umsetzung sind die Staaten gefragt. Deren Vertreter mischen jedoch kräftig mit, wenn die Zusammenfassungen der IPCC-Texte ausgehandelt werden. Der am Sonntag vorgestellte Bericht ist der dritte Teil des aktuellen Weltklimareports. Im ersten Teil haben die Autoren die wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Klimawandel zusammengetragen. Im zweiten Teil ging es um die Folgen für Mensch und Natur. Der dritte Teil liefert nun Ideen, wie das Problem technisch in den Griff zu kriegen ist.

Es sind noch einmal 2000 Seiten eng bedrucktes Papier. Die ersten beiden Teile waren ähnlich dick. Jeweils rund 30-seitige Zusammenfassungen sollen politischen Entscheidungsträgern helfen, die richtigen Schlüsse aus dem Papierberg zu ziehen. Gleichzeitig sind sie so zurechtdiskutiert, dass direkte Verantwortlichkeiten nicht zu finden sind.

Die Wissenschaftler haben sich auf die Wissenschaft konzentriert, die Politik muss den Rest erledigen. Wenn nichts passiert, so das Urteil der IPCC-Autoren, dürften die weltweiten Durchschnittstemperaturen bis zum Ende des Jahrhunderts um 3,7 bis 4,8 Grad steigen - mit dramatischen Folgen.

Nun die gute Nachricht: Diese Szenarien lassen sich nach Ansicht des IPCC noch immer verhindern - dafür muss der Ausstoß an Treibhausgasen bis zur Mitte des Jahrhunderts global um 40 bis 70 Prozent sinken - und bis zum Jahr 2100 auf null zurückgefahren werden. Die bisher in den internationalen Klimaverhandlungen gemachten Zusagen reichen nicht aus, um das Problem im Griff zu behalten. Sie dürften zu einem Temperaturplus von mindestens drei Grad führen.

Klimaschutz ist machbar, Herr Nachbar - aber wer zahlt?

Wer sich wie stark für den Klimaschutz anstrengen muss, dazu sind in der Zusammenfassung des Berichts keine Aussagen zu finden. Klassischerweise wird in den Weltklimaverhandlungen nur zwischen Industrieländern und allen anderen Staaten unterschieden. Im aktuellen Bericht wird dagegen nach einem halben Dutzend geografischen Regionen differenziert. Daraus lassen sich keine Verpflichtungen für einzelne Länder ablesen, wohl aber für Ländergruppen. Doch weil das Thema zu heikel war, wurde es in den politischen Verhandlungen um die Zusammenfassung abgeräumt.

Die Fronten sind aber nicht so klar, wie sie erscheinen. Wichtigster CO2-Produzent der Welt ist China (25 Prozent der Emissionen), das längst die USA (17 Prozent) überholt hat . Gleichzeitig ist der Treibhausgasausstoß der USA zuletzt gesunken - weil statt klimaschädlicher Kohle mehr Gas aus Fracking-Förderung verbrannt wird. Das hilft zumindest einstweilen in der Statistik.

Und auch in China sehen Umweltschützer Hinweise auf eine Abkehr vom Kohlestrom. Nach einer Greenpeace-Studie  ist daran die schlechte Luft in vielen Städten des Landes Schuld. Deswegen hätten sich ein Dutzend der 34 chinesischen Provinzen verpflichtet, in den kommenden Jahren den Kohleverbrauch um bis zu 50 Prozent zu senken. Die Region um die Hauptstadt Peking wolle das Ziel sogar binnen fünf Jahren erreichen. Dabei könne China bis zum Jahr 2020 so viel CO2 einsparen, wie Kanada und Australien zusammen ausstoßen.

In Deutschland werden zwar die erneuerbaren Energien ausgebaut, die ausgestoßene CO2-Menge nimmt allerdings trotzdem zu - weil auch die Braunkohle boomt. Die Regierung will daher in der kommenden Woche Eckpunkte für ein Sofortprogramm zur Eindämmung des Kohlendioxid-Ausstoßes vorstellen.

Im aktuellen IPCC-Bericht können Politiker nachlesen, wie viel Anstrengungen zu einem wirksamen Klimaschutz kosten dürften - auch wenn die Angaben etwas schwer zu entschlüsseln sind. Grundlage der Berechnung sind die weltweiten Konsumausgaben für Güter und Dienstleistungen. Die werden laut Schätzungen um 1,6 bis drei Prozent pro Jahr steigen. Der Klimaschutz würde den Wissenschaftlern zufolge durchschnittlich 0,06 Prozentpunkte davon abknapsen.

Aber, wie gesagt, welche Staaten welchen Anteil der Kosten schultern sollen, dazu sagt der IPCC nichts - es ist auch nicht sein Job.

Eine Sache stellen die Wissenschaftler in ihrem Bericht allerdings klar: Das Klimaschutzproblem lässt sich nicht dadurch lösen, dass die Reserven an fossilen Brennstoffen zur Neige gehen. Dafür sind die weltweiten Lagerstätten noch zu voll.

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