Unser großer Wasser-Fußabdruck Virtuelles Wasser fließt in Warenströmen

Von: Heike Westram / Leander Beil

Stand: 06.06.2023

Das Wasser aus dem Hahn ist in unserem Verbrauch buchstäblich nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Das meiste Wasser verbrauchen wir, ohne je sein Rauschen zu hören: als virtuelles Wasser in Waren, die wir importieren.

Fußabdruck im Sand an einem Strand | Bild: picture-alliance/dpa

Ressourcenverbrauch: So importiert Deutschland große Mengen Wasser

Detail einer reifen Tomate, Ansatzstelle des Stils; auch Tomaten werden teils importiert und fließen damit mit in den Wasserfußabdruck Deutschlands ein.  | Bild: picture alliance / blickwinkel/M. Lenke | M. Lenke

Auch Tomaten werden teils importiert und haben damit Einfluss auf den Wasser-Fußabdruck Deutschlands.

Das meiste Wasser, das wir verbrauchen, wird importiert. Das ist das sogenannte virtuelle Wasser, das in jedem Produkt oder Lebensmittel steckt. 86 Prozent des Wassers, das für die Produktion der hier konsumierten Waren benötigt wird, wird im Ausland aufgewandt. Bei Kleidung sind es sogar fast 100 Prozent. Diese Zahlen wurden für das Jahr 2021 im Auftrag des Umweltbundesamts erhoben. Sie zeigen: Jeder Kauf, den wir tätigen, hat Einfluss auf die Wasservorräte - auch in anderen Teilen der Welt.

Die entsprechenden Güter kommen dabei oft aus Ländern, in denen Wasser längst sehr kostbar ist. Deutschland führt das meiste sogenannte blaue Wasser (Entnahme von Wasser aus Flüssen, Seen und dem Grundwasser) über Agrargüter und Nutzpflanzen über Asien, insbesondere Pakistan, Indien und China, nach Deutschland ein. Aber auch der afrikanische Kontinent, vor allem entlang des Nils, ist maßgeblich daran beteiligt. Vor allem Produkte wie Gemüse, Früchte, Nüsse und Baumwolle sind hier zentral. Dazu kommen noch Weizen, Reis, Getreide, Zuckerrohr und -rüben sowie Ölsamen.

Video: In Kleidung oder Lebensmitteln steckt viel virtuelles Wasser

Virtuelles Wasser und Wasser-Fussabdruck: Was ist das?

Auch Wasser, das bei der Produktion verwendet wird, wird von dem Wasserfußabdruck erfasst. | Bild: picture alliance / AA | Ozkan Bilgin

Beim Wasser-Fußabdruck wird auch das für die Herstellung von Lebensmitteln verwendete Wasser berücksichtigt.

Unter virtuellem Wasser versteht man das bei der Herstellung und dem Transport von Industriegütern und Lebensmitteln verbrauchte (blaues Wasser), verdunstete (grünes Wasser) oder verschmutzte Wasser (graues Wasser). Den Begriff prägte der britische Wissenschaftler John Anthony Allan vom Londoner King’s College in den 1990er-Jahren. Seitdem nahm die Forschung zum Thema besonders in von Wasserknappheit bedrohten Industrieländern wie China, den USA, aber auch den Niederlanden zu.

Zu Beginn dieses Jahrhunderts entwickelte der Wissenschaftler Arjen Hoekstra, Professor für Wasser-Management an der niederländischen Universität in Twente, diese Studien für das Institute for Water Education der UNESCO (heute: IHE Delft Institute for Water Education) weiter: Aus der Menge an virtuellem Wasser, die in ein Produkt fließt, wurde der Wasser-Fußabdruck (Water-Footprint) des jeweiligen Konsumenten oder auch konsumierenden Staates, der das betreffende Produkt nutzt.

Hintergrund: Verschiedene Arten von virtuellem Wasser

Grünes Wasser bezeichnet das natürliche Boden- und Regenwasser, das von Pflanzen absorbiert und durch Verdunstung wieder in die Atmosphäre abgegeben wird. Dieses Wasser spielt eine bedeutende Rolle bei der Produktion landwirtschaftlicher Güter.

Blaues Wasser bezieht sich im Gegensatz dazu auf Grund- oder Oberflächenwasser, das zur Herstellung eines Produkts verwendet und nicht in Gewässer zurückgeleitet wird. In der Landwirtschaft wird es beispielsweise eingesetzt, um Felder künstlich zu bewässern.



Graues Wasser bezeichnet die Wassermenge, die erforderlich ist, um Gewässerverunreinigungen ausreichend zu verdünnen, um die gesetzlichen oder vereinbarten Anforderungen an die Wasserqualität zu erfüllen.

