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Barbie-Kreuzfahrt in der Karibik: Alptraum in Pink

Foto: TMN

Barbie-Kreuzfahrt Tanz die Meerjungfrau

Viel Rosa, viel Rüschen, viel Glitter: Barbie heißt das neue Aushängeschild der Reederei Royal Caribbean. Ganz im Zeichen der Plastikpuppe steht ein Mädchenprogramm an Bord des größten Kreuzfahrtschiffes der Welt - samt aller Klischees.

Fort Lauderdale - Tally ist ganz Profi. Gekonnt guckt sie den Fotografen von unten an, schlägt dann die Augen auf, stützt eine Hand in die Hüfte und winkt dem Publikum vom Laufsteg aus eher flüchtig zu. Allerdings: Tally ist erst vier und die Modenschau findet auf hoher See statt.

Model und Popstar spielen, Torten und Kleider entwerfen sind Teil des neuen Angebots einer großen amerikanischen Reederei, das auch Europa erobern soll: Die Barbie-Kreuzfahrt will vor allem Mädchen - und ihre Eltern - ansprechen.

Es ist nicht das ganze Schiff, das in Rosa getaucht wird. Bei der "Allure of the Seas", mit 360 Metern das größte Kreuzfahrtschiff der Welt, wäre das auch etwas viel verlangt, und deshalb tragen nur einige der mehr als 2700 Kabinen das Schild "Spezieller Gast von Barbie". Darin finden die Reisenden ein paar Accessoires in Pink, etwa eine Decke und einen Kopfkissenbezug, eine bunte Tasche - und natürlich eine Barbie.

Eine Woche dauert die Kreuzfahrt, und von Florida aus fahren die gewaltigen Schiffe verschiedene Häfen in der Karibik an, zum Beispiel Jamaika, die Bahamas oder Haiti. Von Land und Leuten merkt man wenig, die Anlaufpunkte sind, freundlich ausgedrückt, touristisch voll erschlossen. In Haiti zum Beispiel darf man das umzäunte Gelände nicht verlassen und trifft so lediglich auf zugelassene Souvenirhändler, während ein paar Einheimische nur scheu über den Zaun winken können.

Einheitspink der Mädchenwelt

Für Barbie-Kreuzfahrten gilt wie für alle Kreuzfahrten: Der Weg ist das Ziel. Die "Allure" bietet eine Fülle von Freizeitvarianten, die die Zeit zwischen den Zielen vertreiben sollen - vom Klettern an der Plastikfelswand über Wellenreiten 16 Decks über dem Ozean bis hin zur Zip Line.

Oder zur Barbie-Teeparty. Voller Erwartung sitzen die kleinen Mädchen mit ihren Müttern am Tisch, Gläser und Teller sind noch leer. "Wir wollen erst über Etikette sprechen. Weiß jemand, was das ist?", fragt Animateurin Susan. Etikette sei zum Beispiel, dem anderen zuerst den Tee einzugießen. "Na klar", scheinen die Gesichter einiger Mädchen zu sagen, andere eher "Warum das denn?" Letztlich fügen auch die sich und lernen etwas über Höflichkeit. Die Kuchen, die es dann gibt, sind sehr amerikanisch: sehr süß und sehr pink.

"Das trifft nun mal den Geschmack der meisten Mädchen, und wir wollen, dass auch die sich an Bord wohlfühlen", sagt Cody Phillips. Der Amerikaner ist für das Kinderprogramm an Bord verantwortlich. "Ich habe den besten Job der ganzen Reederei", sagt er strahlend. "Okay, vielleicht auch den anstrengendsten." Schließlich müsse man nicht nur die Kinder bespaßen, sondern auch den Müttern bei nur sieben Tagen auf See sofort das Gefühl geben, dass die Kinder gut aufgehoben sind und sie sich selber amüsieren können. Immerhin bezahlen sie für das Zusatzprogramm "Barbie Premium Experience" knapp 350 Dollar (270 Euro) - pro Kind.

