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Unbefristeter Bahnstreik hat begonnen Weselsky kostet Deutschland 100 Millionen Euro pro Tag

Von mm-newsdesk
Teure Machtspiele: Weselsky führt eine kleine Gewerkschaft, will aber ein Großer sein. Groß ist immerhin der Schaden des Sreiks - zehn Tage Bahnstreik würden rund eine Milliarde Euro kosten und das Bruttoinlandsprodukt rechnerisch um 0,1 Prozent drücken

Teure Machtspiele: Weselsky führt eine kleine Gewerkschaft, will aber ein Großer sein. Groß ist immerhin der Schaden des Sreiks - zehn Tage Bahnstreik würden rund eine Milliarde Euro kosten und das Bruttoinlandsprodukt rechnerisch um 0,1 Prozent drücken

Foto: HANNIBAL HANSCHKE/ REUTERS

Der erneute Streik bei der Deutschen Bahn hat am Mittwochmorgen bundesweit Millionen Pendler im Berufsverkehr getroffen. Die Lokführer der Gewerkschaft GDL legten in der Nacht wie angekündigt ihre Arbeit auch im Personenverkehr nieder und weiteten damit den am Dienstag im Güterverkehr begonnenen Ausstand aus.

Auf Fernstrecken fallen nach Angaben der Bahn zwei Drittel der Züge aus. Im Regionalverkehr sind vor allem die östlichen Bundesländer betroffen.

Im aktuellen Tarifkonflikt ist es die inzwischen neunte und erstmals zunächst unbefristete Streikrunde. Voraussichtlich ist auch das anstehende Pfingstwochenende von dem Ausstand betroffen.

Nach vielen Appellen aus Politik und Wirtschaft gab es auch von Gewerkschaftsseite Kritik am GDL-Vorsitzenden Claus Weselsky. "Das geht zu weit, um es vorsichtig zu sagen", sagte der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann der Zeitung "Tagesspiegel". "Wer nach acht Streiks noch immer nicht auf die Zielgerade kommt, der weckt Zweifel, dass er an dieser Alternative ernsthaft interessiert ist."

Neunte Streikrunde: Weselsky verhandelt seit fast einem Jahr - ohne Ergebnis

Mit der neuen Streikrunde steuert der fast schon ein Jahr andauernde Tarifkonflikt auf einen neuen Höhepunkt zu. Das Pfingst-Wochenende gehört zu den verkehrsstärksten im ganzen Jahr. Trotz ausgeweiteter Angebote würden über Pfingsten auch in Bussen bereits die Sitzplätze knapp, sagte ein Sprecher des Bundesverbands Deutscher Omnibusunternehmer der Zeitung "Die Welt". Beim letzten Streik der GDL sei die Zahl der Buchungen um bis zu 150 Prozent gestiegen.

Gespräche zwischen Bahn und GDL, um mit Hilfe eines unabhängigen Arbeitsrechtlers den Weg für eine Schlichtung auszuloten, verliefen am Dienstag ohne Ergebnis. Zentraler Streitpunkt ist der Anspruch der GDL, für alle ihre Mitglieder beim Zugpersonal eigenständige Tarifverträge zu schließen. Dies bezeichnet die Gewerkschaft als nicht verhandelbar, während sie bei Lohnhöhe und Arbeitszeiten eine Schlichtung für denkbar hält. Das Bahn-Management verlangt dagegen eine "Gesamtschlichtung".

BDI: Bahnstreik kostet bis zu 100 Millionen Euro pro Jahr

Millionenkosten, Dämpfer für den Aufschwung, Schaden für den Standort Deutschland: Der drohende Bahnstreik beeinträchtigt die Wirtschaft nach der Ansicht von Ökonomen, Verbänden und Unternehmen spürbar. "Volkswirtschaftliche Schäden von bis zu 100 Millionen Euro am Tag werden dadurch wahrscheinlicher denn je", warnte am Dienstag Dieter Schweer von der Hauptgeschäftsführung des Industrieverbandes BDI. Er sprach von einem "Streikexzess", dem Unternehmen und Arbeitnehmer schutzlos ausgeliefert seien.

Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer rechnet mit einem Schaden zwischen 50 und 100 Millionen Euro am Tag. Werde über zehn Tage gestreikt, wären das rund 750 Millionen Euro. "Das würde das Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal rechnerisch um 0,1 Prozent drücken", sagte Krämer. "Der Streik wäre also gesamtwirtschaftlich spürbar."

Mit dem angekündigten Arbeitskampf der Lokführer, der zunächst nicht befristet wurde, erreicht der fast ein Jahr währende Tarifkonflikt zwischen der Gewerkschaft GDL und der Bahn seinen vorläufigen Höhepunkt. Die Bahn hat bereits Notfahrpläne erarbeitet.

Den Auftakt der Streikrunde bildet der Güterverkehr, in dem die Arbeit ab 15.00 Uhr ruhen soll. Ab Mittwoch 02.00 Uhr sollen dann auch die meisten Personenzüge im Nah- und Fernverkehr stehen.

Transportkosten für Unternehmen steigen erheblich an

Viele Unternehmen sind auf Bahnstreiks eingestellt und haben Notfallpläne erarbeitet. "Doch selbst wenn die Produktion aufrechterhalten werden kann - die Transportkosten steigen in diesen Tagen erheblich an, weil zusätzliche Lkw-Kapazitäten knapp und teuer sind", klagte der Präsident des Verbandes der deutschen Automobilindustrie, Matthias Wissmann.

Betroffene Firmen müssten mit Kunden und Logistikdienstleistern kurzfristig flexible Lösungen entwickeln, sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie, Utz Tillmann: "Das bedeutet einen immensen Personalaufwand und erhebliche zusätzliche Kosten".

"100 Prozent Auslastung": Weselsky ist Mitarbeiter des Monats bei Sixt

Autoverleiher Erich Sixt: "Eine Auslastung von 100 Prozent hatten wir noch nie. Wir hätten gut und gerne noch ein paar Tausend Autos mehr vermieten können"

Autoverleiher Erich Sixt: "Eine Auslastung von 100 Prozent hatten wir noch nie. Wir hätten gut und gerne noch ein paar Tausend Autos mehr vermieten können"

Foto: Andreas Gebert/ picture alliance / dpa

Der Bahnstreik kennt aber auch Gewinner - vom Taxigewerbe über die Busunternehmen bis hin zu Autovermietern. Sie profitieren vom erzwungenen Umstieg von der Schiene auf die Straße.

Schon der jüngste Streik sorgte für Umsatzrekorde beim Autovermieter Sixt. "Eine Auslastung von 100 Prozent hatten wir noch nie", freut sich Konzernchef Erich Sixt. Er hätte gut und gerne noch "ein paar Tausend Autos mehr" vermieten können. Beim neuen Streik werde wieder das Gleiche passieren.

Die Wirtschaft befürchtet allerdings, dass der Dauerstreik auf den Standort Deutschland abstrahlt. "Abgesehen von den wirtschaftlichen Schäden und der Belastung für die Berufspendler droht der auch ein Reputationsverlust bei ausländischen Investoren, weil Deutschland bisher als Land mit wenig Streiks galt", sagte Commerzbank-Ökonom Krämer.

Beim Industrieverband BDI wird das ähnlich gesehen: Mit dem neunten Streik innerhalb von zehn Monaten setze die GDL den guten Ruf des Logistikstandortes Deutschland aufs Spiel und höhle das Vertrauen in seine Verlässlichkeit aus.

Streik der Lokführer: Keine Katastrophe, aber töricht

la/reuters