Zahlen ohne Kontext: Kritik an Aussagekraft vom Wasser-Fußabdruck

Auch Kaffee hat einen großen Wasserfußabdruck. Auf eine Tasse kommen vermeintlich bis zu 140 Liter virtuelles Wasser. | Bild: picture alliance / photothek | Thomas Trutschel

Kaffeeanbau und -produktion haben einen erheblichen Wasserverbrauch, der den Wasser-Fußabdruck des beliebten Getränks beeinflusst.

Kritiker prangern immer wieder den undifferenzierten Gebrauch des Indikators "Wasser-Fußabdruck" an: So bringe es wenig zu betonen, dass in einer Tasse Kaffee 140 Liter Wasser stecken, wenn dabei nicht klar werde, wie stark die Herstellung des Produktes die lokale Wasserlage belastet.

Kaffeekonsum zum Beispiel lässt nicht automatisch das Wasser in der Anbauregion knapp werden. Hier kommt es unter anderem darauf an, ob die Bohne aus den regenreichen Bergregionen Brasiliens oder aus dem regenarmen Tiefland stammt. Denn solche Trockenregionen benötigen intensive Bewässerung. Handelt es sich dabei um Bio-Kaffee, wird das beim Anbau benötigte Wasser wenigstens nicht mit Pestiziden verschmutzt. Beides kann dann zu einer positiveren Bilanz der morgendlichen Tasse Kaffee beitragen.

Gesagt: Kaffee wird oft in wasserknappen Regionen angebaut

"Es ist einem Verbraucher schwer zu vermitteln, dass er oder sie keinen Kaffee mehr trinken soll, da der Wasser-Fußabdruck hoch ist. Der Wasser-Fußabdruck von 140 Litern Wasser sagt zunächst nicht so viel aus. Woher stammen die Kaffeebohnen? Wurden die Pflanzen bewässert? Wie groß sind die verfügbaren Wasserressourcen? Wir können anhand des Wertes von 140 Litern keine Aussage treffen, wie groß die Belastung auf die Wasserressourcen in einer Anbauregion sind. Aber ja, Kaffee wird oft in wasserknappen Regionen angebaut und bewässert, auch der Pestizideinsatz ist hoch."

Prof. Dr. Martina Flörke, Bauingenieurin, Lehrstuhl für Ingenieurhydrologie und Wasserwirtschaft an der Ruhr-Universität Bochum

Anschauen: Auch in Deutschland wird Wasser zunehmend knapp

Unser Fussabdruck: So viel Wasser verbrauchen wir täglich

26 Badewannen voll virtuellem Wasser verbrauchen Deutsche am Tag. | Bild: picture alliance / Zoonar | Max

Ganze Badewannen voll mit virtuellem Wasser verbrauchen in Deutschland lebende Menschen am Tag.

Trotz aller Kritik schafft der Wasser-Fußabdruck eine Bezugsgröße für weltweit vernetzten Wasserverbrauch. Was unseren Konsum an virtuellem Wasser angeht, leben wir Deutschen auf ziemlich großem Fuß: Zu einer knappen Badewanne voll Wasser (in etwa 130 Liter Trinkwasser), die jeder von uns täglich direkt aus der Wasserleitung holt, kommen Tag für Tag noch einmal 47 volle Badewannen hinzu, versteckt in Produkten. Laut aktuellen Berechnungen des Umweltbundesamtes macht das insgesamt circa 7.200 Liter virtuelles Wasser. Und das entspricht 219 Milliarden Kubikmeter Wasser pro Jahr für die gesamte Bevölkerung in Deutschland.

Ein internationaler Vergleich lässt sich anhand dieser Daten nicht anstellen. Das Umweltbundesamt bestätigt das auf Anfrage: Die Anwendung und Erprobung von Methoden für die Ermittlung eines umfassenden Wasser-Fußabdrucks sei international noch in vollem Gange. Dabei erschweren unterschiedliche Datenbanken die Vergleichbarkeit, sagt Manuela Helmecke vom Fachgebiet Übergreifende Angelegenheiten Wasser und Boden.

Video: Der Kampf um Wasser

Gesagt: Die Faustregel fürs Wassersparen

"Bisher sagen wir als Richtschnur, wenn man einkauft: Saisonal, regional und möglichst ökologisch produziert, dann ist man wassermäßig von der Menge her auf der sicheren Seite – das ist die Faustregel. Also dann Erdbeeren im Sommer, wenn Saison ist, aber dann von hier, dann spart man sich auch den weiten Transport."

Dr. Jörg Rechenberg, Fachgebietsleiter Übergreifende Angelegenheiten Wasser und Boden

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