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Steinmeier in Afghanistan Sicherheit? Gibt es hier nicht

In einer hochgefährlichen Lage besucht Außenminister Steinmeier Afghanistan. Deutschland muss in dem instabilen Land wohl länger als geplant Hilfe leisten - militärisch und mit sehr viel Geld.
Besuch in Kabul: Bundesaußenminister Steinmeier wird eine Splitterschutzweste angelegt

Besuch in Kabul: Bundesaußenminister Steinmeier wird eine Splitterschutzweste angelegt

Foto: Rainer Jensen/ dpa

Manchmal sagt die Logistik eines Ministerbesuchs im Ausland mehr über die Lage aus als die Termine.

Am Sonntagmorgen rollt ein "Blackhawk"-Hubschrauber der US-Armee mit kreischend lauten Triebwerken langsam vor das Empfangsgebäude auf dem militärischen Teil des Kabuler Flughafens. Außenminister Frank-Walter Steinmeier duckt sich kurz. Dann steigt er ein, eingepackt in eine dicke schwarze Schussweste.

Die Transportart ist ein Novum bei Steinmeiers siebtem Afghanistan-Besuch. Statt wie bisher mit dem gepanzerten Auto die rund zehn Minuten in die Stadt zu fahren, schraubt sich der "Blackhawk" in sichere Höhe, außerhalb der Schussweite von einfachen Maschinengewehren. Trotzdem scannt der Soldat an der seitlichen Maschinenpistole während des ganzen Flugs zum Nato-Hauptquartier die Stadt unter sich. Sicherheit gibt es nicht in Kabul.

Das Ausweichen auf den Helikopter ist keine übervorsichtige Sicherheitsmaßnahme. Für die Ausfahrten des Flughafens lagen am Morgen vier Terrorwarnungen vor, mit Kennzeichen und Autotypen listeten die Geheimdienste mögliche Angreifer auf. In dieser Lage wollte niemand eine Fahrt durch die Stadt riskieren. Absagen aber wollte man die Ministerreise nicht, also fragte man die Amerikaner, ob sie einen Hubschrauber stellen könnten.

Steinmeier bei der Landung in Kabul: In den Provinzen überrennen Taliban die Dörfer

Steinmeier bei der Landung in Kabul: In den Provinzen überrennen Taliban die Dörfer

Foto: Rainer Jensen/ dpa

Steinmeier kommt zu einer Zeit, in der aus Afghanistan schlechte Nachrichten kommen. In den vergangenen Wochen gab es fast täglich Selbstmordanschläge in Kabul. In den Provinzen überrennen die Taliban Dörfer und Städte. Meist kann sie die afghanische Armee später zurückdrängen, ist sie mit der Übername der Sicherheitsverantwortung überfordert. Auch die mühsam gebildete Einheitsregierung ist fragil, von Reformen ist bislang nicht viel zu spüren.

Das Wunschszenario der Nato, die 2014 ihre Kampfmission beendete, heute die Afghanen nur noch berät und eigentlich Ende 2016 abziehen will, scheint also in weiter Ferne.

Auch Steinmeier versucht es gar nicht erst mit Schönrednerei, spricht von einer "schwierigen Zeit". Statt über den wirtschaftlichen Aufbau des geschundenen Landes, das weiß er schon bei der Landung, wird er in Kabul wieder über die Sicherheitslage reden müssen, die Anschläge, den holprigen Friedensprozess mit den Taliban, die Korruption.

Steinmeier und Afghanistans Präsident Mohammad Ashraf Ghani: Kein anderes Land mehr gefördert

Steinmeier und Afghanistans Präsident Mohammad Ashraf Ghani: Kein anderes Land mehr gefördert

Foto: Rainer Jensen/ dpa

Eigentlich war der Termin für die Visite in Kabul ein freudiger Anlass. Gemeinsam wollte man das Jubiläum "100 Jahre deutsch-afghanische Freundschaft" feiern. Vor 100 Jahren waren ein deutscher Offizier und ein Diplomat nach Afghanistan gereist, sie versuchten, Kabul zum Eintritt in den Ersten Weltkrieg zu bewegen. Die Volte von damals scheiterte, gleichwohl gilt der Erstkontakt als Beginn der deutsch-afghanischen Beziehungen. Im Präsidentenpalast ist deswegen eine kleine Zeremonie vorbereitet.

Steinmeier redet in Kabul viel über das deutsche Engagement am Hindukusch. Im Garten des Palasts verspricht er, dass Deutschland das Land weiter unterstützen will, im zivilen Wiederaufbau, aber auch beim Training der afghanischen Sicherheitskräfte. Kein anderes Land der Erde, so Steinmeier, sei durch Deutschland mehr gefördert worden. Vier Milliarden Euro hat Berlin seit dem Fall der Taliban in verschiedenste Projekte gesteckt.

Die Planungen für eine längere Bundeswehr-Mission laufen schon. Mit der Verteidigungsministerin hat Steinmeier bereits beraten, ob sich die deutschen Trainer, derzeit sind es rund 800, auch nach 2016 beim Training der afghanischen Armee beteiligen sollen. Viel konkreter will Steinmeier in Kabul noch nicht werden, allerdings sagt er, die Freundschaft zu Afghanistan sei eine "ohne Endtermin".

Wie lange ist deutsche Aufbauarbeit noch verantwortbar?

Im Herbst, so Steinmeier, muss entschieden werden, ob man das Feldlager in Masar-i-Scharif auch 2016 noch offen hält oder die Trainer für die Afghanen komplett nach Kabul verlegt. Wie gebannt schaut Berlin deswegen auf die USA. Dort aber ist man derzeit mehr mit dem Iran-Deal beschäftigt als mit Afghanistan. Auch ein Telefonat mit seinem US-Kollegen John Kerry letzte Woche ergab noch keinen echten Fingerzeig.

Es ist nicht nur die militärische Kooperation, die Steinmeier Sorgen macht. Spätestens seit der Entführung einer deutschen Entwicklungshelferin Mitte August direkt vor dem Büro der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GIZ) fragt man sich innerhalb der Bundesregierung, wie lange man deutsche Aufbauarbeit in einem so gefährlichen Land noch verantworten kann. Derzeit sind fast alle deutschen GIZ-Helfer ausgereist, ihre Projekte können sie nur noch so gut es geht per Telefon und E-Mail fernsteuern.

Wie schwierig jegliche Hilfe derzeit ist, bekommt auch Steinmeier zu spüren. Eigentlich wollte er eine von Deutschland geförderte Mädchenschule in Kabul besuchen, dafür wurden extra kistenweise Fußballtrikots in den Regierungs-Airbus geladen. Am Ende aber wäre der Trip für die Ministerkolonne zu gefährlich gewesen. Also wurden die Schülerinnen per Bus zu einer Festhalle innerhalb des Regierungsviertels gekarrt, um dem Minister freundlich "Guten Tag" zuzurufen.