Barbie ist pink, die Mädchen sind es auch. Befragt nach ihrer Lieblingsfarbe, sagt eine Lila - alle anderen "Pink!". So sieht die ganze Reise aus: viel Rosa, viel Rüschen, viel Glitter. Gerade in den USA ist die Auswahl auch nicht besonders groß: Die Mädchenecken in den Kaufhäusern sind komplett in die unterschiedlichsten Rosatöne getaucht, und wenn man ein Mädchen in Gelb, Blau oder Grün kleidet, riskiert man ein verwundertes "Aber sie ist doch ein Mädchen?!"

Protest gegen das Barbie-Haus

Gerade das sehen viele europäische Eltern kritisch. Wieso müsse man kleinen Mädchen das Gefühl geben, das Wichtigste im Leben sei, "pretty" auszusehen? Und die Kinder in eine Einheitsfarbe tauchen? Aber auch auf anderen US-amerikanischen Schiffen begegnet ihnen die stereotype rosa Idylle, die für Feministinnen das Grauen darstellt: zum Beispiel auf der "Disney Fantasy", wo Mädchen in der "Bibbidi Bobbidi Boutique" in pastellfarbene Prinzessinnen und die Jungs in blaue Einheitspiraten verwandelt werden.

Barbie ist eine Legende. Jeder hat eine Meinung zu der Plastikpuppe - nicht immer eine gute. Das in Berlin-Mitte gerade eröffnete Barbie Dreamhouse, ein Zelt mit pinker Küche, pinkem Klavier und Hunderten Barbies hinter Glas, rief bei der Eröffnung vehementen Protest hervor: Frauenfeindliche Klischees würden mit der berühmten Spielzeugpuppe und ihren Modelmaßen bedient, meinten die Kritiker, Mädchen und Frauen auf ihren Körper reduziert.

Das Argument, dass Barbie den Mädchen eine falsche Wirklichkeit vermittele, lässt Matthew Sherman von Mattel nicht gelten: "Barbie war schon in 120 Berufen. Sie war Ärztin, Astronautin, Pilotin, Seaworld-Tiertrainerin und sogar Präsidentin. Das ist doch das perfekte Vorbild." Die Botschaft laute: "Du kannst alles werden, Du kannst alles sein."

Kartoffelbrei und Glitterkleid

Und eben auch Model und Popsängerin. Auf der "Allure" will das "Barbie Sing along" dafür ein gutes Training sein. Alles glitzert und blinkt in der Disco 16 Decks über dem Kiel. Das Karaokevideo hat zwar den Nachteil, dass die Vier- und Fünfjährigen den Text der Lieder, natürlich englisch, nicht mitlesen können. Macht aber nichts, schließlich ist es nicht so kompliziert, und es geht um Spaß, nicht Noten. Und genau so ist auch die Stimmung, wenn die Vorschulkinder eifrig durcheinanderkrähen: Spaß, nicht Noten.

Beim Tanzkurs scheucht dann Sophie die Mädchen: "Lasst uns mal ein paar Schritte üben", sagt sie, aber zuletzt keuchen alle. Die Tanzschritte, die Sophie den Kindern beibringt, heißen "Ente" und "Surfer", "Meerjungfrau" und "Kartoffelbrei". "Das ist super, weil ich auch Tänzerin werde, wenn ich groß bin", sagt eine Fünfjährige. Sie weiß schon genau, wie ihre Karriere mal aussehen soll.

Etwas ruhiger geht es beim Entwerfen von Kleidern zu. "Wie soll euer Kleid aussehen", fragt eine junge Frau die Mädchen, die, ihre Barbie fest umklammert, erwartungsvoll an Tischen sitzen. Darauf allerlei Zeug, mit dem man ein buntes Kleid noch bunter machen kann. "Wollt Ihr Streifen? Oder Punkte? Oder Karo? Oder...?" Gespanntes Warten. "Oder wollt Ihr Glitter?" Alle wollen Glitter.

Chris Melzer/dpa/abl