Die unmittelbare Entstehungszeit von
Friedrich Schillers Drama »Maria
Stuart« umfasst den Zeitraum von
etwa 1782 bis zur Jahrhundertwende, und endet im 1800, in dem das
Drama in Weimar uraufgeführt wird.
Schon kurz nach seiner Ankunft auf dem thüringischen Gut seiner
Gönnerin
Henriette von Wolzogen, Bauerbach, im Jahr Herbst
1782
leiht sich der dort unter dem Decknamen "Dr. Ritter" lebende Flüchtling
aus den Diensten des Herzogs von Württemberg Literatur aus, die seine
ersten Studien über den Stoff bestimmen. Der Meininger Bibliothekar
Reinwald, später Ehemann von Schillers Schwester
Christophine, besorgt ihm ein Werk William Robertsons (»The History of
Scotland. During the Reigns of Queen Mary an of King James VI" und die »History
of Great Britain« von David Hume.
Erstes in der Öffentlichkeit sichtbare Resultat seiner Beschäftigung mit
dem Stoff ist die Veröffentlichung einer Biographie Maria Stuarts in der
von Schiller von 1790 bis 1793 herausgegebenen Zeitschrift »Allgemeine
Sammlung historischer Memoires«.
Richtig ernst wird seine auf die eigene dramatische Gestaltung
ausgerichtete Beschäftigung mit dem Stoff aber erst, nachdem Schiller sein
Drama »Wallenstein«
um
1799 abgeschlossen hat. In dieser
Jenaer Zeit gibt er in einem Brief an
Goethe
vom 25. April 1799 Einblicke in seinen Schaffensprozess:
"Die Zerstreuungen, die ich in Weimar erfahren, klingen noch heute
bei mir nach, und ich kann noch zu keiner ruhigen Stimmung kommen.
Indessen habe ich mich an eine Regierungsgeschichte der Königin
Elisabeth gemacht und den Prozess der Maria Stuart zu studieren
angefangen. Ein paar tragische Hauptmotive haben sich mir gleich
dargeboten und mir großen Glauben an diesen Stoff gegeben, der
unstreitig sehr viel dankbare Seiten hat. Besonders scheint er sich zu
der
Euripidischen Methode, welche in der vollständigsten Darstellung des
Zustandes besteht, zu qualifizieren, denn ich sehe eine Möglichkeit, den
ganzen Gerichtsgang zugleich mit allem Politischen auf die Seite zu
bringen und die Tragödie mit der Verurteilung anzufangen. Doch davon
mündlich und bis meine Ideen bestimmter geworden sind."
Den weiteren Bearbeitungs- und Schaffensprozess dokumentieren weitere
Briefauszüge an Goethe, die dazu zeigen, wie akribisch genau und
reflektiert sich der Autor mit der Entwicklung der Fabel und der Handlung
des Stückes bei seiner Produktion auseinandersetzt. Am 4. Juni 1799
schreibt er an Goethe:
"Ehe ich an den zweiten Akt komme, muss in den letzten Akten alles
klar sein. Und so habe ich denn heute, den 4ten Juni, dieses Opus mit
Lust und Freude begonnen und hoffe in diesem Monat schon einen
ziemlichen Teil der Exposition zurückzulegen."
Und vierzehn Tage später gibt er Goethe in einem Brief vom 18. Juni
1799 kund, wie tief er sich in die tragischen Momente seines Stoffes
und seiner Gestaltung hineingearbeitet hat:
"Ich fange jetzt an, bei der Aufführung, mich von der eigentlich
tragischen Qualität meines Stoffes immer mehr zu überzeugen, und
darunter gehört besonders, dass man die Katastrophe gleich in den ersten
Szenen sieht, und indem die Handlung des Stückes sich davon wegzubewegen
scheint, ihr immer näher und näher geführt wird. An der Furcht des
Aristoteles fehlt es also nicht, und das
Mitleiden wird sich auch schon finden."
Die Arbeit am Drama zog sich weiter, unterbrochen von lyrischen
Arbeiten, bis zur Fertigstellung des 3. Aktes am Jahresende 1799 hin, das
zugleich Schillers Umzug nach Weimar brachte. Eine schwere Erkrankung von
Mitte Februar bis März
1800
hindert ihn bei der zügigen Vollendung des Stückes. Als der vierte Akt
fertig ist, beginnen die Schauspieler schon das Stück für die Uraufführung
zu proben, dessen 5. Akt Schiller am 9. Juni fertig stellt. Daher konnte
das Stück schon am 14. Juni erstmals aufgeführt werden. Die Buchausgabe
des Dramas erschien mit leichten Änderungen im April
1801.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
23.10.2023